Kapitel 13

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FINJA

Ich wusste, dass es wenig bringen würde, Nero anzuflehen, beim letzten Mal hatte das auch nicht geholfen, aber ich musste es trotzdem erneut versuchen. Ich wollte nicht, dass er wieder ging, er war doch mein bester und einziger Freund! Und der letzte, den ich hatte. Seitdem Jan nicht mehr bei mir war, wusste ich nicht mehr, wer ich war und wie ich das alles ertragen konnte, aber Nero war definitiv jemand, der mir zum ersten Mal seit Monaten ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hatte. Vielleicht war er ja tatsächlich derjenige, den ich liebte und den ich in meinem Leben brauchte, um glücklich zu sein. Jedenfalls konnte ich nicht länger alleine bleiben, so viel war sicher. Ich hielt Nero an den Händen fest, nachdem ich das Gewehr zu Boden gelegt hatte. Nero sah unsicher zu Boden und biss sich auf die Lippe, bevor er einen Schritt zurück machte und mich losließ.
"Nero, bitte", flehte ich verzweifelt und ging wieder auf ihn zu.
"Fin, ich... Ich weiß nicht, was ich sagen soll", brachte er heiser hervor.
"Sag nichts, bleib einfach hier! Ich kann nicht länger ohne dich leben, das geht einfach nicht! Erst Jan und dann du... Das schaffe ich nicht noch einmal", beeilte ich mich zu sagen.
"Ich weiß, und ich will dich auch nicht so sehen, aber... Ich glaube nicht, dass ich hierher gehöre. Bisher habe ich euch immer nur Ärger gemacht, seit dem ersten Tag an. Erst verwirre ich dich wegen deinen Gefühlen zu Jan, dann werdet ihr von meinen ehemaligen Eltern entführt und dann stirbt Jan wegen mir... Ich mache nur Ärger, ich sollte euch nicht länger behelligen", erklärte er und wandte sich ab. "Es tut mir leid, Fin, aber ich weiß im Moment wirklich nicht, ob ich bleiben kann."
"Dann bleib mit Sarah wenigstens erst mal eine Weile, ja? Bitte. Es wäre mir wirklich sehr wichtig und wenn du danach immer noch der Meinung bist, dass du gehen musst, dann kannst du gehen. Aber bitte, bleib wenigstens eine Woche lang hier und gib dir für diese Entscheidung Zeit", flehte ich verzweifelt, er seufzte und nickte ergeben.
"In Ordnung, gut. Ich bleibe noch etwas mit Sarah, aber ich kann dir nichts versprechen", willigte er ein, ich lächelte ihn dankbar an und umarmte ihn.
"Danke. Das bedeutet mir mehr, als du es dir vorstellen kannst!", rief ich erleichtert und ließ ihn langsam wieder los, er lächelte mich nun auch unsicher an.
"Wenn ich dir damit einen Gefallen tun kann, dann mache ich es gerne", sagte er. "Also? Wollen wir noch eine Runde schießen gehen? Ich würde gerne sehen, was du in den letzten Monaten so gelernt hast." Ich war froh über den Themenwechsel, lächelte und nickte, bevor ich das Gewehr wieder vom Boden aufhob und es schulterte.
"Gerne. Komm, ich weiß, wo hier ein Hasenbau ist, da können wir auf die Kaninchen warten", stimmte ich zu und lief dann in den Wald hinein, Nero folgte mir. Eine Weile lang liefen wir schweigend nebeneinander her, bis Nero sich räusperte.
"Sag mal, wusstest du eigentlich, dass... dass ich auch auf Jans Beerdigung war?", fragte er unsicher nach, worauf ich ihn überrascht ansah.
"Nein. Wieso bist du nicht zu uns gekommen? Wir hätten dich gut gebrauchen können, es war für keinen von uns leicht", erwiderte ich neugierig.
"Ich habe mich nicht getraut, ich hatte Angst, dass du sauer auf mich sein würdest. Jetzt weiß ich, dass das eine dumme Idee war. Verzeih mir bitte, dass ich mich auf der Beerdigung so sehr versteckt habe", antwortete er verlegen und kratzte sich am Hinterkopf.
"Schon gut. Wenigstens bist du ja jetzt hier", wandte ich ein, lächelte ihn an und nahm seine Hand.
"Ja, dank Sarah. Die Arme hat echt eine Menge Überzeugungsarbeit leisten und mich auch noch austricksen müssen. Eigentlich sollte sie dafür einen Preis bekommen", erwiderte er lachend, ich musste ebenfalls lachen.
"Ich werde ihr einen verleihen, keine Sorge", sagte ich und blieb dann stehen. "Da vorne ist der Kaninchenbau. Lass uns hier im Gebüsch warten und uns auf die Lauer legen." Er nickte, also legten wir uns gemeinsam hinter einem kleinen Busch auf die Lauer, ich legte derweil das Gewehr an und wartete, bis ein Kaninchen aus dem Bau kam.
"Du machst das wirklich gut, du zitterst nicht einmal mehr", flüsterte Nero mir zu, um potentielle Beute nicht zu verscheuchen.
"Danke. Ich habe auch viel geübt", flüsterte ich zurück. Nero lag direkt neben mir, ich spürte seinen Atem direkt an meinem Hals. Das machte mich ungewollt etwas nervös und meine Haare stellten sich am ganzen Körper aufgeregt auf. Nun begann ich doch ein wenig zu zittern und ich brauchte all meine Konzentration, um mich nicht direkt zu Nero umzudrehen. Am liebsten würde ich jetzt, in dieser Situation, wo wir uns so nahe waren, diesen blöden Hasen vergessen und mich an Nero kuscheln, bis er mir versprach, nie wieder zu gehen. Ich brauchte ihn, ich konnte nicht zulassen, dass er einfach wieder ging. Ich seufzte und vergas diesen Hasen schließlich. Es hatte keinen Sinn, ich konnte nicht neben Nero liegen und mich gleichzeitig auf die Jagd konzentrieren. Nein, denn es lag der Junge neben mir, den ich nach Jan am meisten liebte und ohne den ich nicht mehr leben konnte. Erst recht nicht in dieser Situation.
"Was ist los? Warum legst du das Gewehr weg?", fragte Nero verwirrt nach, als ich das Gewehr sperrte und auf die Seite legte. Ich sah ihn ernst an.
"Ich kann mich nicht konzentrieren", antwortete ich ihm.
"Oh, tut mir leid, ich wollte nicht stören. Soll ich lieber gehen? Dann kannst du...", begann er, doch ich unterbrach ihn.
"Nein, ich will dich hier haben. Bei mir", antwortete ich ihm schnell und nahm seine Hand. "Ich brauche diesen blöden Hasen nicht, aber dich. Ich... Ich liebe dich, Nero. Ich kann nicht ohne dich leben." Nero sah mich überrascht an, doch begann dann verlegen zu lächeln.
"Ich... Ich liebe dich auch, Fin. Mehr als ich es in Worten ausdrücken kann." Ich sah ihm einige Sekunden lang in die Augen, während wir uns langsam aufeinander zubewegten. Und nur wenige Sekunden später berührten sich unsere Lippen und wir teilten den ersten, leidenschaftlichen Kuss seit langem.

Südtiroler Problem - Das Wiedersehen Where stories live. Discover now