Prolog

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ALESSIA

»Beende diese Rebellion und besinne dich wieder auf das, was zählt. Du fickst die kleine doch nur, damit du mir eins auswischen kannst. Jemand wie sie, gehört nicht in unsere Kreise, Romeo. Sie ist eine kleine bettelarme Schlampe. Langsam solltest du dich auf deine Verlobte konzentrieren, und nicht dieses Flittchen.«
Federleicht. Einen Moment fühlst du dich glücklich, dein Herz voll, einen Moment später bricht es in Millionen kleiner Stücke, wie das Glas, das aus meinen Fingern rutschte. Wenige Worte. Nur wenige Worte reichten aus, um alles wie ein Kartenhaus in sich zum Einstürzen zu bringen. Ein unsichtbares Seil schnürt mir die Luft zum Atmen ab, während tonnenschwere Betonklötze auf meinen Brustkorb drücken und mich drohen im Meer untergehen zu lassen. Ich kann nicht atmen. Nicht mal, wenn ich es wirklich wollen würde. Ich kann einfach nicht.
Die letzten Monate stürzen um mich herum ein wie die Mauern meiner Seele, die ich für ihn abgebaut habe. Nur für ihn. Für Romeo, und doch war alles, was er sagte, eine Lüge. Selbst seine Liebe zu mir. Alles war gelogen. Alles ein perfides Spiel sich in mein Herz zu drängen und es zu zerbrechen. Und ich bin darauf reingefallen, doch werde es sicher nie wieder.

Ich stoße mich nach Luft ringend von der kalten Hauswand ab und lege mir eine Hand an die Brust. Es tut weh. Es tut so unglaublich weh, dass ich nicht atmen kann. Nicht gehen. Nicht denken. Ihre Worte spuken mir noch immer im Kopf herum. Mein Kopf hebt sich, ich blicke auf die Terrasse, auf der sie sich befinden und gesprochen haben. Über mich und ihn, obwohl ich anwesend bin.
Sein Blick gleitet in zu mir, an seinem Sohn vorbei und ich sehe kein bisschen Reue in ihnen. Er weiß genau, dass ich zugehört habe, aber das schert ihn nicht. Antonio Parisi ist ein Mistkerl und das Grinsen auf seinen dreckigen Lippen teuflisch.
»Alessia?«, ertönt Romeos vertraute Stimme in meinen Ohren. Er hat sich erschrocken zu mir gedreht und die Augen geweitet. Als er einen Schritt auf mich zumacht, mache ich kopfschüttelnd zwei zurück. Er soll mir fernbleiben. Jede Faser meines Körpers sträubt sich dagegen, von ihm berührt zu werden. »Alessia!«, schreit er als ich um die Hausecke verschwinde. Ich stolpere weiter, blind, da meine Sicht vor lauter Tränen verschwimmt. »Lass mich!«
»Alessia! Nein!«, plötzlich spüre ich die kalte Steinwand in meinem Rücken und keuche auf. Romeo hat mich gegen den Sandstein gedrückt und hält mich eingekesselt, damit ich nicht abhauen kann. »Fick dich!«, spucke ich ihm bissig entgegen und schlage meine Faust gegen seine steinharte Brust. Der Italiener zuckt nicht mal mit der Wimper. »Hör auf, das ist alles... ein Missverständnis«, versucht er mir eindringlich klarzumachen. »Ach ja?«, brülle ich zurück und hole aus. Bevor meine flache Hand seine Wange erreicht, fängt er sie ab und drückt sie grob neben mich an die Wand. Wimmernd zucke ich zusammen und boxe ihn mit der anderen. »Lass mich in Ruhe du Mistkerl! Reicht es dir nicht, mich zu ruinieren? Musst du mich weiter schikanieren? Reicht dir das nicht?«
»Alessia bitte... ich wollte das nicht. Das wollte ich nie. Lass mich erklären, bitte...«, fleht er mich an, umgreift mein Gesicht mit seinen Händen und sieht mir in die Augen. Weinend schüttle ich meinen Kopf, versuche ihn von mir zu drücken, aber gegen den muskulösen Italiener der gut einen Kopf größer als ich ist, habe ich keine Chance. Das hatte ich nie.
»Bitte lass mich gehen«, flehe ich ihn an. »Bitte. Zwischen uns ist alles gesagt.«
»Bitte nicht...«
»Lass mich endlich in Ruhe Romeo, mach das nicht noch schlimmer. Du bist jemandem versprochen, also lass mich endlich los«, spucke ich ihm entgegen. »Alessia...« drängt er gequält zwischen seinen Lippen vor. Der leidende Ausdruck in seinem Gesicht, kaufe ich ihm nicht ab. Nie mehr wieder falle ich auf diesen dreckigen Idioten herein.
»Lass mich los. Ihr Parisis seid alle gleich. Jedes Wort aus deinem Mund, ist eine verdammte Lüge«, schreie ich ihn verbittert an. Ich stoße ihn vor mir und diesmal taumelt er tatsächlich zwei Schritte zurück. Wehrlos lässt er seine Hände sinken und tritt rückwärts auf den feuchten Rasen. Er gibt auf. Er macht sich nicht die Mühe, überhaupt darum zu kämpfen. Wieso auch. Immerhin ist er einer Frau versprochen, die den Ansprüchen seiner Familie genügt. Nicht so wie ich... keine bettelarme Schlampe.

