,,Nein, wir haben sie nicht bis zum Hauptquartier der Merry Men verfolgen können. Der Standort ist weiterhin unauffindbar."

Ich verzog genervt den Mund und stand auf, um mir einen Espresso gegen die Enttäuschung zu machen. ,,Schon Neuigkeiten darüber, was sie hier wollten?"

,,Oh, allerdings. Während du von Rubys Lippen geträumt hast, haben deine Jungs das ganze Hotel durchsucht-"

,,Der USB-Stick?", wollte ich sofort wissen.

Minho hielt ihn hoch.
Ich atmete erleichtert ein und ließ gemahlene Kaffeebohnen vom Fuße irgendeines hawaiianischen Vulkans in den Siebträger rieseln.
,,Also sind sie umsonst gekommen.", stellte ich fest.

,,Du warst also gestern nicht mehr in deinem Appartement?", fragte Minho mit einem Lächeln, das kein Lächeln war.
Das hörte sich alarmierend an. Was sollten sie aus meinem Zimmer stehlen können? Meinen Lieblingskulli? Mein Bodyspray? Meine Unterwäsche?
Falls Ruby meine Unterwäsche mitgehen hatte lassen, wäre ich ernsthaft geschmeichelt.

,,Wieso?", hakte ich nach. Und dann fiel es mir ein. ,,Verdammt.", murmelte ich und nahm einen Schluck Kaffee. Der nahm leider nicht die Enttäuschung, wie ich gehofft hatte. Oder die Wut.

,,Jaa... sie haben jetzt die Liste." Minho schnalzte mit der Zunge und malte mit seinem Zeigefinger Kreise auf den Tisch.

,,Und wenn schon.", erwiderte ich, obwohl das für mich keine Und-wenn-schon-Situation war. ,,Sie sind nicht die einzigen, die nach meinen Ex-Häftlingen suchen. Die berüchtigsten Kriminellen der Stadt, des Landes und einige aus dem Ausland haben sich an ihre Fersen geheftet."
Die Merry Men sollten keine Chance haben.
Zumindest war die Chance, die sie hatten, sehr klein.
Nachdem ich hier der Gewinner von unserem kleinen Spielchen war (so als Besitzer des USB-Sticks, als einflussreichster Mann von einem Großtteil des Staates und größter Krimineller der Welt), sollte ich ihnen diesen minimalen Triumph wohl gönnen.

Trotzdem...

Strafe muss sein.

,,Boss, wieso grinst du jetzt wie der Grinch?"

,,Wir werden ihnen einen Denkzettel verpassen." Der nächste Schluck Kaffee schmeckte deutlich besser.

***

,,WAS HABT IHT EUCH DABEI GEDACHT?! IHR KÖNNTET JETZT TOT SEIN, IST EUCH DAS KLAR?", brüllte Janson.

,,WIR HÄTTEN GLÜCK GEHABT, WENN WIR EURE LEICHEN ZU GESICHT BEKOMMEN HÄTTEN!", gab meine Mutter ihren Senf dazu.

,,GAR NICHT AUSZUDENKEN, WAS WIR EUREN FAMILIEN ERZÄHLEN MÜSSTEN!", setzte mein Vater drauf.

Meine Freunde, inklusive Lydia, und ich hielten den Kopf gesenkt und starrten die Zehenspitzen der drei tobenden Autoritätspersonen an. Die Strafpredigt versprach sehr lange zu dauern.

,,WAS SOLL DEINE GROSSMUTTER VON UNS DENKEN, SETH, WENN DU UNTER UNSERER AUFSICHT EINFACH IN DAS ZENTRUM DER  GANGSTERGEMEINSCHAFT SPAZIERST UND NIE WIEDER RAUS KOMMST?!", fiel meiner Mutter noch ein.

,,UND CASSANDRA, WIE LANGE KENNEN UNS DEINE ELTERN SCHON? WIE KÖNNTEN WIR IHNEN DENN GEGENÜBERTRETEN, WENN DU WIEDER IN DIE HÄNDE VON HOCHKRIMINELLEN FÄLLST?!", donnerte mein Vater.

,,UND IST EUCH IN DEN SINN GEKOMMEN, DASS  MAN EUCH HÄTTE FOLTERN KÖNNEN? EUCH JEDE INFORMATION ÜBER DIE MERRY ABNEHMEN UND UNS ALLE DANN DEM ERDBODEN GLEICH MACHEN HÄTTE KÖNNEN?!", kam Janson wieder zu Wort.

criminal manWhere stories live. Discover now