Kapitel 18

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Wir sassen nebeneinander und warteten. Michaels Mutter war zurückgekommen. Michael sass zwischen uns und sie hatte sich inzwischen leicht beruhigt. Meine Mom habe ich auch informiert, sie erlaubte mir hier zu bleiben. Stunden vergingen, bis endlich ein Arzt zu und kam. „Frau Clifford?" „Ja das bin ich" Sie stand auf. „Könnte ich sie kurz sprechen?". Sie folgte dem Arzt ein Stücken weit den kahlen Flur runter, wir konnten sie sehen, aber nicht hören, was vermutlich auch das Ziel des Arztes war. Er zögerte, fing aber dann an zu berichten. Michaels Mutter stützte sich an der Wand und brach in Tränen aus. Das war ganz und gar nicht gut. Der Arzt verabschiedete sich von ihr. Langsam kam sie auf uns zu. Michael war schon zu ihr gelaufen, um sie zu stützen. Sie erzählte uns, Michaels Dad sei bei der OP gestorben, die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun. Michael begann zu weinen und auch mir traten die Tränen in die Augen. Wenige Tage zuvor haben wir noch miteinander gesprochen und jetzt würde ich ihn nie mehr sehen. Ich habe ihn nicht wirklich gekannt, aber Michael so zu sehen, machte mich noch trauriger als die ganze Situation.

Michaels Mutter fuhr in ihrem eigenen Wagen nach Hause, nachdem sie sich beruhigt hatte. Ich und Michael gingen auf seinen Wagen zu. „Michael gib mir bitte die Schlüssel, du kannst so nicht fahren" forderte ich ihn auf, aber er wusste selbst, dass es nicht gut enden würde und legte mir die Schlüssel sanft in die Hand. Auf der Fahrt fing Michael an zu weinen, mit meiner freien Hand hielt ich seine, um ihn zu beruhigen. Mir selbst liefen Tränen den Wangen nach herunter, aber ich musste mich auf die Strasse konzentrieren. Ich konnte nicht selbst noch einen Unfall bauen, einer war schon zu viel. Ich stoppte den Wagen in seiner Einfahrt und umarmte ihn. „Kannst du heute Nacht bei mir bleiben?" fragte er, mit noch immer zittriger Stimme. „Ja".

Wir lagen auf Michaels Bett, mein Kopf lag auf seiner Brust und ich schlang meinen linken Arm um ihn. Durch sein Fenster, kam das Licht des Mondscheines. Er hatte aufgehört zu weinen, seine Augen waren geschlossen. Ab und zu kam noch ein leichtes „Nachschluchtzen" von ihm. „Es wird alles gut Michael, hörst du, wir kriegen das hin". Ich wusste nicht, ob er mich noch hören konnte, oder ob er schon eingeschlafen war, aber das spielte keine Rolle, ich spürte weiter seine schweren Atemzüge und seinen zittrigen Körper. „Ich liebe dich" murmelte er, es war fast nicht zu hören, aber ich habe es verstanden. „Ich liebe dich auch".

Montagmorgen. Michaels Wecker klingelte und riss uns beide aus dem Schlaf. Seine Augen waren rot geschwollen und er was viel blasser als sonst. Ob er in seinem Zustand wirklich zur Schule gehen sollte? Doch als ob er auf meine Frage antworten wollte, stand er auf und lief in sein Badezimmer. Währenddessen zog ich mir meine Kleider von gestern an. Danach ging ich die Treppe runter in die Küche, um Frühstück zu machen, er musste definitiv etwas essen. Gerade als ich die fertigen Rühreier mit Speck auf den Tisch stellte, kam Michael. Er setzte sich mir gegenüber an den Tisch und lächelte als kleines Dankeschön.

Bevor wir los fuhren, holte ich meine Schulsachen und deckte meine Augenringe ab. Vor der Schule begrüssten und Luke und Calum aber auch sie merkten schnell, dass irgendetwas nicht stimmte. Als sie Michael danach fragten, füllten sich seine Augen wieder mit Tränen. Es war kaum zu übersehen, wie nahe er seinem Dad gestanden haben muss. Er erzählte ihnen kurz die Geschehnisse von gestern Abend. Sie formten dann daraus eine Art Gruppenumarmung was unglaublich süss aussah. Michael und Calum verschwanden zusammen im Gebäude als es klingelte und so gingen auch Luke und ich in den Unterricht. Der Tag verlief still, es wurde wenig geredet, aber das war in Ordnung so.

Auf dem Weg nach Hause, war es auch still, Michael sah nicht traurig aus, aber er dachte nach. Ich wusste nicht über was genau er nachdachte, aber es schien ihn glücklich zu machen. Wir stoppten nicht in Michaels Einfahrt, sondern, genau an der Stelle, die Michael mir damals unbedingt zeigen wollte. Die ruhige Stelle auf der Klippe. Wir setzten uns weder auf den Baumstamm und sahen der Sonne zu. Michael erzählte mir all die schönen Erlebnisse, die er mit seinem Vater erlebt hat. Nun konnte ich verstehen, wie sehr er ihm von nun an fehlen würde.

Bei Sonnenuntergang kamen wir an Michaels Haus an. Er verabschiedete sich von mir mit einem sanften Kuss auf meine Stirn. „Danke" flüsterte er mir leise zu, bevor er sich umdrehte und sich auf seinen Weg zur Tür begab. Bevor sein Gesicht hinter ihr verschwand, lächelte ich ihn nochmals an.

Photograph (Michael Clifford)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt