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ALESSIA

Die Schicht in der Bar, die ich nach der Gala mache, ist wesentlich entspannter und lockerer als die feine Gesellschaft der Stadt. Isabella Parisis Demütigung hat mich einiges an Kraft gekostet, bevor ich mich aufraffen konnte und mich zwang herzukommen. Hier weiß niemand was geschehen ist und das ist auch gut so. Der Laden ist wie immer rappelvoll und ich habe allerlei zutun. Zwischen Tischen und der Bar springe ich hin und her. Wenn ich nicht den Barkeeper spiele, helfe ich meinen Kollegen mit den Tischen. Aber jetzt scheinen sie es im Griff zu haben und so bin ich hinter die Bar zurückgekehrt, hinter der ich normalerweise arbeite. Die Uhr neben der Eingangstür schlägt bereits vier aber noch lange ist kein Ende in Sicht. Es wird eine lange Nacht. Das bedeutet auch, dass es gut gezahlt wird. Nur aus diesem Grund tätige ich diesen Job noch. Naja, mag sein das es mir auch Spaß macht. Das Geld bleibt jedoch der ausschlagende Grund. So blöd sich das auch anhört... aber ich brauche es. Mehr als jeder dieser Menschen, die hier sitzen und sich die Birne wegsaufen. Für sie steht nichts auf dem Spiel. Sie vertreiben sich ihre sorglosen Nächte mit Alkohol und guter Gesellschaft. Für mich hingegen, steht alles auf dem Spiel. Mein Leben hängt davon ab.

Der Preis eines Menschen wird an seinem Reichtum, seiner Kleidung, seinem Vermächtnis gemessen. Nicht daran, wie viel IQ man hat, oder was man in seinem Leben erreicht hat. Nein, einstig Geld spielt dabei eine Rolle und Menschen wie ich, stehen im unteren Drittel der Liste. Menschen wie Antonio Parisi ganz oben. Hätte ihn mein Schicksal ereilt, hätte der alte Sack es binnen eines Tages lösen können. Jemand der so viel Macht und Einfluss hat wie er, für den ist das kein Hindernis. Doch für mich wird es zum Verhängnis werden. Ich spüre es tief in mir, auch wenn ich so nicht denken sollte. Ich müsste positiv bleiben, aber mit jeder voranschreitenden Stunde und meinem Schlafmangel, wird es schwerer die finsteren Gedanken aus meinem Gedächtnis zu streichen und sie zurück in die maroden Schubladen zu stecken, aus denen sie gekrochen sind.
»Mist!«, fluche ich leise, als ich das Schlamassel zu meinen Füßen erkenne, was mein Kollege gerade angerichtet hat. »Tut mir leid, ich-«
»Geh schon. Ich mach das«, versichere ich ihm. Er trägt ein volles Tablett mit Getränken in der Hand und nachdem er das verschüttete, wieder aufgefüllt hat schlängelt er sich dankbar an mir vorbei in die Masse.
Ich wische mit einem Lappen gerade die Pfütze Bier vom Boden auf, als ich eine mir viel zu bekannte Stimme höre. »Einen Whisky bitte.«
Vor lauter Schreck, stoße ich mir den Kopf an der Bar und gehe sofort zurück in die Knie. »Au!«
Meine Kollegin mustert mich skeptisch, neben ihr auf dem Boden kniend, während sie den Whisky zubereitet. Zum Glück spricht sie mich nicht darauf an, ich könnte es ohnehin nicht erklären. Mir den Kopf reibend, wische ich das letzte Fleckchen Bier auf. Scheiße, was tut er nur hier? Ich will mich überhaupt nicht erheben. Wenn ich könnte, würde ich den Rest meiner Schicht einfach genau am Boden hier hinter der Bar verbringen, bis er verschwindet. Aber das würde mein Chef nicht dulden und ich wäre meinen Job los. Verflixt. Ein Schlamassel...
Ich muss mich überwinden, aufzustehen. Dabei glaube ich, mein Herz würde gleich stehenbleiben. Ich fühle mich nicht wie im Saal vor ein paar Stunden. Nein, es ist viel schlimmer und der Sturm in mir gnadenloser. Was tut er hier? Wieso zum Teufel, muss er ausgerechnet hier seinen blöden Whisky trinken? Und wieso schaut er mich so komisch an, als ich hinter der Bar auftauche? So als hätte er genau gewusst, dass ich hier bin. Scheiße. Ich wasche den Bier getränkten Lappen im Waschbecken aus und schnappe mir einen neuen, um den Tresen entlangzuwischen, bevor meine Kollegin dem Parisi sein Glas Whisky präsentiert und sich mit den Worten »ich werde an den Tischen gebraucht, übernimmt du das hier«, vorerst abmeldet. Mit offenem Mund schaue ich ihr nach, doch sie ist verschwunden, bevor ich protestieren kann. Super. Jetzt bin ich allein mit diesem Typ...

