Exitus?

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Sicht: Florian Wehr


Das Alarmstichwort: ‚PiW' (Person im Wasser) lässt uns aufhorchen. Thomas hatte uns beziehungsweise Björn eben erst informiert, dass der Verrückte Eli in einem See ertränken möchte. Ein Blick zu den anderen genügt, um zu wissen, dass wir alle das Gleiche denken: Herr Wilhelmi hat es geschafft und Eli in den See geworfen. Ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber mir kommt es so vor, als säßen wir noch schneller als sonst in unseren Fahrzeugen, aber obwohl wir mit entsprechend hoher Geschwindigkeit fahren, dauert die Fahrt gefühlte Stunden. Uns allen ist klar, dass jede Sekunde zählt – wie so oft, aber diesmal haben wir eine persönliche Beziehung zum Opfer. So sehr wir auch Emotionales ausblenden können, ganz gelingt es uns bei solchen Einsätzen nicht.

Am Einsatzort angekommen springen wir sofort aus unseren Fahrzeugen. Unsere Augen suchen den See ab, wo offensichtlich Taucher nach der Person im Wasser suchen. Zwei Feuerwehrmänner halten Signalleinen in der Hand, die in den See führen. Das große Polizeiaufgebot und Thomas Anwesenheit bestätigt unsere Vermutung, dass es sich um Eli handeln muss.

Während Silke bereits zum See läuft, nehme ich das Ampullarium und die RTW-Besatzung rund um Justin und Jacky das restliche Equipment. Gedanklich haben wir uns bereits auf eine Reanimation eingestellt, auch wenn ich hoffe, dass dem nicht der Fall ist. Das kleine Fünkchen Hoffnung wird aber sofort zerstört, als die Taucher der Feuerwehr mit Eli im Arm auftauchen. Bewegung kommt in uns und wir erreichen den Uferbereich, bevor die Taucher Eli ablegen.

Ab jetzt beginnt eine Maschinerie, die wir einfach abspielen. Mehr als einmal tief einatmen beim Anblick des zyanotischen Gesichts kann ich nicht, denn der erste Eindruck bestätigt sich nach Kontrolle der Atmung und des Pulses. Eli ist momentan tot und wir werden jetzt alles dafür tun, sie wieder zu den Lebenden zurückzuholen.

Justin übernimmt den ersten Rhythmus der Herzdruckmassage nach den 5 Initialbeatmungen, während Silke Eli mit dem Beutel beatmet und Anweisungen erteilt: „EKG, Blutdruck, Zugang, Supra und Intubation vorbereiten."

Während sich Jacky um die beiden ersten Punkte kümmert, übernehme ich den Rest. Zuerst reiche ich ihr den Zugang für die Vena jugularis interna (Halsvene) an, über den sie wenig später das vorbereitete Supra spritzt.

„Kurz aufhören."

Der Blick wandert automatisch zu EKG, das Jacky bereits angeschlossen hat, doch zu sehen ist lediglich die Nulllinie.

„Weiter."

Jacky übernimmt nun die anstrengende Herzdruckmassage. In Filmen sieht es immer so einfach aus, aber dem ist nicht so. Mit beiden Händen bzw. Handballen wird der Thorax sechs Zentimeter eingedrückt, wobei es auch zu Rippenbrüchen kommen kann. Als Faustregel gilt zudem 100 Mal in einer Minute, wobei nach 30 Herzdruckmassagen zweimal beatmet wird. Als Laie kann die Beatmung auch weggelassen werden, falls der Ekelfaktor zu hoch ist. Das Blut ist nach dem Herzstillstand noch mit Sauerstoff konzentriert. Natürlich ist es optimaler, wenn es im Lungenkreislauf zusätzlich wieder mit Sauerstoff angereichert wird, aber es ist wichtiger bzw. überlebenswichtig, überhaupt einen Kreislauf herzustellen. Je später mit der Reanimation begonnen wird, desto schlechter sind die Chancen. Hinzu kommt, dass Laien keinen Beatmungsbeutel zur Hand haben, sodass sie lediglich mit ihrer Ausatemluft Sauerstoff spenden können, die aber mit 16% um 5% niedriger ist als frische Luft.

Silke versucht nun Eli zu intubieren, es gelingt ihr jedoch nicht auf Anhieb. Aufgrund ihrer Professionalität glaube ich auch nicht, dass es an der Nervosität liegt, auch wenn Eli für sie ebenfalls keine Unbekannte ist. Es kommt immer mal wieder vor, dass mehr Versuche nötig sind, bis der Tubus liegt. Die Ursachen sind ganz verschieden: Der Rachen kann geschwollen sein durch eine allergische Reaktion, die Reklination (Streckung) der Halswirbelsäule ist eingeschränkt oder wie in Elis Fall ist die Mundöffnung für das Intubationsbesteck zu klein.

112 - Das TeamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt