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 „Russland. Natürlich, wo auch sonst.", murmelte ich und schüttelte leicht den Kopf, als ich die Informationen von Francis auf meinem zweiten Handy überprüfte. Irgendwo war es logisch, dass es ausgerechnet Russland war, wo ich die letzten Spuren von dem Supersoldatenserum vernichten würde.

Hydra hatte sich so lange dort aufgehalten. Höchstwahrscheinlich waren dort sogar mehr Informationen und Forschungen zum Serum als die Nazis damals hatten. Sie hatten mehr als ein halbes Jahrhundert um alles herauszufinden was sie wissen wollten und ich hatte es mit Buckys Hilfe nur schwer geschafft von dort zu fliehen.

Sobald ich damals wieder klar denken konnte hatte ich mir geschworen nie wieder einen Fuß in dieses Land zu setzen und jetzt saß ich hier, sah mir die Tickets meines Fluges an und konnte durch diese Probleme den Blip wenigstens für einige Sekunden vergessen.

Das war einer der Gründe, warum ich das hier überhaupt machte. Als ich Steve und Tony verlassen hatte vergingen ein paar Wochen, in welchen ich nichts mit meinem Leben anzufangen wusste. Ich irrte durch Amerika und versuchte zwanghaft jede Erinnerung an meinen besten Freund zu verdrängen.

Irgendwann stieß ich auf alte Unterlagen. Informationen zu Steve und Hydra und egal wie sehr ich es auch versuchte. Ich musste sie genauer ansehen.

Darin fand ich Informationen zu dem Serum und Forschern, welche versuchten das Serum zu reproduzieren. Das war der erste Moment seit meinem Eintreffen auf der Erde, welchen ich nicht mit dem Gedanken an Bucky verbrachte. Das erste Mal hatte ich von dem einen auf den anderen Moment ein Ziel vor Augen, welches meinem Leben plötzlich erneut einen Sinn gab.

Ich spürte die Menschen aus den Akten auf, vernichtete sie und jeden Hinweis auf ihre Verbindung zu dem Serum und den Forschungen, welche ich ebenfalls vernichtete. Es dauerte beinahe zwei Jahre, welche ich damit verbrachte um die Welt zu reisen und jeden Menschen von dieser Liste zu streichen.

Ich wusste, dass Steve und Bucky mich dafür verurteilen würden. Ich wusste, dass sie mir nicht in die Augen sehen würden, wenn sie das herausfinden würden. Sie wären enttäuscht von mir und ich konnte verstehen warum. Auf der anderen Sache waren diese Morde das Einzige, was mich in den letzten Jahren nicht komplett durchdrehen ließ.

Ich hatte ein Ziel vor Augen und konnte somit meinen Schmerz unter Wut verstecken. Vor zwei Jahren hatte ich einen Besuch bekommen. Ich war gerade in London und war auf der Suche nach meinem letzten Opfer, als mich einer der Leute des Power Broker ansprachen.

Sie hatten weitere Namen, welche in Verbindung zu dem Serum standen und nicht in meiner Akte vermerkt waren. Sie hatten Informationen welche ich in diesem Moment so sehr brauchte, wie ein Junkie seine Drogen. Nur um die komplette Welt um mich herum für einige wenige Momente komplett zu vergessen.

Im Grunde ist der Deal recht einfach. Ich werde für ihren Tod bezahlt und die in Madripoor sind zufrieden. Oftmals kamen die Aufträge von Selby, aber auch diese erhielt sie seltenst von höher gestellten Menschen. In diesem Fall der Power Broker.

Maschine 197 nach Moskau, Gate A 24.", ertönte eine maschinelle Frauenstimme aus einem der Lautsprecher und schnell erhob ich mich. Meine schwarze Kapuze hatte ich mir ins Gesicht gezogen und meine Hände vergrub ich in den Taschen der Jacke. Bei jedem Schritt spürte ich das kalte Metall an meinem Bein und war froh, dass es so einfach war Waffen an dem Flugpersonal vorbei zu schleusen.

Sonst hätte ich mir andere Methoden überlegen müssen und das wäre ganz sicher kompliziert geworden.

Langsam bewegte sich die Schlange, in welcher ich stand, vorwärts und ungeduldig spielte ich mit meinen Fingern an einem falschen Reisepass und Ausweis herum, welchen ich mir vor zwei Jahren zugelegt hatte. So konnten weder Steve, noch Tony nachverfolgen wo ich gerade war. Momentan dachten sie, dass ich mich in San Francisco befand und dabei konnte es auch bleiben.

Vielleicht würde ich nach dieser letzten Mission hier wieder nach hause gehen können, zu Steve. Wenn diese Gefühle des Verlustes irgendwann verschwinden würden, könnte ich vielleicht sogar wieder richtig leben. Nicht dieses Leben, welches mir Hydra vor fast 80 Jahren aufgezwungen hatte sondern das Leben, welches ich mein Leben davor schon verbringen wollte.

Schnell reichte ich der Frau meinen Pass, lächelte sie kurz an und wartete, bis sie ihn mit ihren Daten verglichen hatte. Dann nickte sie mir zu, gab mir meine falschen Papiere wieder und schickte mich weiter in das Flugzeug hinein, welches noch so gut wie leer war.

Fast lautlos schlich ich nach ganz hinten, wo ich mich auf meinem Platz am Fenster sinken ließ. Kurz schloss ich die Augen und dachte an das erste Mal zurück, als ich mit einem Flugzeug geflogen war.

1942 war mehr als ein halbes Jahrhundert entfernt und trotzdem fühlte es sich an, als wäre es gleichzeitig einige Tage und Jahrtausende her. Damals, als ich mit dem Versorgungsflugzeug nach Italien geflogen bin um bei Bucky in der Armee zu sein hatte mich das Gefühl von Aufregung und Nervosität mit dem Blick auf den Krieg gepackt. Heute saß ich hier in diesem Flugzeug mit einer Pistole an meinem Bein, hatte bereits unzählige ausgefochtene Kriege hinter mir und verspürte rein gar nichts mehr. Keine Angst vor dem Tod der mich erwarten würde.

So viele Morde lagen bereits hinter mir und mit jedem weiteren hatte ich das Gefühl immer mehr und mehr abzustumpfen. Ich war nicht mehr die selbe Person wie 1940, bei weitem nicht. Hätte man mir damals gesagt in was für einer Situation ich 2022 stecken würde, dann hätte ich denjenigen für verrückt erklärt.

Allein diese Jahreszahl hatte ich damals für so unerreichbar gehalten. Und würde ich Tony zeigen wie ich damals war, dann würde er mir ebenso wenig glauben. Hydra hatte mich verändert und mein altes Ich in einem der dunklen, kalten Räume in Russland letztlich getötet. Herausgekommen war jemand anderes.

Während das Flugzeug sich in die Luft erhob hing ich meinen Gedanken nach und starrte hinaus auf das immer kleiner werdende Land unter mir. Nein, mein altes Ich hatte Hydra niemals wirklich verlassen. Nur ein Schatten meiner selbst mit endlos vielen Narben konnte damals fliehen und ohne Bucky an meiner Seite würde dieser Schatten irgendwann komplett verblassen. 

The Story of Winter III / Bucky FFOnde histórias criam vida. Descubra agora