Die Nadel im Blätterwald

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„Einsatz für den RTW 1 und NEF. Vermisste Person im Stadtwald. Polizei und Suchhund sind mit aus. Sammelpunkt Militärringstraße Kreuzung Dürener Straße. Die Person ist 34 Jahr alt und hat Diabetes."

Diese Einsatzmeldung erhalte ich, als ich das nächste Mal Dienst habe. Meine Schonfrist ist rum, ich darf endlich auch fahren und wurde heute zu meiner Freude auf dem NEF eingeteilt. Notarzt ist heute wieder Olli, was meine Freude etwas dämpft, auch wenn ich ihn nach meinem emotionalen Zusammenbruch noch weniger einschätzen kann. Wie sich herausstellte, ist er nur mit in meine Wohnung gekommen, um den Zugang zu ziehen, was er auch schlussendlich getan hat – nur eben nach meinem Weinkrampf. Ich weiß auch nicht, warum mir alles zu viel wurde und ich vor ihm anfangen musste zu weinen – das mache ich normalweise nur allein im Bett. Eigentlich habe ich erwartet, dass er versucht, die Ursache herauszufinden und mich so wieder mit Fragen quält. Stattdessen hat er mich einfach in den Arm genommen und geschwiegen. Olli hat mich, nachdem es mir wieder etwas besser ging, lediglich gefragt, ob ich etwas zur Beruhigung haben möchte, was ich verneint habe. Daher hat er den Zugang gezogen und nur noch gemeint, ich solle am besten direkt schlafen gehen und könne ihn, wenn irgendetwas wäre, jederzeit anrufen. Danach hat er die Wohnung verlassen. Heute ist der erste Tag, an dem ich wieder auf ihn treffe. Zu Dienstbeginn hat er mich natürlich direkt gefragt, wie es meinem Knie gehen würde. Zum Glück sind die Schmerzen kaum noch vorhanden, lediglich eine ordentliche Färbung ist noch sichtbar.

Auf dem Weg zum Einsatzort reden wir nicht viel, wir bereiten uns auf den Einsatz vor und rechnen mit dem Schlimmstem. Die Erleichterung ist dann immer umso größer, wenn das schlimmste Szenario nicht eintrifft, aber wir sind auf jeden Fall vorbereitet.

An der Sammelstelle angekommen, nimmt Olli seine Medikamententasche aus dem Kofferraum, die Sanitäter Franco und Justin den großen Rucksack sowie die tragbare Sauerstoffflasche aus dem RTW. Die Polizei ist bereits mit Paul Richter und Stephan Sindera vor Ort und versucht die aufgeregte Melderin zu beruhigen.

Die berichtet: „Meine Schwester hat vor kurzem Diabetes diagnostiziert bekommen. Sie ist jetzt richtig eingestellt, aber so ganz kommt sie damit noch nicht klar. Normalerweise ist sie immer um diese Uhrzeit joggen gegangen und ich vermute, dass ist sie heute wieder."

„Diabetes Typ 1?", fragt Olli sofort.

„Ja, sie muss sich immer spritzen."

„Wie darf ich das nicht so ganz klar kommen verstehen?"

„Sie nimmt die Krankheit nicht ernst, vergisst zu messen, will ihr Leben nicht umstellen."

„Und Sie vermuten, sie ist Joggen gegangen?", hakt Franco nach.

„Ja, aber ich finde sie nicht. Sie ist immer hier in dem Stadtwald unterwegs, lief aber unterschiedliche Routen."

„Wir werden sie finden", versucht Stephan sie zu beruhigen.

Mittlerweile ist auch die Hundeführerin Silke Vesper mit ihrem Hund Quimba sowie eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei eingetroffen. Silke übernimmt das Kommando, nachdem Quimba an einem Kleidungsstück der Vermissten gerochen hat. Quimba geht voran, die Polizisten und wir hinterher. Auch die Melderin begleitet uns, jedoch hat Franco ein Auge auf sie. Die Angst der Angehörigen kann sich bis zu einer Panikattacke steigern, was wir natürlich vermeiden wollen. Zu unserem Glück hat Quimba schnell eine Spur. Plötzlich zieht sie jedoch vom Weg ins Unterholz, was wir nicht so erwartet haben. Joggen abseits der Wege ist nie eine gute Idee. Gleichzeitig bin ich aber froh, nicht an den offensichtlich betrunkenen Jugendlichen im weiteren Wegverlauf vorbeigehen zu müssen. Bei Betrunken weiß man nie, wie sie reagieren. Auf eine Flasche auf meinem Kopf kann ich gerne verzichten.

Auch die anderen wundern sich über den Wegverlauf. „Hier kannst du aber nicht mehr joggen", stellt Paul fest.

„Nein, hier kannst du dir eher dein Lagerfeuer zusammensuchen", stellt Stephan fest.

112 - Das TeamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt