Kapitel 61

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James hatte einen Plan. Er würde Joys Rettung weiterhin der Polizei überlassen, so wie er es versprochen hatte, aber er musste auf Nummer Sicher gehen. Er musste dafür sorgen, dass nichts schiefging. Vor allem jetzt, da noch zwei weitere unschuldige junge Menschen in die Sache verwickelt waren.

James hatte noch nicht mit Bryan darüber gesprochen. Er wusste, dass der Polizist es ihm ausreden würde. Bryan durfte es erst im letzten Moment erfahren – wenn überhaupt. Vielleicht würde James ihn und Hansson auch einfach überwältigen, um aus diesem verdammten Wagen rauszukommen.

So langsam hielt James die Anspannung kaum mehr aus. Henry war nur noch wenige Minuten von ihm entfernt. Und mit ihm Joy und der ihm bisher unbekannte Nicholas Chandler. James' Muskeln waren bis zum Bersten gespannt. Seine Finger und Hände schmerzten. Aber er versuchte, die Schmerzen zu ignorieren und sich nur darauf zu konzentrieren, dass Joy überleben würde. Dafür würde er sorgen. Vielleicht würde er sie selbst nicht wiedersehen. Ihm war bewusst, wie riskant sein Plan war. Aber sie würde Amy und Bryan wiedersehen. Und sie würde überleben. Sie würde wieder gesund werden und irgendwann auch ihr Lachen wiederfinden. James zweifelte nicht daran, denn Joy war eine Kämpferin. Nur deshalb war sie überhaupt noch am Leben. Im Internet hatte er Berichte von Ärzten gelesen, die geschrieben hatten, dass es bereits an ein Wunder grenzte, dass sie die zwei Tage bei Nicholas mit der Stichwunde überlebt hatte.

Joy war eine tapfere Löwin. Sie war die Tochter ihrer Mutter – und die ihres Vaters. Denn James war ebenfalls ein Kämpfer. Deshalb würde er Joys Rettung auch nicht dem Zufall überlassen. Er musste einfach sichergehen, dass nichts dazwischenkam. Bryan konnte Joy in Empfang nehmen, sobald sie das Haus verlassen hatte. Sie vertraute Bryan und mochte ihn. Manchmal hatte James das Gefühl, dass er fast so etwas wie ein großer Bruder für sie war. Sie würde sich freuen, ihn zu sehen, wenn sie gerettet war. Und James würde währenddessen dafür sorgen, dass alles ein gutes Ende nahm. Dass Joy gerettet und Henry und Nicholas zur Rechenschaft gezogen wurden. Und dass den Backpackern nichts passierte.

Es ging hier einzig und alleine um ihn. Er war die Ursache für alles, was passiert war. Er könnte nicht damit leben, wenn Joy und zwei weitere junge Menschen seinetwegen sterben mussten. Henry wollte nur James. Also sollte er ihn bekommen.

~

Amy konnte es immer noch nicht fassen, dass man sie einfach heimlich weggebracht hatte, während sie geschlafen hatte. Sie hatte ein Recht darauf, bei Joys Rettung dabei zu sein. Verdammt, sie war Joys beste Freundin und hatte sich so für sie eingesetzt. Nur ihretwegen wusste die Polizei überhaupt, dass Joy noch am Leben war. Amy hatte das Video angezweifelt und sie hatte Joys Anruf erhalten.

Joys Anruf... Amy konnte an kaum etwas anderes denken als an die schwachen Worte ihrer Freundin. Sie hatte sich so schrecklich krank angehört. So verletzt und zerbrechlich. Es brach Amy jedes Mal von neuem das Herz, wenn sie daran zurückdachte. Aber sie versuchte sich darauf zu konzentrieren, dass das jetzt bald ein Ende hatte.

Die Sozialarbeiterin, die man ihr zugeteilt hatte, hatte ihr erzählt, dass es scheinbar nicht mehr lange dauern würde. Black Soul, Chandler und Joy waren bei einer Tankstelle eine Stunde von Bundaberg entfernt gesichtet worden. Inzwischen waren es nur noch wenige Minuten, wenn Amy die Uhr richtig mitverfolgt hatte. Denn im Moment war sie nicht wirklich zurechnungsfähig. Sie war ausgerastet, als sie aufgewacht war. Drei Polizisten hatten sie davon abhalten müssen, aus der Polizeiwache zu fliehen. Schließlich hatte man sie in ein Büro gesperrt, bis die Sozialarbeiterin gekommen war und sich ihrer angenommen hatte.

Amy musste zugeben, dass sie nett war. Die große schlanke Frau mit der Hornbrille, die Amy auf Anfang fünfzig schätzte, gab sich wirklich Mühe und kümmerte sich gut um sie. Trotzdem war es nicht fair. Amy sollte vor Ort sein, wenn Joy bei dem Haus ankam. Es war ihr Recht, dabei zu sein und Joy eventuell sogar in Empfang zu nehmen, wenn sie gerettet war. Aber die Erwachsenen dachten immer, dass sie über sie bestimmen konnten und das machte sie unendlich wütend. Sie ertrug es nicht, so weit weg zu sein, während Joy immer näherkam. Sie betete und betete, dass alles ein gutes Ende nahm. Dass Joy überlebte und James auf keine dummen Ideen kam. Er sollte nicht den Helden spielen – auch wenn Amy leider wusste, dass die Chancen sehr gering waren, dass er sich einfach raushalten und der Polizei die Sache überlassen würde. Sie hoffte es dennoch zutiefst. James musste sich ein einziges Mal zurückhalten. Er hatte genug für Joy getan, jetzt war die Polizei an der Reihe. Amy hasste Hansson dafür, dass er ihr die Möglichkeit nahm, James das klarzumachen. Wäre Amy dort, könnte sie auf ihn Acht geben. Dann könnte sie dafür sorgen, dass er nichts unternahm.

Im Strudel der Zeit - Auf Leben und TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt