13

422 94 12
                                    

ALESSIA

Zur Nachspeise gab es Cannoli gefüllt mit süßer Ricotta-Creme. Nach all der Zeit erinnert er sich also noch immer an meine Liebe zu diesen Teigröllchen. Früher hat er mir nicht selten welche aus einer bestimmten Bäckerei Cannoli gebracht. Auch diese stammen von ihr, der Geschmack ist unverkennbar. Das muss wohl das gewesen sein, was die Crew mit dem Beiboot noch besorgt hat, denn es ankert wieder unten im Wasser an die Yacht gebunden. Er scheut keine Mühen, um mir den Aufenthalt hier angenehmer zu machen. Oder um mir Honig ums Maul zu schmieren, damit er es einfacher hat. Gerade jetzt traue ich ihm alles zu, so ungern ich das auch zugebe.

»Wie fandest du das Abendessen?«, erkundigt er sich. Die Lippen abtupfend, schweifen meine Augen auf ihn. Er schwenkt sein Weinglas in der Hand herum, es ist bereits nachgefüllt, während ich meins nicht mal angerührt habe. Tabletten und Alkohol mischt man auf keinen Fall.
»Köstlich wie immer. Noch derselbe Koch?« Romeo nickt. »Ist er. Wie du siehst, hat sich nicht viel verändert.« Doch das hat es. Eine Menge sogar.
»Kommst du jetzt endlich zu dem Punkt, weshalb du mich auf dieses Boot gelockt hast?«, wechsle ich das Thema auf den Grund meiner Anwesenheit auf der Serendipity.
»Wenn du was wünschst, natürlich.« Romeo räuspert sich, setzt sein Glas zurück auf die Tischplatte und strafft seine Schultern. »Also, wie ich bereits gesagt habe, möchte ich dir erklären, was ... ich will dir einfach die Wahrheit sagen, weil nicht alles immer so ist, wie man es vielleicht sieht.«
Mit meiner Hand deute ich ihm weiterzusprechen und nippe an meinem Wasser. Mir erschleicht sich noch immer nicht, was er damit ausdrücken will. Dichtet er mir gleich an, alles nur in den falschen Hals bekommen zu haben? Denn wenn das so ist, werde ich schnurstracks von dieser Yacht verschwinden. Koste es, was es wolle.

Romeo fährt sich gestresst durch seine Haare. »Damals«, beginnt er, »kam mein Vater zu mir und erzählte mir, dass er die perfekte Frau für mich gefunden hat. Du weißt, dass er dich noch nie mochte, und ich wollte nichts davon wissen, weil ich ... nun ja, weil wir zusammen waren. Er konnte nicht verkraften, dass ich mich ihm widersetzt habe und hat das mit Isabellas Familie eingefädelt. Ihre Eltern sind sehr reich und ihre Mitgift war ansprechend für ihn, auch wenn der alte Mistkerl doppelt so viel Geld wie ihre Familie besitzt.«
»Du willst wirklich über deine Frau sprechen? Deswegen hast du das alles veranstaltet? Darauf kann ich gut verzichten«, stelle ich klar. Ich bin nicht hier, um mir diesen Scheiß über die Blonde Hexe anzuhören. Sie ist eine arrogante, selbstverliebte Bitch, die denkt, sie könne auf anderen herumreiten. Besonders mir. Ich verabscheue sie mit jeder Faser meines Daseins. Genauso, wie ich Antonio für seine Taten verabscheue.
»Nein, das will ich nicht, Alessia. Ich will nicht über sie reden, weil sie mich nicht im Geringsten interessiert.«
»Deshalb hast du sie auch geheiratet?« Muss ich sein scheiß Gedächtnis auffrischen oder leidet er an Gedächtnisverlust? »Und ein Kind mit ihr? Wie alt ist sie, hm? Drei? Bedeutet also, dass du mich auch noch betrogen hast«, zische ich und knalle die Stoffserviette auf den leeren Teller. Ich habe genug gehört. Bevor Romeo reagieren kann, habe ich mich erhoben und suche das Deck nach meiner Tasche ab. Ich will mir sein dummes Geschwätz nicht länger anhören. Es war ein verdammter Fehler herzukommen. Scheiße verdammt, ich hätte mich nie hierdrauf einlassen dürfen. Man lernt bekanntlich aus seinen Fehlern. Nur bei einem von ihnen scheine ich immer wieder erneut auf die Fresse zu fliegen, und der sitzt genau vor mir. Der größte von allen. Romeo Parisi.