»Gehst du mir aus dem Weg?«, erklingt seine rauchig klingende Stimme. Sie durchbricht die laute Musik und das Stimmengewirr wie eine messerscharfe Klinge.
»Soll das ein Witz sein?«, frage ich ihn fassungslos. Meine Stimme ist viel zu dünn. So wollte ich nicht klingen, wenn ich das erste Mal wieder Worte mit ihm wechselte. Nein, ich wollte ihm gefasst und selbstsicher gegenübertreten. Davon ist nichts zu sehen. Stattdessen bin ich gestresst, mein Kopf schmerzt und meine Kehle ist staubtrocken wie die heiße Luft der Sahara.
Seine dunklen Augen mustern mich im Schein der goldenen Lichter. »Du hast dich umgezogen«, stellt er fest. Genervt über seine Worte, schütte ich ein Glas Vodka für den Herren ein paar sitze neben ihm ein. »Was willst du?«
Romeo hebt wortlos sein Glas, aber trinkt nichts davon. Ich schnaube.
»Wenn du mich weiter demütigen willst, nachdem deine Frau mir bereits klargemacht hat, wo mein Stand ist, solltest du vielleicht einfach wieder verschwinden«, fahre ich ihn bissig an. Ich habe keine Lust auf Small Talk, will mich eigentlich überhaupt nicht im selben Raum wie er aufhalten. Den Hass, den ich in mir für ihn verspüre, der geht noch viel tiefer als angenommen. Ich blicke ihm entgegen und alles, was mir zu ihm einfällt ist Verachtung. Verachtung für einen Mann, der mir das Herz gebrochen hat. Dem ich alles anvertraut habe, ihm mein Herz ausgeschüttet habe, nur damit er es mit Füßen treten konnte. Ich hasse es. Ich hasse ihn, aber noch viel mehr hasse ich den Fakt, dass er wieder drauf rumreiten muss. Wieso verschwindet er nicht einfach aus meinem Leben so wie die letzten zwei Jahre? Dass würde es uns einiges leichter machen und mein armes kaputtes Herz vor noch mehr Schmerz bewahren. Nicht mal meine Tabletten können diesen nämlich noch lindern.
»Hör mal, dass mit Isabella-«
»Ist mir egal wie sie heißt«, unterbreche ich ihn. Romeo umgreift sein Whiskyglas, als würde sein Leben davon abhängen. Kurz habe ich die Sorge, dass es unter seinem Druck bricht. Seine Fingerknöchel treten bereits weiß hervor.
»Es tut mir leid, okay?«
Schnaubend schüttle ich meinen Kopf, wende mich ab und zapfe ein Bier für den Kunden zu meiner linken. Ich reiche es ihm, bevor ich mich wieder zu Romeo drehe und weiter versuche, das Fleck von der Arbeitsplatte vor mir zu schrubben, was da einfach verflixt nochmal nicht hingehört. Scheiße, verdammt. Ich gebe auf und werfe den Lappen in die Spüle. Mein Kollege schiebt mir eine Bestellung für einen der Tische zu, die ich ihm dankbar abnehme. Wenigstens einer merkt, dass ich so weit weg wie möglich von diesem Schnösel sein will. Danke lieber Gott.
»Für ein es tut mir leid ist es ein bisschen zu spät.«
»Das tut es aber, okay? Sie hätte so mit dir nicht sprechen dürfen und-«
»Getan hast du aber auch nichts dagegen und jetzt lass mich gefälligst meine Arbeit machen, bevor ich dir deinen beschissenen Whisky auf dein Scheiß teures Hemd und die Rolex Kippe.«
Sauer stapfe ich mit einem vollen Tablett davon. Und er sagt mal wieder nichts. Ihm sind seine dummen Worte wohl im Rachen steckengeblieben. Idiot. Auf meinem Weg zum Tisch verfluche ich ihn innerlich in Grund und Boden. Was wagt er es überhaupt hier einfach aufzukreuzen? Und woher weiß er so plötzlich, wo ich arbeite?

King of Palermo | 18+Donde viven las historias. Descúbrelo ahora