Kapitel 4

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SARAH

"Wann hast du Ferien? Wann können wir kommen?"
"Was? Wer spricht da?" Ich verdrehte die Augen über Fins Naivität. Dafür, dass sie angeblich so einen hohen IQ hatte, konnte sie erstaunlich schlecht eins und eins zusammenzählen.
"Ich bin's, Sarah, wer denn sonst? Zurück zu meiner Frage: Wann hast du Ferien und wann können wir kommen?", wiederholte ich meine Frage ungeduldig.
"Kommen? Was meinst du? Ihr wollt nach Sterzing kommen? Wieso? Nero antwortet nicht mal auf meine Nachrichten, er wird wohl kaum nach Sterzing kommen!", fragte sie verwirrt nach.
"Lass das meine Sorge sein, ja? Ich kriege diesen Sturkopf schon irgendwie in den Flieger, mach dir da mal keine Sorgen. Und wenn er nicht freiwillig einsteigt, dann prügele ich ihn windelweich und setze ihn bewusstlos ins Flugzeug. Alles, was ich wissen muss, ist, wann du Zeit hast und wir kommen können. Nero und du müsst das klären und weil er nicht die Eier dazu hat, das von sich aus zu tun, werde ich eurem Glück wohl auf die Sprünge helfen müssen", antwortete ich und tippte bereits auf dem Laptop herum, auf dem ich mir bereits einige Flüge herausgesucht hatte. Nach Wien, zur Tarnung, damit Nero nicht sofort schnallte, was ich vorhatte. Von Wien aus würden wir einfach mit dem Auto nach Sterzing fahren, ganz einfach, easy peasy. Was konnte da denn schon schiefgehen? Aber Nero und Finja mussten das klären, daran gab es nichts zu Rütteln. Vollkommen egal, wie Nero das sah, aber ich hatte recht. Ende der Diskussion.
"Ähm... Nächste Woche sind eine Woche Osterferien, da könntet ihr kommen. Aber wie gesagt, ich denke nicht, dass Nero das will", antwortete Finja mir endlich.
"Wie gesagt, das kannst du meine Sorge sein lassen, ich kümmere mich darum. Und wenn Nero mich nach der ganzen Sache in die Wüste schickt, ist es mir auch egal, Hauptsache ist, dass ihr beide das klärt. Ihr liebt euch und ich kann nicht länger dabei zusehen, wie ihr beide leidet", beruhigte ich sie schnell und winkte ab. "Dann sehen wir uns nächste Woche. Ich schreibe dir, wenn wir auf dem Weg sind."
"Ja, ist gut, aber Sarah, mach nichts Unüberleg...", begann sie, doch ich unterbrach Finja.
"Mach dir um mich keine Sorgen, ich kriege das schon hin. In einer Woche sind Nero und du wieder vereint, versprochen. Bis dann! Liebe Grüße an deine Familie!", unterbrach ich sie euphorisch und bevor Finja noch etwas erwidern konnte, legte ich einfach auf und warf mein Handy auf die Couch. Das hatte also geklappt, perfekt. Dann würde ich Nero und mir jetzt einen Flug nach Wien buchen. Es war vielleicht nicht die feine englische Art, seinen besten Freund auszutricksen, aber er brauchte das dringend. Er musste mit Finja reden und mit ihr reden, sonst würde das alles niemals gut enden! Und Nero verdiente sein Happy End mehr alles andere auf dieser verdammten Welt! Und wenn er nicht selbst dafür sorgte, dann musste ich eben dafür sorgen, dass er es auch bekam. Eilig buchte ich uns den nächsten Flieger nach Wien und druckte die Tickets aus, bevor ich den Laptop schloss und auf die Seite räumte. Heute Abend würde ich Nero mit diesem Überraschungsurlaub überraschen und mit Sicherheit würde er sich darüber freuen - zumindest solange, wie er nichts von meinen wahren Absichten erfuhr.

Abends saßen Nero und ich mit einigen Gerichten vom Chinesen auf der Couch und sahen Fern, während ich in meinen Nudeln herumstocherte. Eigentlich hatte ich heute Abend Fußball sehen wollen, bis ich Nero kennengelernt hatte, hatte ich nicht ein Spiel meiner Lieblingsmannschaft verpasst, aber nun überschnitten Neros und meine Fernsehtermine sich ständig und gegen Neros Sturkopf kam ich nun einmal einfach nicht an. Ich wollte Fußball sehen und er die Turniere von Jonas, die mittlerweile im Fernsehen übertragen wurden. Ich konnte es ihm nicht verübeln, er war schließlich sein Freund und so etwas wie sein Bruder, also sahen wir uns alle Springturniere an, an denen Jonas teilnahm - auch, wenn der entscheidende Teil dabei nie länger als zwei Minuten dauerte. Also sahen wir uns auch heute Abend ein Springturnier an, während Nero mir erneut erklärte, wie stolz er auf Jonas war. Trotz seinen starken Verletzungen ritt er bereits wieder auf Turnieren, weil er sich extrem reingekniet hatte, um in der Reha so schnell wie möglich wieder fit zu werden - und das war er, alle Achtung. Wir hatten keines seiner Turniere verpasst und bisher hatte es Jonas bei jedem auf das Siegertreppchen geschafft. Während nun ein anderer Reiter den Parkour bestritt, sah ich Nero an.
"Wir fahren nächste Woche in den Urlaub, den hast du dringend nötig. Und keine Widerrede, ich habe bereits gebucht. Wir fliegen nach Wien, die Stadt wollte ich schon immer mal sehen", verkündete ich kühl, worauf Nero die Nudeln zurück in die Box fielen und er mich verwirrt ansah.
"Und das hättest du mir nicht früher sagen können?", murmelte er, während er seine Nudeln zurück in den Mund schlürfte. "Das... ist ziemlich kurzfristig. Und wer soll das zahlen?"
"Über das Geld zerbrichst du dir mal nicht deinen attraktiven Kopf", wandte ich gelassen ein und tätschelte ihm den Kopf. "Sag bloß, dir gefällt meine tolle Überraschung nicht, du undankbarer Bengel."
"Doch, schon, aber wie soll ich meinem Chef sagen, dass ich nächste Woche weg bin?", fragte er unsicher nach.
"Mit Worten. Am besten mit einfachen, verständlichen Worten, der Kerl ist nämlich nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen", antwortete ich ernst, Nero zog die Augenbrauen hoch und sah mich fassungslos an.
"Du hast auch immer die cleveren Antworten, was?", brummte er sarkastisch, doch schüttelte dann den Kopf und seufzte. "Aber na gut, deinem Sturkopf kann ich sowieso nichts entgegensetzen. Gut, wir fahren in den Urlaub. Aber zuerst sehen wir uns Jonas' Ritt an, ja? Er ist als nächster dran und ich will keine Sekunde verpassen!" Ich nickte und grinste gefällig. Mein Plan war wie erwartet aufgegangen.
"Schon klar", stimmte ich zu. "Dann sehen wir uns eben wieder hüpfende Pferdchen an." Nero warf mir einen mahnenden Blick zu, den ich mit einem Zwinkern und einem Grinsen kommentierte. Er wusste genau, dass ich ihn nur aufziehen wollte, und damit würde ich auch niemals aufhören - nicht einmal in einer Millionen Jahren!

Südtiroler Problem - Das Wiedersehen Where stories live. Discover now