»Alessia-«, will er mich aufhalten, ich bringe ihn mit einem Blick zum Schweigen, nähere mich der automatischen Schiebetür, dessen Türen geräuschlos aufgleiten. Im inneren der Yacht entdecke ich meine Tasche auf dem Sofa ruhen. Ich schnappe sie mir, hänge sie im Laufen über meine Schultern und marschiere über das von der Sonne gewärmte Teakholz auf die Treppen zu. »Alessia bitte, das will ich dir doch gerade erklären!«
»Wie willst du das erklären, hm? Du hast deinen verschissenen Schwanz in sie gesteckt und neun Monate später war da dieses Kind. Das musst du mir nicht erklären, ich weiß genau wie das gelaufen ist. Du bist ein Schwein, Romeo. Komm mir nie wieder zu nahe, sonst rufe ich die Polizei und erwirke eine einstweilige Verfügung, du Arsch.« Den Mittelfinger ausstreckend, eile ich die Treppen hinab. Seine polternden Schritte hinter mir, gehen mir durch Haut und Knochen. So viel Zorn und Hass schwingt im Schall seiner Schritte mit, dass mein Magen sich unwohl dreht wie auf einer Achterbahn. Mein Herz poltert aufgeregt gegen meinen Brustkorb, und wieder tritt dieser Schwindel ein. Keuchend fange ich mich auf dem zweiten Deck an der Reling ab und stolpere auf die nächste Treppe zu. Mir ist kalt, dabei war es die ganze Zeit angenehm warm. Schweiß rinnt mir über die Stirn, und die ganze Welt dreht sich IM Kreis. Scheiße, was stimmt nicht mit mir?

»Alessia!« Ruppig reißt Romeo mich herum und drückt mich rückwärts gegen die Reling, die ich gerade noch umklammerte. »Lass mich! Du ... tust mir ... weh«, schnaufe ich angestrengt. Sein Gesicht klart nur langsam auf, doch kaum sehe ich ihn, verschwimmen seine Konturen erneut. Wieder ist da dieser drückende Schmerz, der sich in meiner Brust breitmacht. Die enge zwischen meinen Rippen, drückt auf meinen Hals und macht es quasi unmöglich, zu atmen.
»Alessia verdammt, ich habe dich nie betrogen! Du willst wissen, wieso ich sie geheiratet habe, wenn ich meinem Vater einfach hätte sagen können, dass er sich ins Knie ficken soll? Isabella hat mich erpresst verdammt!« Romeos Worte dringen wie durch Watte in meine Ohren. Mein Hirn will nicht recht verarbeiten, was es da hört. Sie soll ihn erpresst haben? Mit was? Oder mit ... wem.
»Giada ist nicht meine Tochter«, raunt er bissig, ist mir so nahgekommen das sein Aftershave sich in meine Nasenflügel brennt. »W-was?«, nuschle ich atemlos. Seine Worte treffen mich wie eine Betonwand meinen Kopf. Meine Augen suchen die seine, schaffen es kaum seinen Blick zu halten. Seine griffe werden langsam sanfter, doch die nähe bleibt bestehen. »Sie ist meine Nichte verdammt. Leandros Tochter.«
Sein Bruder? »A-aber der ist-«
»Der ist Tod, ja«, beendet Romeo meinen Satz. Leandro, sein kleiner Bruder ist vor knapp drei Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Ich war sogar auf seiner Beerdigung. Jetzt will er mir auftischen, dieses Mädchen wäre Leandros Tochter? Unmöglich! Das hätte er mir damals erzählt. Da bin ich mir sicher. Wir haben uns früher alles erzählt. Zumindest glaubte ich das bis jetzt. Erschreckend, wie sehr man sich in Menschen täuschen kann.

Kopfschüttelnd drücke ich meine flachen Hände gegen seine harte Brust, um Abstand zwischen uns zu bringen. »Das ... ergibt keinen Sinn«, hauche ich verwirrt, völlig neben mir stehend. Mein Puls rast, mein Körper fühlt sich wie taub an. Meine Gliedmaßen kribbeln verdächtig und meine Füße werden mit jedem weiteren schritt träger. »Ich will jetzt gehen!«, mache ich den zwei Männern klar, als ich auf die Schwimmplattform auf das Beiboot zutaumle. »Jawohl Signorina«, antwortet der eine mir und hüpft ins Boot, während der andere mir die Hand reichen will.
»Alessia, bitte!«, ruft Romeo mir flehend zu. Er kann betteln wie er will. Ich werde nicht einfach alles glauben, besonders nicht diese äußerst absurde Geschichte, von der er mir weismachen will, dass sie stimmt. So schnell gebe ich nicht auf. Niemals.
Kopflos stolpere ich auf den Rand der Yacht zu, spüre einen lähmenden Schmerz, der mich erfasst. Die Lichter der Yacht spiegeln sich im blauen Wasser, dessen Boden man mit bloßem Auge nicht erkennen kann. Ich reiße die Lippen vor Schmerz auf, verliere das Gleichgewicht und höre noch, wie verzweifelt Romeo nach mir schreit, bevor das kalte Mittelmeerwasser mich umschließt, wie ein Kokon seine Raupe und meine Lungen sich mit Wasser füllen. Die Dunkelheit empfängt mich sehnsüchtig, verschluckt meine Seele und meinen Körper in sich, bis nichts mehr übrig ist, außer das pure nichts.

King of Palermo | 18+Where stories live. Discover now