Kapitel 20 Die Wahl

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Maria p.o.v

Es war dunkel, doch ich hörte Stimmen wie durch Watte. Sie klangen verzerrt und ich verstand sie nicht. Ich konnte die Stimmen kaum erkennen. Sie klangen alle gleich, außer Demetri. Seine Stimme würde ich überall heraushören. Er litt. Unser Band war abgeschwächt, aber dieses Gefühl war trotzdem erdrückend. So musste sich Kiara gefühlt haben, als sie im Koma lag.
Dann wurde es hell. So hell, dass ich kurz die Augen zusammenkneifen musste.

Die Sonne schien auf eine Lichtung, umringt mit Bäumen. Wie war ich hierher gekommen? Es war wie eine Szene aus Bambi. Die Lichtung war übersät mit den buntesten Blumen, einige Hasen hoppelten und kleine Schmetterlinge flogen herum. Das konnte unmöglich bei uns Zuhause sein.
In der Mitte saß eine Frau mit langen, braunen Haaren. Sie hatte mir den Rücken zu gedreht und schien, Blumen zu pflücken. Dann drehte sie sich um und sah mich mit großen blauen Augen an. Ich erkannte sie.

Sie war meine Mutter. Und nicht der Schatten, wie er letztlich von ihr nach dem Verschwinden meiner Geschwister geblieben war, sondern meine Kindheitsmama. Die, die mir abends heimlich einen Kakao gemacht hat, damit ich besser schlafen konnte. Die, die sich immer liebevoll um uns gekümmert hat. An diese Mama konnte ich mich kaum noch erinnern. Es war schon so lange her. Es musste aber sie sein. Diese Art meiner Mutter hatte weder den verzweifelten Ausdruck im Gesicht, noch die tiefen Augenringe oder die stumpfen Augen. Nein, diese Mama quoll über vor Lebensfreude.

,, Hallo, mein Schatz.''
,, Hi, Mama'', erwiderte ich leise, als ich meine Sprache wiedergefunden hatte,,, Wo bin ich hier?''
,, Das hier wäre dein Leben nach dem Tod.''
,, Du sagst ,wäre'. Heißt das, ich bin nicht tot?''
Ich ging langsam auf sie zu. Aus der Nähe sah sie mir sehr ähnlich. Die Nase aber hatte sie an Jane vererbt. Nur Lia hatte ihr noch ähnlicher gesehen.
,, Nein, bist du nicht. Du kannst wieder zurück, wenn du willst. Zu deinem Mann und deinen Geschwistern und zu deinen Freunden. Willst du das?''
Ich überlegte. Der Platz hier schien, sehr friedlich und schön zu sein und ich wäre bei meiner Mutter, die ich nach wie vor vermisste und sehr liebte.
Ich entschied mich erstmal für eine andere Frage.
,, Geht es dir hier gut?''
Sie nickte.
,, Natürlich vermisse ich euch alle. Aber ja, es geht mir hier gut.''
,, Ich wünschte, du würdest noch leben und alles wäre gut.''
Ich klang wie ein trotziges Kind und so fühlte ich mich auch und ein bisschen weinerlich.
,, Es ist alles gut'', sagte meine Mutter und machte einen beruhigenden Gesichtsausdruck,,, Du bist doch glücklich und deine Geschwister und dein Vater auch. Nur das zählt.''
,, Aber ich vermisse dich so. Das war nicht fair, dass du so früh gehen musstest. Du hast dich für den einfachen Weg entschieden. Mich allein gelassen.''
Nun war ich schon fast am Weinen. Ärgerlich biss ich mir auf die Lippe.
,, Das Leben ist nie fair. Es war meine Entscheidung. Die Schuld lag nicht bei dir oder bei allen anderen, sondern bei mir. Und ich habe für mich die richtige Entscheidung getroffen. Denk aber gut über deine nach.
Demetri braucht dich. Und Jane und Alec brauchen dich auch.''
Nun nickte ich.
,, Ich weiß. Ich muss zurück. Ich kann das Demetri nicht antun. Ich möchte nur sicherstellen, dass bei dir alles gut ist'', sagte ich unsicher.
,, Mir geht es wirklich gut, Maria, mein Schatz. Ich bin sehr stolz auf dich. Du bist immer so selbstlos. Ich habe dich beobachtet. Du kannst dich glücklich schätzen, einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Ich wünsche dir viel Glück. Und richte Carlisle meinen Dank aus, ja? Er war dir ein guter Vater.''
,, Ist Lia hier?"
Meine Mutter nickte.
,, Sie ist hier und auch wieder nicht. Ihr Paradies sieht anders aus, so wie deins auch anders aussähe. Ich bin nur hier um deine Wahl zu erleichtern."
Erleichtert atmete ich auf. Lia war also im Himmel.

Ich rannte nun zu meiner Mutter und umarmte sie ganz fest. Sie fühlte sich echt an. Ihr Geruch war noch wie früher. Sie roch nach Zuhause und ein bisschen nach Lavendel, ihren Lieblingsblumen.
,, Ich werde dich nie vergessen.''

Und mit diesen Worten brach der Boden unter mir Weg und ich fiel in ein schwarzes Loch.

Bis(s) der letzte Hauch von Leben uns verlässt | Abgeschlossen Where stories live. Discover now