Achtung, Gaffer auf der Autobahn!

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Ruhig, zu ruhig. Genau das denke ich über meine heutige Schicht, die in den frühen Morgenstunden begann. Jetzt haben wir gleich elf Uhr und wir hatten immer noch keinen Einsatz. Dienst habe ich heute auf dem RTW mit Florian Sauer, Franco fährt mit Olli das NEF, die hier auch für eine heitere Stimmung Sorgen. Natürlich wünsche ich, dass niemand unsere Hilfe braucht, und auf Dauereinsätze kann ich auch verzichten, aber ich fühle mich so nutzlos. Wir haben angefangen Mensch-ärgere-dich-nicht zu spielen und Franco und Olli nutzen jede Gelegenheit, um andere zu schmeißen und sich zu verschonen.

Ein Einsatz stört aber schließlich doch unser Spiel: „Einsatz für RTW 1, VU A4 zwischen Anschlussstelle Köln-Klettenberg und Kreuz Köln West, eine leicht verletzte Person. Polizei vor Ort."

„Der Unfall kann nicht heftig gewesen sein", meint Florian auf der Anfahrt. Eine leicht verletzte Person ist in der Tat sehr selten.

Auf der Fahrt erhalten wir von der Leitstelle noch genauere Informationen. Ein 64-jähriger Mann hatte einen Auffahrunfall.

Vor Ort teilt uns der Mann noch vor der Begrüßung mit, dass er keinen Krankenwagen benötige.

Marc Westerhoven berichtet uns daraufhin: „Der gute Mann wollte auf die Überholspur wechseln und touchierte dabei seinen Vordermann. Den Spuren nach zu urteilen, war dies nur leicht. Trotzdem haben wir euch zur Sicherheit gerufen, auch wenn Herr Meier das anders sieht."

„Wir schauen mal, was wir tun können", meint mein Kollege daraufhin und stellt uns Herrn Meier vor.

„Sie sind unnötig gerufen worden, mir fehlt nichts", versichert er uns daraufhin nochmal und bleibt auch trotz gutem Zureden bei dieser Meinung.

Er unterschreibt gerade das entsprechende Formular, da kommt es zu einem dumpfen Knall gefolgt von quietschenden Bremsen auf der entgegenkommenden Fahrbahn. Uns ist bereits aufgefallen, dass Gaffer den Verkehrsfluss hemmen, nicht aber, dass eine Person offensichtlich sogar ausgestiegen ist. Ein Wage steht auf dem Seitenstreifen mit geöffneter Beifahrertür, etwas weiter nach nach vorne liegt ein Mann offensichtlich schwer verletzt vor einem anderen Auto, dessen Fahrerin stur geradeaus starrt.

Bevor wir lebensrettende Maßnahmen einleiten können, muss zunächst die Polizei die Autobahn sperren. Ein Überschreiten der Fahrbahn würde für uns ebenfalls Lebensgefahr bedeuten. In dieser Zeit fordern wir schonmal einen NEF und einen weiteren RTW an. Trotzdem fühle ich mich in dem Moment nutzlos. Keine 20 Meter von mir liegt eine schwer verletzte Person und ich kann nur warten, bis die Polizei ihren Job erledigt hat.

Kaum wird die Autobahn freigegeben, steigen wir über die Leitplanke. Olli ist als Erster am Patienten und ruft: „Polytrauma, bewusstlos, bringt alles mit!"

Aufgrund des Unfallhergangs habe ich mich am Kopf niedergelassen und stabilisiere ihn mit meinen Händen.

Olli bittet mich dann aber: „Lass mich mal an den Kopf."

„Reagiert auf keine Ansprache, sehr flache Atmung, tachykard, fadenförmiger Puls, verschiedene Prellmarken und Verletzungen sichtbar", macht Franco eine erste Bestandsaufnahme, sodass wir von Lebensgefahr ausgehen müssen. Es zählt jede Minute, um das Leben des Mannes zu retten, der sich keine Gedanken über die Folgen seines Aussteigens gemacht hat.

„Ich brauche sofort Stifneck, orangene Viggo" fordert Olli. Es handelt sich um einen großlumigen Zugang, die er in die Vena jugularis (Halsvene) legen möchte. Aufgrund des fadenförmigen Pulses müssen wir von einem Schock ausgehen, sodass ein Zugang in den peripheren Venen nicht möglich ist. Letztendlich handelt es sich um eine Schutzfunktion des Körpers, um ausreichend Blut den Organen zur Verfügung zu stellen.

„Florian fährt an der Anschlussstelle rüber, ist ja nicht weit", informiere ich unseren Notarzt.

„Vitalparameter dran machen!"

112 - Das TeamWhere stories live. Discover now