Kapitel 35

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Mit allen Informationen, die sie inzwischen zusammengetragen hatten, sprachen die Indizien eindeutig dafür, dass Black Soul und Chandler bei den Finnigans gewesen waren, eventuell sogar mit Joy. Cardwell genehmigte ohne Murren einen Hubschrauber nach Newcastle. Die dortige Polizei war informiert. In der ganzen Stadt hielten die Beamten die Augen offen, suchten nach Hinweisen zu Black Soul und Chandler, aber auch zu Amy. Was auch immer sie finden konnten, alles konnte im Moment weiterhelfen.

Auf dem verhältnismäßig kurzen Flug beobachtete Bryan zufrieden, wie Hansson einschlief. Er hatte es wirklich bitter nötig. Bryan hatte inzwischen erfahren, dass Lockwood in der Nacht bei Hansson eingebrochen war, um ihn zu töten. Nach einer abenteuerlichen Verhaftung hatten sie Lockwood stundenlang verhört, bevor er geflohen war. Hansson hatte keine Minute geschlafen, ebenso wie in der Nacht zuvor, in der er auf der Suche nach Bryan gewesen war.

Hansson arbeitete immer mit viel Hingabe an seinen Fällen. Wenn sich ihm ein Rätsel stellte, dann verbiss er sich darin, bis er es gelöst hatte. Wenn aber dabei auch noch einer seiner Kollegen in Lebensgefahr schwebte, war das Desaster vorprogrammiert. Dann stellte Hansson seinen Job vor alles andere. Bryan bewunderte das an seinem Boss. Heimlich war ihm jedoch klar, dass er selbst genauso tickte. Wieso sonst säße er jetzt in diesem Hubschrauber nach Newcastle, nachdem er erst in der Nacht aus einem Keller gerettet worden war, in dem er durch die Hölle gegangen war?

Während Bryan Hansson beim Schlafen zusah, wurde ihm klar, dass er hier wohl der einzige war, der einigermaßen ausgeschlafen war. Dank der Schlaftabletten, die Lockwood ihm verabreicht hatte. Wenn ihre Theorie stimmte, hatte Lockwood das tatsächlich gut gemeint. Er hatte es Bryan leichter machen wollen, denn was er getan hatte, hatte er vermutlich nicht freiwillig getan. Fast hatte Bryan ein schlechtes Gewissen, weil er Lockwood das mit den Schlaftabletten so übelgenommen hatte.

Als sie schließlich landeten, war Hansson kaum wachzukriegen. Sie wurden direkt vom Hubschrauber abgeholt und zu den Finnigans gebracht. Nun torkelte Hansson neben Bryan auf die Tür des Hauses zu, das so viele Fragen aufwarf und hoffentlich genauso viele Antworten barg.

Ein Polizist öffnete ihnen die Tür und führte sie in einen großen, hellen Wohnbereich. Tom und Amanda Finnigan saßen auf dem Sofa im Wohnzimmer, Amandas Hände auf Toms Schoß, sein rechter Arm um ihre Schulter gelegt. Als die beiden die Neuankömmlinge bemerkten, flackerte etwas in Amandas Blick auf. War es Schock? Entsetzen? Bryan entging nicht, dass der Blick ihm selbst galt. Er wusste, dass sein Gesicht übel aussah. Aber das war es nicht, was er in dem Blick zu sehen glaubte. Es war Erkennen. Die Frau kannte ihn.

Mit großen Schritten gingen Hansson und Bryan auf die beiden zu. Bryan behielt seine Beobachtung erst einmal für sich. Amanda Finnigan hatte ihren Blick inzwischen gesenkt und vermied es, ihn anzusehen.

„Mr. und Mrs. Finnigan? Ich bin Detective Hansson. Das sind meine Kollegen Mills, Stevens und Krauss. Wenn Sie erlauben, würden sich Stevens und Krauss ein wenig hier umsehen. Mills und ich würden gerne mit Ihnen sprechen."

Tom Finnigan sah Hansson überfordert an. Ihm fiel die unglückliche Position zu, seine Frau trösten und den starken Mann spielen zu müssen, obwohl ihm anzusehen war, dass er selbst völlig am Ende war. Der frühe Besuch der Polizei am Morgen hatte ihn sichtlich erschüttert. Drei Streifenwagen standen vor dem Haus. Und nun waren auch noch Hansson und sein Team hier. Tom Finnigan schüttelte resigniert den Kopf.

„Tun Sie, was Sie nicht lassen können", meinte er. „Es ist ja nicht so, als hätten sich nicht bereits ein Dutzend Polizisten vor Ihnen hier umgesehen. Aber falls Sie glauben, noch etwas Neues zu entdecken..."

Hansson gab Stevens und Krauss das Zeichen, sich umzusehen. Die beiden nickten und zogen los.

„Mr. Finnigan, ich komme am besten gleich zum Punkt. Wir sind hier, weil wir Grund zur Annahme haben, dass Sie eine wenig erfreuliche Begegnung mit zwei gefährlichen Flüchtigen hatten."

Im Strudel der Zeit - Auf Leben und TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt