Entführt

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Elis Sicht:

„Schon wieder kein Melder", stöhnt Florian genervt.

Wir sind gerade in der Nähe des Decksteiner Weihers angekommen, wo im Uferbereich eine verletzte Person liegen soll. Die Schwere ist genauso unklar wie der genaue Unfallort. Mit Notfallrucksack, EKG und Sauerstoff machen wir uns auf die Suche.

„Lass uns aufteilen", schlage ich nach einer Weile vergebenen Suchens vor. „Du mehr rechts, ich mehr links. Vielleicht haben wir dann mehr Glück."

„Gute Idee. Wir können uns ja anfunken."

Auch wenn der Bewuchs nicht so dicht ist wie in einem Wald, überfällt mich ein Unwohlsein. Durch die direkte Nähe zur Autobahn hört man schnelle Fahrgeräusche wie ein Windzug.

„Hast du schon was?", frage ich unnötigerweise meinen Kollegen per Funk.

„Nein, du auch nicht, oder?", fragt er zurück.

„Nein. Ich finde es hier unheimlich", antworte ich ehrlich.

„Keine Sorge, am helllichten Tag wirst du keinem Geist begegnen", witzelt er und fügt hinzu, dass er nur extrem genervt sei.

„Wirklich witzig. Ich bin aber auch genervt, glaub mir. Und zwar auch von dir. Over and out." Da ich mich wirklich unwohl fühle, fand ich den Witz nicht passend, auch wenn ich weiß, dass er mich damit nicht angreifen wollte.

Daran ändert auch seine halbherzige Entschuldig nichts: „Sei nicht beleidigt. Over and out."

Ich suche das Ufer immer weiter nach Westen ab, bis ich die Eisenbahntrasse fast erreicht habe. Da ich die Vermutung habe, dass die Anruferin den genauen Standort selbst nicht wusste, folge ich dem Wanderweg über ein freies Feld. Auch hier kann ich keine verletzte Person sichten und komme so in einen weiteren kleinen Wald.

Plötzlich werde ich von hinten gepackt, mein Mund wird mir zu gehalten und vom Weg ab in den Wald gezerrt. Völlig überrascht reiße ich die Augen auf und versuche mich zu wehren, doch die Person hinter mir ist zu stark. Es ist offensichtlich ein Mann, der mich immer weiter zerrt. Ich bleibe stehen, versuche mich dagegen zu wehren, doch als ich den Lauf einer Waffe an meiner Schläfe spüre, gehe ich freiwillig mit. Ich sehe niemanden, der mir helfen oder zumindest die Polizei rufen könnte.

Plötzlich kackt das Funkgerät und Florian informiert mich, dass der Melder das Handy ausgeschaltet hat, sodass kein genauer Standort von der Leitstelle bestimmt werden kann. Da ich nicht antworten kann, schöpfe ich Hoffnung, dass er Verdacht schöpft und meine Entführung frühzeitig bemerkt. Diese Hoffnung zerstreut sich jedoch, als er mich nicht weiter über Funk zu kontaktieren versucht. Niedergeschlagen lasse ich mich weiter durch den Wald schieben. Durch relativ dichte Sträucher gelangen wir zu einem Parkplatz, wo ein Auto steht, dass uns beide vor Zuschauern abschirmt. Er zerrt mich zum Kofferraum, was Panik bei mir verursacht. Ich wehre mich im wahrsten Sinne des Wortes mit Händen und Füßen, doch ich bin gegen diesen Muskelprotz machtlos. Er schubst mich in den großen Kofferraum des BMWs. Bevor er die Heckklappe schließt, nimmt er mir Funkgerät und Handy ab, sodass ich ihn das erste Mal sehen kann. Es handelt ich um einen etwa 35-jährigen kräftigen Mann, den ich noch nie in meinem Leben gesehen habe. Er besitzt hohe Wangenknochen und braune, kurz geschnittene Haare. Bevor ich fragen kann, warum er mich entführt, schließt er die Klappe, wobei er mir mit der Waffe sichtlich droht. Seine Augen sind so bösartig, dass ich mich nicht traue, die automatische Heckklappe mittels Beins zu stoppen. Also bin ich jetzt gefangen in einem Kofferraum ohne eine Verbindung nach außen. Einzig die Hoffnung, dass Florian mein Verschwinden bald merkt, bleibt mir. Dabei ist mir jedoch klar, dass es schwierig werden wird, mich zu finden. Noch nicht einmal ich kenne den Mann, geschweige denn sein Motiv. Es gibt keine Zeugen und keine Kameras. Der Mann hat keine Spuren hinterlassen.

112 - Das TeamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt