Fassade

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Ich ging auf und ab in meiner Wohnung. Ich hatte geduscht, mich rasiert, meine Haare gemacht und mich 200 mal umgezogen. Ich wusste nicht, was ich anziehen sollte. Ich entschied mich für dunkle Jeans und einen dunkelblauen Pullover. Schlicht, aber trotzdem elegant. Ich tiegerte in meiner Wohnung herum. Sie lag am Rande der West Side und war nur wenige Minuten zu Fuß von der Southside entfernt, sodass ich jederzeit meine Familie besuchen konnte. Ich sah auf die Uhr. 18:55. Ich nahm einen schluck Wasser gegen die Nervosität und zog meine Schuhe an. Ich nahm den Schlüssel in die Hand und wartete bis es klingelte. 19:01 Ich checkte die Uhr im Bad und die auf meinem Handy, falls eine falsch ging. Warum zum Teufel war ich so nervös? Ich war sonst vor „Dates" auch nicht nervös. Obwohl ich lange keins mehr hatte. 19:05 Wo bleibt er nur. Ich schreckte in die höhe, als die Klingel die stille durchbohrte. Ich trat aus meiner Wohnung und sperrte die Tür ab. Dann ging ich die 2 Stockwerke nach unten und bemühte mich nicht zu schnell zu gehen. Ich öffnete die Tür und sah niemanden außer einen schwarzen Wagen, mit laufendem Motor. Als ich darauf zu ging wurde die scheibe auf der Fahrerseite ein stück herunter gelassen. „Steig ein" sagte er und ließ die scheibe wieder hoch. Sie waren getönt, sodass man nicht erkennen konnte, wer dahinter saß. Ich ging um das Auto herum und setzte mich. „Sorry, dass ich zu spät bin. Musste meine Security abschütteln" sagte er und grinste. Ich war fassungslos und sprachlos. Der Mann, der die letzten Tage gepflegte Anzüge trug und auf ausgewählte Worte achtete, war ein anderer Mensch. Ich starrte ihn an. Er trug blaue, abgetragene und ausgewaschene Jeans und einen schwarzen Kapuzenpulli. Er hatte die Ärmel zurück geschoben und ich sah seine Tattoos. Seine Arme waren voll davon. Ich starrte immer noch. Er sah mich an „Was zum Teufel glotzt du so?" fragte er und zog die Augenbrauen zusammen? Er war der selbe Mann, aber anders. Ich sah nach vorne auf die Straße. Ich wusste, dass er ein Milkovich war und ich kannte seine Schwester. Ich hatte viel von seinem Vater gehört und ihn auch ein paar mal im Alibi gesehen. Aber ich glaubte bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass Mikhailo wirklich sein Sohn war. Aus diesem Haus kamen die wildesten Gerüchte. Und Mikhailo war so anders. Oder gab er sich nur so?

Gestern erst hatte ich gegoogelt, wie er zu dem kam, was er hatte. Genau weiß das niemand, aber es wird vermutet, dass es mit Erpressung von verschiedenen Leuten angefangen hat. Bis er durch einen Drogendeal zu viel Geld gekommen ist und schließlich eine Firma gekauft hat. Niemand konnte ihm etwas nachweisen, da das Geld sauber war und es sonst keine beweise gab. Alles sehr misteriös.