Sauer wische ich mir die Tränen von den Wangen und laufe los, ohne ihn noch einmal anzusehen. Ich renne, so schnell mich meine Füße tragen. Das große Rolltor im Vorgarten den riesigen Villa öffnet sich quälend langsam. Jede Sekunde, die ich weiter hier verbringe, nimmt mir die Fähigkeit zu atmen. Ich schlüpfe durch den kleinsten Spalt als das Tor sich endlich in Bewegung setzt. Die Wachmänner rufen mir noch etwas hinterher, was ich ignoriere. Ich renne weiter und weiter durch die heiße Sommernacht. Die Laternen erhellen das Pflaster hinab in die Stadt. Sekündlich bricht mein Herz erneut. Immer und immer wieder aufs Neue. Der Druck in meiner Brust so riesig, dass ich weinend auf dem Gehweg zusammenbreche. Der Druck in meiner Brust so stark und groß, dass ich keine Luft mehr bekomme. Rasselnd ziehen sich meine Lungen zusammen, Tränen verschleiern mir die Sicht, die zusätzlich von dem aufkommenden Schwindel verschwimmt, der mich in die Knie zwingt. Die Welt dreht sich und zwingt mich in die Knie. Ich spüre, wie meine Haut über die Steine schürfend aufreißt und mein Kopf hart auf dem Asphalt aufprallt. Stimmen in der Ferne, die nach mir rufen. Doch die Welt wird schwarz, bevor ich die tausend Sterne am Himmel erkennen kann. Der Druck in meiner Brust so stark, dass er mich jede Sekunde wie ein schwarzes Loch in sich verschlucken könnte.

Mein Herz brach an diesem Tag wortwörtlich für immer. So schlimm, dass man es nie wieder zusammensetzen könnte. Keine Worte der Welt würden es ungeschehen machen. Nie wieder.
An dem Tag starb nicht nur ich das erste Mal, sondern auch der Mensch, der ich war. Die, die Romeo kannte. Ich schwor mir, jeden Anflug von ihm der meinen Kopf dominierte im Keim zu ersticken. Du wirst mich nie wieder so verletzen können wie damals, Romeo Parisi. Du bist nichts weiter als die Marionette deines Vaters und das werde ich dir nie verzeihen. Sterben werde ich ohnehin bald. Vielleicht merkst du dann, was du angerichtet hast, fucking König von Palermo.

King of Palermo | 18+Donde viven las historias. Descúbrelo ahora