Kapitel 10

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JONAS

Ich saß mit meiner Familie an der Bar und half ihnen dabei, das Menü für morgen Abend zu entwickeln, als ein blondes Mädchen in meinem Alter hereinkam. Ich hatte sie noch nie gesehen und sie war definitiv keiner unserer Gäste, also was machte sie hier? Ich stand von meinem Barhocker auf und ging auf sie zu.
"Hallo, kann ich dir helfen?", fragte ich höflich nach, das Mädchen lächelte und nickte.
"Ja, kannst du. Ich bin Sarah, Neros Mitbewohnerin. Ich hab ihn hergebracht, er ist draußen bei Fin und ich soll euch zu ihr schicken", antwortete sie, worauf meine ganze Familie überrascht aufsah. Ich war nicht weniger überrascht über Sarahs Antwort, aber so wirklich glauben konnte ich ihr nicht. Nero war seit Monaten verschwunden und hatte sich nie wieder gemeldet, es war unmöglich, dass er jetzt einfach hier auftauchte! Ich drehte mich zu meiner Familie um und erkannte, dass auch sie nicht wirklich wussten, ob sie diesem fremden Mädchen trauen sollten. Selbst Elsa und Felix waren hier, sie hatten gerade Urlaub und hatten beschlossen, uns zu besuchen und im Hotel zu helfen.
"Nero? Sucht Lars nicht immer noch nach ihm?", fragte meine Cousine nun verwirrt nach, ich nickte.
"Ja, aber Opa hat ihn nie finden können. Also wieso sollte er jetzt hier sein?", erwiderte ich und sah Sarah fragend an. Diese lächelte.
"Weil ich ihn ausgetrickst habe. Er musste zurück hierher, er braucht euch und ihr braucht ihn. Ich mache keine Scherze, ehrlich nicht. Er ist draußen", antwortete sie mir. "Ich warte solange hier, versprochen. Ich stelle auch nichts an, aber ich will nicht bei eurem Wiedersehen stören."
"Nimm dir, was du brauchst, ja?", erwiderte ich und war dann bereits aus der Bar gerannt, um zur Rezeption zu rennen. Ich musste einfach sehen, ob Sarah recht hatte und Nero wirklich hier war. Wenn ja, dann würde er sich einiges anhören können! Er konnte nicht einfach verschwinden und dann wieder hier auftauchen und so tun, als wäre nichts passiert! Ich hörte, dass meine Familie mir folgte, als ich draußen am Wintergarten ankam, wo Fin und Nero auf einem Sofa saßen und redeten. Als sie uns reinkommen hörten, sahen die beiden uns an und standen auf. Nero wirkte dabei extrem nervös und kratzte sich am Arm.
"Hey, Jonas", brachte er nervös hervor, als der Rest meiner Familie hinter mir auftauchte. "Oh, ähm... Hi. Ich... Ich weiß, ich hab Mist gebaut, aber..." Weiter kam Nero nicht, da er bereits von unserer ganzen Familie überschwänglich umarmt wurde.
"Wir sind so froh, dass du wieder da bist! Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht, Nero, wo hast du bloß gesteckt?", fragte Mom nach und als wir uns wieder voneinander lösten, konnte ich sehen, dass sie Tränen in den Augen hatte.
"In Málaga", antwortete mein Kumpel leicht verlegen und kratzte sich immer noch am Arm.
"In Málaga? Wie bist du denn dahin gekommen?", fragte Dad verwirrt nach.
"Mit dem Flugzeug. Ist ja auch nicht so wichtig, oder?", wehrte Nero ab und sah Fin an, die sich neben ihn gestellt hatte und seine Hand nahm.
"Und das da drin ist deine Freundin, oder wie?", fragte ich und zeigte in Richtung der Bar, Nero schüttelte den Kopf.
"Nein, nein! Sarah und ich sind nur Freunde, wir wohnen zusammen. Sie hat mich auch hierher gebracht", beeilte er sich zu sagen. "Aber wir müssen wahrscheinlich bald wieder los, eigentlich war diese Reise hierher von mir gar nicht angedacht."
"Ach was, ihr bleibt hier, keine Widerrede!", rief Tante Tina und auch Onkel Chris nickte.
"Genau. Du verschwindest nicht einfach noch mal, Nero, ganz bestimmt nicht! Bleibt wenigstens eine Nacht, ja? So eilig habt ihr es bestimmt nicht", stimmte er seiner Frau zu und sah uns an, wir nickten.
"Genau, ihr bleibt! Und dann musst du uns erzählen, was du in den letzten Monaten so gemacht hast!", beeilte ich mich zu sagen, Fin nickte.
"Ja, und Sarah kann auch bleiben. Ich rufe nur schnell Opa an und sage ihm, dass du wieder da bist, damit er die Suche abbrechen kann", sagte sie lächelnd und holte dann ihr Handy aus der Hosentasche, um zur Seite zu gehen und Opa anzurufen. Ich legte Nero eine Hand auf die Schulter und schob ihn in Richtung der Bar.
"Komm, wir holen uns was zu trinken. Sarah wartet hinten und dann könnt ihr uns alles in Ruhe erzählen", sagte ich und schob ihn weiter, der Rest meiner Familie folgte mir.
"Das ist echt lieb von euch, aber ich bin um ehrlich zu sein ziemlich müde und nicht gerade in der Stimmung zu erzählen", wandte Nero unsicher ein.
"Keine Sorge, du kannst dich auch gleich ausruhen, aber wir wollen erst wissen, was bei dir so abgegangen ist. Wir haben uns nämlich riesige Sorgen um dich gemacht, seitdem du einfach spurlos verschwunden warst", beruhigte ich ihn, er seufzte.
"Ich weiß, aber ich mache mir im Moment eher Sorgen um Fin. Sie sah nicht sehr gut aus", erwiderte er besorgt und drehte sich kurz um, um nach Fin zu sehen, aber die war bereits hinter der Ecke verschwunden. Ich seufzte. Ja, meiner Schwester war es in den letzten Monaten wirklich nicht gut gegangen, sie war sogar einige Wochen in der Psychiatrie gewesen. Nach Jans Beerdigung und Neros Verschwinden, war es ihr so schlecht gegangen, dass sie sich den gesamten Arm aufgeschnitten hatte um sich umzubringen. Zum Glück hatte ich sie rechtzeitig gefunden, bevor noch schlimmeres passiert war und seitdem sie aus der Psychiatrie zurück gekommen war, ging es ihr zum Glück besser. Sie musste zwar Tabletten gegen ihre Depressionen nehmen und ging mehrmals in der Woche zur Therapie, aber ansonsten ging es ihr wieder einigermaßen gut. Aber das wollte ich Nero nicht sagen, er musste nicht wissen, dass Fin sich beinahe umgebracht hatte, das brauchte er jetzt wirklich nicht zu wissen.
"Es war eine schwere Zeit für sie, das kannst du dir sicher vorstellen. Aber es geht ihr wieder besser", antwortete ich ihm knapp. "Mach dir keine Sorgen, wir haben sie im Auge. Ihr passiert nichts, da musst du dir keine Sorgen machen, fest versprochen."

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