Mikhailo parkte den Wagen und stieg aus. Ich folgte ihm. Wir waren in einem verlassenen Teil der Southside. Die Gebäude vor uns wurden früher als Krankenhaus genutzt. Seit dem sie leer stehen, kommt hier niemand mehr her. „Was tun wir hier?" fragte ich vorsichtig, als wir auf die Gebäude zugingen. „Ich zeig dir was" sagte er und ich folgte ihm. Ich hatte ein mulmiges Gefühl. Scheiße ich hatte nicht mal etwas dabei um mich zu verteidigen. Wir traten durch eine Lücke in der Mauer und standen in einem großen Raum. Spinnweben und Graffities waren an den wänden verteilt, es war schmutzig und es roch nach irgendwas. Mikhailo stand vor einer Holzverkleidung mit einem Vorhängeschloss. Er schloss es auf und schob die „Tür" zur Seite. „Na komm schon Ian" sagte er als ich stehen blieb. Wir traten ein und es war so... anders... Der Raum hatte keine Fenster. Im hinteren Teil erkannte ich eine Küchenzeile und einen Kühlschrank. Daneben stand ein großes Regal mit vielen DVDs und Spielen. An einer Wand war eine Leinwand aufgebaut und der gegenüber stand ein Ledersofa. Ich hatte vergessen meinen Mund zu schließen. Irgendwie war das... ganz schön viel auf einmal... „Bier?" fragte er und ging zum Kühlschrank. Die Möbel und die anderen Sachen sahen alle so neu aus, als wären sie gerade aus dem Katalog gefallen. Ich hatte Schwierigkeiten das alles zu verarbeiten. Er kam auf mich zu und drückte mir ein Bier in die Hand. Ich nahm einen großen schluck und sah mich noch immer um. „Was zum..." brachte ich nur heraus und erschrak als ich feststellte, dass ich mit meinem Boss redete. „Verzeihung Mikhailo, es..." setzte ich an aber er unterbrach mich. „Hier bin ich Mickey." Sagte er mit seiner Samtstimme und sah mich an. „Und wenn du noch ein mal so geschwollen redest, dann kannst du wieder gehen. Wir sind hier in der Southside, Ginger." Jetzt sah ich ihn an. Ich war sprachlos. „Mach den Mund zu, du siehst aus wie ein Fisch. Setz dich." Sagte er und ich gehorchte. Ich nahm noch einen großen schluck von meinem Bier. „Sorry, es ist nur.." setzte ich wieder an. „Viel?" sagte er und ich nickte. „Ich wollte dir keinen schock verpassen, aber ich hätte es dir nicht erklären können, wenn du es nicht selbst gesehen hättest." Sagte er und wir setzten uns aufs Sofa. „Ian, ich führe ein Doppelleben. Mehr oder weniger. Ich verbringe viel Freizeit hier. Ich komme her, wenn mir die Arbeit zu viel wird oder ich abschalten will. Mann bekommt einen Mann aus der Southside aber die Southside nicht aus ihm. Verstehst du?" er sah mich mit seinen blauen Augen an. Ich nickte nur und nippte an meinem Bier „Das meiste von dem was du gesehen hast, ist Fassade. Ich muss sie aufrecht erhalten, damit ich meinen Geschäften nachgehen kann." Sagte er und sah auf seine Hände „Weißt du, mit was ich mein Geld verdiene?" fragte er ernst und sah mich an. Ich merkte sein zögern bei der Frage „Mit Werbung?" fragte ich unsicher. Er schüttelte den Kopf. „Das ist die Fassade. Das was jeder sieht. Natürlich ist das auch eine Einnahmequelle. Aber die eigentlichen Geschäfte laufen im Hintergrund." Er schwieg einen Moment. Als würde er zögern es mir zu sagen. Warum tat er es überhaupt? Wollte ich es überhaupt wissen? „Halt." Sagte ich schnell. Ich war aus der Kriminalität raus. Zwar war es nie was ernstes gewesen, aber Diebstahl und Betrug war dabei. „Muss ich es wissen? Reicht es nicht, was du mir schon erzählt hast? Mach ich mich strafbar, wenn ich es weiß?" fragte ich und sah ihn an. „Hmh" machte er und dachte nach „Nein, du musst es nicht wissen. Es reicht, dass du das weißt, was ich dir gesagt hab" Wir saßen einen Moment da und sagten nichts. Die stille war seltsam. „Ein Doppelleben hm?" sagte ich und nippe an meinem Bier. „Hmh" machte er wieder. Jetzt war es seltsam zwischen uns. „Wie sieht das andere Leben denn aus? Hast du hier Frau und Kinder?" fragte ich, um endlich mal auf die frage der Sexualität zu kommen. „Ewiger Junggeselle" sagte er nüchtern. „Also gibt es da keine? In den Medien..." er schnitt mir das Wort ab „Fassade Ian." Sagte er als er mich ansah. Er sah... traurig aus. Wir saßen wieder eine ganze weile so da und schwiegen. Er wirkte nachdenklich. Ich nahm den letzten schluck aus meinem Bier und stellte die Flasche auf den Tisch. Was sollte ich hier? Warum hat er mich hier her gebracht? Und warum war er so anders als vor ein Paar Minuten noch. Ich musste plötzlich an den Moment im Restaurant denken, als wir in der Toilette waren. Mir lief wieder ein kalter Schauer über den Rücken. In dem Moment hatte ich so viel angst vor ihm. Und jetzt? Bemitleidete ich ihn irgendwie. Ich wollte die stille brechen, aber wusste nicht wie. Ich war aber auch nicht hier her gekommen um ihm beim schweigen und grübeln zuzusehen. „Ich sollte gehen" sagte ich und stand auf. 


The Boss - Die etwas andere Gallavich StoryKde žijí příběhy. Začni objevovat