Kapitel 16

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Joy wusste nicht, wie lange sie dieser Angst noch standhalten konnte. Es war einfach zu viel. Sie schwitzte und konnte sich unter ihrer Decke nicht bewegen. Sie lag auf dem Rücken, ihre Beine angewinkelt. Ihre Knie sehnten sich danach, sich endlich einmal wieder ausstrecken zu können, aber dazu war auf der Rückbank eines Autos kein Platz.

Black Soul versuchte immer wieder, Bob zu erreichen und fluchte jedes Mal wütend, wenn wieder nur die Mailbox ranging.

„Er hintergeht uns!", schrie er Nicholas an. „Der bringt Mills nicht um. Sonst hätte er es längst getan!"

Nicholas versuchte, ihn zu beruhigen. Man könne Bob vertrauen, zu hundert Prozent. Erst recht, wenn er selbst einen Groll gegen James hege. Er würde sich von nichts und niemandem davon abhalten lassen, den Cop zu töten. Black Soul solle einfach abwarten. Aber im Abwarten war der Pirat nicht besonders gut. Gefühlt alle zwei Minuten hörte Joy ihn wieder fluchen. Sehen konnte sie ihn nicht – bis plötzlich jemand die Decke von ihrem Gesicht zog. Joy riss erschrocken die Augen auf. Black Soul...

„Na, Kleine? Was hältst du von der ganzen Sache? Oh, sag mal, schwitzt du? Ist das die Angst oder ist dir einfach so warm unter der Decke?"

Er wischte ihr mit der Hand den Schweiß von der Stirn und grinste breit. Dann wanderte sein Zeigefinger weiter zu dem Klebeband auf ihrem Mund und er drückte es genüsslich noch einmal fest.

„Es ist bestimmt die Angst, aye? Na, was denkst du? Wie geht es deinem geliebten Vater im Knast? Es war ganz schön gemein von ihm, die Wanze zu zerstören, findest du nicht auch? Ich bin noch immer am Entscheiden, ob ich dich dafür töten soll."

Joy schluckte und versuchte, ihre Angst zu verbergen. Doch Black Souls Worte erfüllten sie mit Grauen. Sie bestätigten, was sie schon die ganze Zeit dachte. Black Soul begann zu lachen.

„Danke, Joy. Du schaffst es jedes Mal, mich wieder aufzuheitern. Vielleicht sollte ich dich doch noch nicht töten. Wieso sollte ich mich von diesem süßen Gesicht trennen? Allerdings ist es auch eine herrliche Vorstellung, wie James aussehen wird, wenn er von deinem Tod erfährt."

Joy kämpfte schwer gegen ihre Verzweiflung an. Es wurde langsam einfach zu viel, verdammt! Ihr Dad saß in einer Zelle, Bryan war womöglich schon tot, und sie würde ihm höchstwahrscheinlich bald folgen. Wenigstens wirkten die Schmerzmittel inzwischen etwas besser. Oder es gelang ihr einfach besser, die Schmerzen auszublenden, da die Todesangst alles andere unwichtig erscheinen ließ.

„Du solltest vermutlich mal wieder etwas trinken." Black Soul musterte sie eine Weile und strich noch einmal vergnügt über das Klebeband, das ihr das Trinken unmöglich machte. „Andererseits ist das nicht mehr nötig. Wahrscheinlich bringe ich dich ja doch bald um."

Joy konnte die Tränen nicht verhindern. Doch abgesehen davon wurde ihr Blick leer. Alle Hoffnung wich von ihr. Sie flog davon wie eine Wolke aus Staub. Ihr Dad saß im Knast, die Polizei wusste nichts von ihr. Joy würde sterben. Es gab niemanden, der das verhindern konnte. Langsam erschlafften ihre angespannten Muskeln.

„Oh, nicht weinen, meine Kleine." Black Soul grinste. „Freust du dich nicht, deine Mom wiederzusehen?"

Black Soul war ein Monster, der Teufel in Person. Joys Herz verkrampfte sich, ihre Brust zog sich zusammen. Sie hätte laut aufschreien wollen. Sie wollte nicht sterben! Sie wollte ihren Dad noch einmal wiedersehen. Und was sie ganz bestimmt nicht wollte, war dem Mörder ihrer Mutter noch eine Sekunde länger in die Augen zu sehen. Immer wieder musste er ihr das unter die Nase reiben, während sie versuchte, es zu verdrängen, um überhaupt damit klarzukommen, in seiner Nähe sein zu müssen. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und schloss die Augen. Eine Träne tropfte auf den Sitz.

Im Strudel der Zeit - Auf Leben und TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt