Ich versuche mir ein Lächeln aufzuzwingen, als ich die Schnapsgläser am Tisch verteile. Die Männer grölen und jubeln, weil ich Nachschub bringe. Einer von ihnen trägt eine Krone mit der Aufschrift Bräutigam. Dass auch noch... Alle haben ein Happy End. Ob Romeo genau in dieser Situation war vor einigen Jahren, bevor er Isabella zur Frau nahm? Feiernd in einem Lokal? Glücklich? Ich kann es mir kaum vorstellen. Auch wenn ihre Hochzeit die des Jahrhunderts in Palermo war. Jeder wusste davon und es wurde schon Wochen davor getuschelt. Über Kleider, Anzüge, Gäste, den Gossip den eine Hochzeit so mit sich brachte. Am Tag seiner Hochzeit sah ich ihn tatsächlich auf dem Weg von der Kirche zum Anwesen der Familie Parisi fahren. Sie neben ihm, in einem Brautkleid und Schleier. Obwohl sie grinste und strahlte und er ebenfalls glücklich aussah, wirkt er jetzt an der Bar sitzend alles andere als glücklich.

Die Stunden vergehen und das Lokal leert sich langsam. Doch er bewegt sich keinen Millimeter. Die Tische säubernd, betrachte ich seine breiten Schultern. Egal wie oft ich in den letzten Stunden versucht habe, ihn zu vergessen, ich habe es nicht geschafft. Nun spielt die Musik nur noch leise und die letzten Aufräumarbeiten werden getätigt. »Was ist mit ihm?«, fragt eine meiner Kolleginnen mich. Ich weiß, dass sie alle nachhause wollen, und fühle mich schlecht, weil ich weiß, dass er sie aufhält. Seufzend wende ich mich ihr zu und schnappe mir das Handtuch, mit dem ich den letzten Tisch gerade abgetrocknet habe. »Geht ruhig schon. Ich werfe ihn raus und schließe ab«, flüstere ich ihr zu. Sie bedankt sich mit einem zarten Lächeln und verschwindet mit den restlichen zwei Angestellten nach hinten. Vermutlich werden sie durch den Personalausgang verschwinden.

Hinter die Bar tretend, schalte ich die Musik aus und platziere den Lappen langsam auf dem Tresen. »Wir haben geschlossen.«
Romeos leere Augen, die er zuvor auf seinen Drink gerichtet hat, liegen nun auf mir. Den hat er wohlgemerkt immer noch nicht angerührt. »Du hast recht«, gibt er überraschenderweise zu. Meine Augenbrauen klettern konfus in die Höhe. »Ach ja? Und mit was? Weißt du ich würde jetzt echt gern Feierabend machen, und-«
»Damit was du sagtest. Ich hätte etwas tun sollen, ja. Es tut mir leid. Es wird nicht nochmal vorkommen...«
»Da stimme ich dir zu, weil wir uns nämlich nicht wiedersehen werden«, murmle ich und kehre ihm den Rücken. Ich gehe in die Knie, um die letzten leeren Flaschen in den Kästen zu verräumen, damit die nächste Schicht sie direkt wegbringen kann, sobald wir wieder öffnen. Mit meinen Worten ist das Gespräch für mich beendet. Für ihn anscheinend aber nicht, zum leidtragen von mir. Ich will ihn endlich loswerden, verdammt.
»Alessia...«, stößt er leise aus. Fast schon gequält. Als würde ihm meine Anwesenheit, schmerzen verschaffen. Wie Lächerlich. Das ist einstig seine Schuld, weil er meinte mit mir spielen zu müssen. Egal wie verräterisch mein Herz springt als er meinen Namen ausspricht - ich werde darauf nicht reinfallen. »Verschwinde endlich«, zische ich über die Schulter hinweg. Er soll sich endlich in Luft auflösen wie die Jahre zuvor.
»Es tut mir leid...«
»Das sagtest du schon. Schön für dich, erzähl es jemanden, den es interessiert und-« Ich wirble herum. »Jetzt verschwinde endlich.«
Doch dieser verflixte Parisi, rührt sich keinen Millimeter von seinem Stuhl. Stattdessen ist der Blick, den er mir zuwirft, trügerisch echt. Trügerisch gekränkt.
»Al-«, versucht er es wieder, und auch diesmal komme ich ihm zuvor und knalle meine Faust auf die Platte der Bar.
»Nein! Ich will nachhause okay? Ich arbeite jetzt schon seit zwölf Stunden und muss in sechs wieder hier sein, also steh auf und lass mich endlich nachhause gehen, okay? Gönn mir wenigstens ein bisschen Schlaf, bevor ich wieder schuften muss. Wir können uns nicht alle auf dem Reichtum unserer Familie ausruhen!«
Romeo wirkt, als hätte ich ihm ins Gesicht geschlagen und verdammt ich wünschte ich hätte es getan. Stattdessen verschwinde ich kopfschüttelnd in die Räume des Personals und suche meine Sachen zusammen. Meine Tasche, die Schlüssel der Bar und die von meiner Wohnung. Ich streife mir die Schürze ab, hänge sie an meinen Spind und verriegele ihn, bevor ich zurück in die Bar trete. Überrascht muss ich feststellen das meine Worte etwas bewirkt haben. Das Glas Whisky ist geleert und der Italiener steht in Anzughose und Hemd neben der Bar und schaut mich undeutbar an. Eins sehe ich aber deutlich. Der trübe Schein in seinen sonst so leuchtenden Iriden. Zumindest haben sie damals immer geleuchtet. Heute? Vermutlich nur für Sie.
»Lass mich dich nachhause fahren«, unterbreitet Romeo mir sein Angebot. Der dunkelhaarige deutet auf den Autoschlüssel in seiner Hand. Sofort schüttle ich meinen Kopf, stelle dein dreckiges Glas in den Geschirrspüler und marschiere an ihm vorbei zur Tür. »Sicher nicht, jetzt geh endlich. Ich will abschließen.«
Ich zerre die schwere Tür der Bar auf. Die ersten Sonnenstrahlen fallen auf den Holzboden und erinnern mich daran, dass ich längst zuhause im Bett liegen sollte. Noch dazu muss ich meine Tabletten bald nehmen und die machen mich schrecklich müde. Zu meinem Leidtragen hält Romeo jedoch genau auf der Türschwelle inne und dreht sich mir zu. Seine Augen mustern mich von oben hinab neugierig. Fast schon versucht entschuldigend.

»Du wohnst noch immer in der gleichen Wohnung, oder? Du brauchst mindestens vierzig Minuten bis dahin. Zu dieser Uhrzeit fährt kein Bus und du wirst laufen müssen.«
»Und dich interessiert das, weil?«, will ich wissen und schubse ihn nach draußen. Hinter uns schließe ich die Tür ab und entdecke seinen schwarzen protzigen Mercedes auf dem Parkplatz stehen. Den den er damals fuhr, hat er wohl gegen eine neuere Version eingetauscht.
»Auf keinen Fall.« Der spinnt wohl!
»Tschüss Idiot. Erstick nicht an deinem Reichtum«, murmle ich noch bevor ich beginne loszulaufen und ihn einfach stehenzulassen. Was denkt der, wer er ist? Einfach so in seine Karre zu steigen und nicht darüber nachzudenken, wer da vor mir auf dem Beifahrersitz saß? Nein.
»Komm schon, Alessia.«
»Streich meine Existenz am besten aus deinem Hirn. Wenn du sowas überhaupt besitzt, du Primat.«
»Der Weg ist echt weit...«
Ich würde die Strecke freiwillig rennen, wenn ich Asthma hätte, nur um nicht mit dir in einem Auto sitzen zu müssen, würde ich ihm am liebsten an den Kopf knallen. Aber den Satz spare ich mir. Ich laufe langsam über die Gehwege Palermos in der aufgehenden Sommersonne. Bald schon wird es wieder unerträglich heiß zu Tag. Die Nächte sind um einiges angenehmer als die trocken heißen Tage.

Gerade als ich um eine Ecke biegen will, höre ich das Motorgeräusch eines Autos und entdecke den schwarzen Porsche neben mir rollen. Super.
»Lass mich endlich in Ruhe, du Arsch.«
»Spring rein, danach erfülle ich dir deinen Wunsch auch«, versichert er mir und ich verdrehe meine Augen. Vierzig Minuten laufen oder zwanzig in seinem Neuwagen? Jede Faser meines Körpers sträubt sich dagegen, es anzunehmen. Doch meine Füße schmerzen und wenn ich weiter hier so nichts tuend herumstehe, werde ich es nicht schaffen meine Tabletten rechtzeitig zu nehmen. Die habe ich nämlich vor lauter Eile gestern in der Küche liegengelassen.
»Komm schon...«
Genervt reiße ich die Tür von seiner Protzkarre auf und falle auf dem Beifahrersitz. »Fahr los, ich hab keine Lust das uns jemand sieht«, brumme ich genervt mit verschränkten Armen. Scheiße sind die Sitze bequem ...
Romeo drückt aufs Gas und der Porsche gleitet mit einem tiefen Röhren, in der aufgehenden Sonne durch die Straßen von Palermo. Zum Glück schweigt er. Immerhin für ein paar Minuten, bis er an einer leeren Ampel hält und seinen Kopf zu mir dreht.

King of Palermo | 18+Where stories live. Discover now