︶꒦꒷𝕂𝔸ℙ𝕀𝕋𝔼𝕃𝟙𝟞꒷꒦︶

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Am nächsten Morgen aufzuwachen, war ein wundervolles Gefühl. Für den ersten Moment streckte ich mich, spürte die warme Decke auf mir und verwechselte sie mit den Armes meines Bruders. Bis meine Zehen auf das kühle Holz meines Bettendes trafen und ich mit einem Mal stocksteif im Bett saß. Der Geruch von Heimat umhüllte mich noch, aber ich war hier, in einer kalten Steinhütte am Ufer. Am Land. Ich schloss die Augen erneut, ließ mich nach hinten fallen, versuchte, das Gefühl in mir festzuhalten. Ich fühlte mich stark. Energiegeladen ja schon fast. Das Seelenleben der Frau gestern vibrierte noch in mir weiter, in allen von uns. Es beflügelte mich, löste etwas in mir aus. Für einen Moment lechzte ich nach mehr, wollte jagen, wollte rennen. Aber im nächsten Moment hatte ich mich wieder gefangen. Schlurfte in die Küche, wo wie jeden Morgen auch, Sein bereits am Werkeln war. "Morgen", murmelte er. "Morgen, lächelte ich zurück und musterte ihn. Auch er sah wieder lebendiger aus. Vielleicht hatten wir diese Jagd gebraucht, vielleicht waren wir wirklich schon so ausgelaugt gewesen. Die Menschenwelt war eine andere Belastung für uns und somit kein Wunder, dass wir mehr Nahrung brauchten. "Hast du gut geschlafen?", fragte er mich jetzt, durchbrach die Harmonie von dem Klirren des Bestecks. Ich nickte: "Ja, himmlisch... Und du?" "Immer doch, Niamh, immer." Leicht lächelte ich. Es freute mich zu hören, dass es ihm gut ging. Und es war angenehm, etwas positives zu hören morgens und Sein war, auch wenn er vielleicht einschüchternd wirkte, positiv unterwegs. "Bereit für den Tag?", fragte er, während ich das kochende Wasser in die Tasse schüttete. Ich zuckte kurz mit den Schultern, eine Antwort hatte ich nicht. Ich wusste nicht, ob ich bereit für den heutigen Tag war. Auch wenn ich mich wieder ausgeglichener fühlte, wusste ich, dass es eine Challenge sein würde, den Menschen heute in die Augen zu blicken. Für einen Moment war dieser Gedanke so beängstigend, dass ich mich am liebsten in meinem Bett verkrochen hätte, aber ich blieb stark, strich Sein kurz über den Arm und verschwand, noch ehe er mich aufmuntern konnte.

Wie jeden Tag schlüpfte ich in die Schuluniform und wie jeden Tag auch, störte der Stoff auf meiner Haut. Er fühlte sich so anders an als die leichten Klamotten aus Leinen, er war schwer, drückte mich beinahe. Vor allem der Blazer lag schwer auf meinen Schultern, drückte mich hinunter. Heute noch mehr als an anderen Tagen. Und dennoch zog ich alles brav an, strich die Falten glatt und flocht mir meine Haare in einem Zopf nach hinten - wie eben jeden Tag. Normalerweise funktionierte das ja alles automatisch, aber heute war mir jeder einzelne Schritt bewusst. Nicht auffallen, nicht anders sein. Gestern Nacht hatte mir nämlich nur wieder bewusst gemacht, wie anders wir doch wirklich waren. Wo ich in den letzten Wochen gesehen hatte, dass doch Ähnlichkeiten zu den Menschen bestanden, wurden mir hier die Unterschiede wieder klar vor Augen geführt. Wir waren nicht wie sie und sie konnten niemals wie wir sein.

Den ganzen Weg zur Schule schwiegen wir. Roisin hatte heute noch einen Arzttermin und würde später kommen - ausgerechnet heute, wo ich ihre fröhliche Art wirklich gut brauchen konnte. Stattdessen saß ich neben Cecia, denn heute ließen sie zu, dass ich bei ihnen war. Wir brauchten einander noch, gerade jetzt. Brauchten den Halt, die Unterstützung von einander. Ob sich alle genauso fühlten wie ich, konnte ich nicht sagen. Ob alle dieses leichte Stechen im Brustbereich hatten, ob alle zugleich einen noch größeren Hunger verspürten. Diese Zerissenheit, diese Unruhe und zugleich das vibrieren des Seelenlebens, welches noch in uns weiterlebte.

Lange dauerte die Harmonie zwischen uns nicht. In dem Moment, in dem Karis bemerkte, dass Cieran sich ständig umdrehte und uns ansah, verschlechterte sich seine Laune und die ganze Stimmung war zerstört. "Niamh, ich sage es dir, wenn dieser Typ etwas ahnt, dann bist du drann", zischte er mir ins Ohr, zog sich zurück und ließ mich mit meiner Gänsehaut alleine. Ich sah den Dunkelhaarigen direkt an, als er sich das nächste Mal umdrehte und sah auch nicht weg, bis er wieder normal saß. Doch da war etwas in seinen Augen, was ich nicht ganz deuten konnte.

Wir kamen an der Schule an und innerhalb Sekunden verstreuten sich die Schüler. Nur ich blieb zurück und mit mir Cieran. "Was willst du von mir?", fragte ich leise, nicht sonderlich mutig. Aber ich musste einfach wissen, ob er wirklich etwas ahnte. Natürlich, die Legenden um uns waren alt und etwas zerrissen, aber es wurden immer noch Bücher über uns geschrieben, Bilder von uns gezeigt und Geschichten erzählt. Es war nur die Frage, wer heutzutage noch so abergläubisch war, dass man wirklich in Betracht zog, ein Mythos stände vor ihm. Und ich musste herausfinden, inwiefern Cieran von den Legenden wusste. Für einen Moment sah er mich überrascht an, dann legte sich ein leichtes Schmunzeln auf seine Lippen: "Du läufst also nicht mehr vor mir weg?" Ich schüttelte den Kopf, gab ihm keine weitere Antwort. Anscheinend schien ihn das zu verwirren. Oder es war etwas anderes, denn für einen Moment wirkte er verunsichert. Verlegen, beinahe. Er fuhr sich durch die Haare und ich konnte nicht anders, meine Augen folgten fasziniert seinen Fingern, die durch die dunklen Wellen strichen. Ich fragte mich, wie weich seine Haare wohl sein mussten, wie es wohl wäre, wenn meine Finger statt seinen durch strichen. "Du faszinierst mich, wirklich", murmelte er - und brachte mich völlig aus der Fassung. "Du bist anders als die anderen Mädchen hier und das macht dich irgendwie interessant... Und ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass Karis so verdammt beschützerisch ist, was dich angeht oder ob es ist, weil du Arwen einfach so eingefangen hast, aber an dir ist was, was ich nicht so in Worte fassen kann", sagte er ziemlich direkt heraus. "Und eigentlich würde ich dich einfach gerne noch einen Nachmittag auf den Hof einladen?"
Mit großen Augen sah ich ihn an. Der Cieran, der ziemlich wütend war, als ich einen Fuß auf den Hof seines Vaters gesetzt hatte, lud mich jetzt wieder dahin ein? Persönlich? Der Cieran, der sich anfangs komplett mit Karis gegen mich verbündet hatte? Was war hier passiert, was hatte sich geändert?
"Kannst du... kannst du wenigstens was dazu sagen?", fragte er nach einer Zeit, in der ich immer noch nichts gesagt hatte. Ich strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, nickte dann. "Ich werde kommen", murmelte ich. Mit Roisin, aber das musste er ja nicht wissen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte ich mich um und ging davon.

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Den ganzen restlichen Vormittag ließ es mich nicht in Ruhe. Roisin war in der dritten Unterrichtsstunde wieder gekommen und ich brannte darauf, ihr zu erzählen, was wirklich passiert war, aber ich wusste wirklich nicht, wie ich es ihr erzählen sollte. Ich hatte ein klein wenig Angst, dass sie einfach zu schreien begann, wenn ich es so direkt sagte. Die perfekte Überleitung gab sie mir in der Mittagspause, als wir ausnahmsweise einmal an einem Tisch in der Cafeteria saßen - Roisin hatte im Stress ihre Jause Zuhause vergessen und die Teller durfte man nicht außerhalb der Cafeteria haben. Ich fühlte mich unwohl hier drinnen, selbst wenn ich die Wand am Rücken hatte, die mich wenigstens nicht mitten im Raum sitzen ließ. Obwohl dem nicht so der Fall war, hatte ich das Gefühl, von allen angestarrt zu werden - obwohl es eher ich war, die den Menschen zusah. Es war keine besonders große Schule, nicht allzuviele Menschen, aber dennoch so viel mehr, als ich es je gewohnt war. Den Lärmpegel war ich ebenfalls nicht gewohnt. Sie lachten, kreischten, schrien und brüllten sogar umher, als gäbe es keine Regeln, keine Grenzen.
Während ich ganz verloren darin war, alle zu beobachten, machte die Rothaarige an meiner Seite mich auf etwas ganz anderes aufmerksam: "Du... der kann die Augen wirklich nicht von dir nehmen." Sofort schoss mein Kopf in die Höhe und ohne suchen zu müssen fand ich das Gesicht des Jungen, der mich über die ganze Cafeteria hinweg anstarrte. Cieran. "Apropos", murmelte ich, ohne die Augen von ihm zu nehmen, "der hat mich zum Reitstall eingeladen." "WAS?!", Roisin war beinahe aufgesprungen, was wahrscheinlich noch mehr Aufmerksamkeit auf uns gezogen hätte. Es drehten sich ohnehin schon genug Menschen um, was mich beinahe rot werden ließ. Meiner Freundin war das aber komplett egal. "Er hat was getan?!", wiederholte sie leise, sah ungläubig zwischen mir und dem Dunkelhaarigen hin und her. "Mhm, mich zu sich eingeladen. Und ich will, dass du mitkommst. Du bist eh immer auf dem Hof und ich kann da unmöglich alleine hin, Roisin", sagte ich, merkte aber, dass ich nervös wurde. Es war eben doch etwas großes. "Okay, okay, ich gehe. Aber du musst unbedingt zusagen! Oh Gott, euer erstes Date! Eure Kinder werden so schön", sie schlug die Hände zusammen, widmete sich dann wieder ihrem Essen und ließ mich mit dem Wirbelsturm an Gefühlen alleine. War es wirklich ein Date? Oder war es ein Verhör, vor dem ich sofort wegrennen sollte? Doch es hatte einen gewissen Reiz, dass jemand was vielleicht von mir wollte und ich konnte nicht anfers, ich wollte es herausfinden. Ich würde zusagen.

Das Monster in mirWhere stories live. Discover now