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Harrys POV

Es fängt wieder an. Es fängt wieder alles von vorne an & ich kann nichts dagegen tun.

Jedes mal das Selbe. Wenn ich denke es wird besser, wird es wieder schneller als ich sehen kann schlimmer. Noch schlimmer als es davor war. & jedesmal denke ich, dass nun der Tiefpunkt erreicht ist - dass es schlimmer nicht mehr geht. Aber jedesmal wird es schlimmer!

Ich kann nicht mehr!

Ich will so nicht mehr leben! Was bringt es mir zu leben wenn ich solche Schmerzen habe?! Nichts!

Wieso kann ich nicht wer anderer sein? Jemand ohne Depressionen mit einem schönen fröhlichen Leben.

Jemand wie Louis.

Louis, der jeden Tag wie die Sonne strahlt, den Tag von allen mit seinem Lachen besser macht & immer gute Laune hat.
Ich wäre gerne wie Louis.

Ich bewundere ihn so sehr...

Mama hat mir erlaubt heute von der Schule zuhause zu bleiben. Aber ich weiß schon, dass es nicht nur bei heute bleiben würde. Morgen wird es genauso schlimm sein. & den Tag darauf auch & den darauf, & den danach auch.
Es wird nie besser werden.

Dass sich die Jungs sorgten merkte ich - & das selbst nur über Text. Louis besonders...
Er ließ mich den ganzen Tag über nicht mehr in Ruhe. Louis schrieb mir fast ununterbrochen. Entweder ist es ein „wieso redest du nicht mit mir? oder es war etwas wie „Liam hat mich beim Armdrücken besiegt! Unfair!"
Ich denke er will versuchen mich aufzuheitern - er hat gestern ja mitbekommen, dass es mir nicht gut geht. Aber es bringt nichts. & antworten kann ich ihm auch nicht. Es ist zu anstrengend, zu viel...

Es ist ja auch ganz nett, dass Louis sich anscheinend so um mich sorgte, aber es überfordert mich. Ich will nicht darüber reden.
Dass meine Depressionen wieder schlimmer werden ist schon allein ein harter Schlag für mich. Es aber dann auch noch zuzugeben ist nochmal schlimmer.
Außerdem...vielleicht würde mich Louis garnicht mehr mögen sobald er weiß was wirklich mit mir los ist. & auch wenn wir nicht zusammen sein können, will ich nicht, dass es aufhört. Ich will nicht, dass er jemanden anderen hat - aber gleichzeitig soll er so schnell wie möglich über mich hinwegkommen.

Ich verstehe mich nicht.

„Harry?" Mama klopfte Nachmittags an meine Zimmertür. Ich zuckte leicht erschrocken zusammen. Schnell wischte ich mir mit meiner Decke über die Wangen - sie soll nicht sehen, dass ich schon wieder weine. Mama weiß zwar, dass es zur Zeit wieder schlimm ist, aber nicht wie schlimm es wirklich ist.
„Ja?" ich versuchte meine Stimme so fest wie möglich zu halten. Leider zitterte sie. Hoffentlich hörte sie es nicht.
Ich hörte wie sich die Tür zu meinem Zimmer öffnete. Ich lag in meiner Decke eingemummt mit dem Rücken zur Tür.
Leise spielt Musik von meinem Plattenspieler. Allein die Platte zu wechseln ist heute eine Hürde. Ich schloss kurz die Augen & atmete durch. Ich will Mama nicht schon wieder sagen wie schlecht es mir geht. Aber anlügen möchte ich sie auch nicht mehr.

Ich will einfach verschwinden.
Ich will nicht mehr da sein.

„Wie gehts dir mein Großer?" fragte Mama leise während sie langsam durch mein Zimmer zum Bett ging. Sie setzte sich auf die Bettkante & legte ihre Hand auf meine Schulter. Ich riss mich noch einmal zusammen & drehte mich dann auf den Rücken um sie anzusehen. „Hm..." brummte ich nur leise. Ich blickte sofort wieder weg. Meine Hände spielten mit der Decke. Ich will sie nicht anlügen. „Es geht." meinte ich & hoffte es würde glaubwürdig sein. Meine Stimme zitterte & wahrscheinlich sind meine Augen auch noch glasig & rot vom weinen. Es wäre ein Wunder wenn Mama es mir einfach so abkaufen würde.

Mama schwieg kurz. Ich merkte, dass ihre Augen in meinem Gesicht herumflogen & es skeptisch abscannten.

„Sei ehrlich." meinte sie deswegen. Sie weiß es. Sie weiß, dass ich lüge & dass es mir schlechter geht als ich es zugeben will.
Als ich merkte wie sich meine Augen - erneut - mit Tränen füllten, drehte ich mich wieder auf meine Seite weg von Mama. Ich will nicht, dass sie das sieht.
Schon da rollten mir dicke Tränen die Wangen hinunter. Nicht schluchzen! Nicht schluchzen!

„Hazza." sagte Mama seufzend & zog die Decke etwas runter. Ich konnte sie nicht schnell genug festhalten weswegen sie nun meine Tränen sah. Nein nein nein nein!
„Komm her Hazza. Versteck dich nicht."
Ich schluchzte laut auf bevor ich mich mit meiner letzten Kraft aufrappelte & mich gegen Mama fallen ließ. Sofort legte sie ihre Arme um mich & drückte mich fest. Ich schluchzte laut. Meine Hände krallten sich so sehr an sie, dass es ihr bestimmt schon weh tun muss. Ich kann nicht mehr!

Ich bin so wütend. Wieso kann ich nicht glücklich sein?!
Alles was ich möchte ist, dass es aufhört! Es soll endlich aufhören! Der Schmerz, die Trauer! Es muss aufhören! Ich halte es nicht mehr aus!

„Ich...i-ich kann n-nicht mehr." schluchzte ich atemlos. Ich atmete heftig & schwer. Atmen tut weh. Es ist schwer. Atmen sollte nicht schwer sein...
„Hazza schtt." flüsterte Mama sanft & strich mir über den Rücken. Es bringt aber nichts. Ich kann mich nicht beruhigen. Es tut alles zu sehr weh. Meine Psyche & meine Seele tuen weh. Ich will das nicht mehr fühlen!

„Beruhig dich. Du musst atmen."
Ihre Stimme schien so als wäre sie ganz weit entfernt.
Als wäre ich ganz weit entfernt.
Ich fühle mich nicht mehr echt. So als wäre ich garnicht hier.
Ich bin nur gefangen in meinem Kopf voller Gedanken & Schmerzen. Ich kann mich nicht mehr fühlen. Ich fühle mich nicht mehr wie ich.

„Harry atmen!" Mamas Stimme war so weit weg, dass ich es garnicht richtig fassen kann. Hat sie das wirklich gesagt oder war das nur in meinem Kopf?!

Ich merkte wie ich heftig & lange einatmete.

Aua!

Meine Lunge tut weh. So sehr!
Sogar atmen ist zu schwer für mich. Nicht mal das kann ich...
„Harry!" weit weg hörte ich wie Mama panisch meinen Namen rief. Es kam aber nicht an, sodass ich reagieren konnte. Ich weiß nicht mal ob ich es mir nicht eher einbilde.

„Gemma! Gemma!" Mama schrie. „Das Asthmaspray!"

Ich fühle eine Blockade in meiner Lunge. Es ist als hätte man sie zugeschraubt. Fast so als könnte ich nicht mehr atmen.
Vielleicht sollte ich aufhören. Vielleicht sollte ich aufhören zu Atmen. Vielleicht wäre dann der Schmerz weg.

Es ist so einfach.
Hör einfach auf zu atmen Harry. Einfach aufhören & dann wird alles besser.

Deswegen hörte ich bewusst auf zu atmen.

give me some morphine - LSWhere stories live. Discover now