Kapitel 54

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James konnte kaum mehr stillsitzen. Das Warten raubte ihm den Verstand. Er wollte etwas tun! Da raus und etwas tun! Wie sollte er denn nur hier herumsitzen und warten, bis Henry und Nicholas ankamen? Das war nicht auszuhalten. Überhaupt, wann kamen sie denn? Ursprünglich hatten sie am Mittag hier sein wollen. Inzwischen war Nachmittag. Sie hatten Jim nur gesagt, dass es später werden würde. Aber wie viel später?

Verdammt, James wollte, dass sie endlich hier waren! Er konnte es nicht mehr erwarten, Joy in die Arme zu schließen. Er war so nah dran. Jede Faser seines Körpers sehnte sich nach diesem Moment. Es war, als würde sein ganzer Körper vor Sehnsucht brennen. Zugleich drohte die beklemmende Angst, dass er diesen Moment mit seiner Tochter womöglich nie erleben würde, ihn zu erdrücken. Was, wenn etwas schiefging?

Genau aus diesem Grund wollte James selbst in das Haus gehen und seine Tochter persönlich herausholen. Es war nicht fair, wenn jemand anderes Joy in den Armen hielt, bevor James es tat. Nein, er würde einen Weg in dieses Haus finden. Er konnte das nicht einem Fremden überlassen. Joy sollte sein Gesicht sehen und wissen, dass sie gerettet war. Dass ihr Dad es geschafft hatte und für sie da war. Genauso, wie sie es sich vermutlich wünschte.

„Alles in Ordnung bei Ihnen, Lockwood?", fragte Mills, der mit ihm in dem Beobachtungswagen saß. Amy war nicht mehr hier. Sie war irgendwann auf James' Schoß eingeschlafen und er hatte sie hinausgetragen und in eines der Autos auf die Rückbank gelegt, woraufhin sie auf eine Polizeistation gebracht worden war. Sie hatte auf der verzweifelten Suche nach Joy offenbar die ganze letzte Nacht nicht geschlafen. Es wärmte James das Herz, wie sehr Amy sich für ihre Freundin einsetzte. Für seine Tochter. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass er Joy tatsächlich ein Leben ermöglicht hatte, in dem sie eine so gute Freundin hatte finden können.

„Lockwood?", hakte Mills noch einmal nach.

James sah aus seinen Gedanken auf. „Ja, alles in Ordnung", antwortete er knapp.

Er konnte jetzt nicht reden. Darauf konnte er sich nicht konzentrieren. Neben seinen Gedanken war kein Platz für Gespräche.

„Sind Sie sicher? Sie können gerne mit mir reden, wissen Sie?"

James stöhnte. „Ja, Mills. Danke. Aber es ist alles in Ordnung."

Mills sah ihn skeptisch an. James hätte ihn am liebsten aus dem Wagen geschickt, aber er wusste, dass Mills nicht gehen würde. Er war als seine Wache eingeteilt. Hansson wollte nicht zulassen, dass James dieses Haus betrat. Deshalb wurde er nie alleine gelassen. Und im Moment war Mills dafür zuständig, ihn nicht aus den Augen zu lassen.

„Vielleicht tut es Ihnen gut, mit jemandem zu reden, Lockwood. Was Sie in der letzten Woche durchgemacht haben, ist kaum in Worte zu fassen. Auch ich habe schwer unter Joys Entführung und ihrem vermeintlichen Tod gelitten – und ich bin nur ein Freund."

„Sie haben hauptsächlich unter mir gelitten, Mills. Ich habe Sie entführt und Sie glauben lassen, Joy wäre tot, obwohl Sie das Gefühl hatten, dass Sie noch lebte. Damit hatten Sie recht, wissen Sie? Aber ich habe Sie vom Gegenteil überzeugt. Ich habe Ihnen Ihre Hoffnung genommen. Das ist schlimmer als jede Tracht Prügel, die ich Ihnen verpasst habe."

Mills sah ihn nachdenklich an, ehe er leise seufzte. „Sie müssen das hinter sich lassen, Lockwood. Nichts davon haben Sie freiwillig getan. Ich gebe zu, dass ich unter Ihnen gelitten habe. Sehr sogar. Zeitweise wusste ich nicht, wie ich das überstehen soll. Aber die ganze Zeit musste ich an Joy denken und daran, dass es ihr noch viel schlechter ergangen war. Teilweise habe ich mir sogar eingeredet, dass ich jeden Ihrer Schläge verdient hätte, weil wir Joy nicht retten konnten. Hätte ich gewusst, dass ich mit allem, was Sie mir antun, Joy vor noch Schlimmerem bewahre, hätte ich Sie angebettelt, keine Rücksicht auf mich zu nehmen. Sich nicht zurückzuhalten und Black Soul alles zu geben, was er braucht, um Joy zu verschonen. Glauben Sie mir das? Sie wissen, wie viel Joy mir bedeutet."

Im Strudel der Zeit - Auf Leben und TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt