Perlenmeer Kapitel 15

Start from the beginning
                                    

Er runzelte die Stirn.

„Warum versteckst du dich dann?“

Okay, ich gab mich geschlagen. Ich liess die Schultern hängen und stellte mich vor Yuri hin. Ich war ihm auf seinem Heimweg ein Stück gefolgt. Nur um... naja... ich hatte ihn eigentlich aufhalten wollen, aber dann war er so still und friedlich vor sich her gegangen, dass ich ihn nicht stören wollte....

Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich finde wir sollten reden.“

Wir gingen nebeneinander her. Wir schwiegen. Er vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen, sein Blick auf seine dunkelblauen Vans gerichtet.

„Hör zu, ich dachte einfach, es sollte eine Meerjungfrau vorbei kommen und uns vor dem Sinken retten?“, probierte ich es erneut und jetzt lachte Yuri.

Mein Gott, sah ich ihn selten lachen.

„Du und eine Meerjungfrau?“, fragte er vorsichtig, hatte ein süffisantes Lächeln auf.

„Ja. Hundert Prozent. Oder hast du mich jemals baden gesehen? Sobald ich nass werde, verwandle ich mich in eine Meerjungfrau“, erwiderte ich ganz ernst, es ergab sich grad so gut. Auch wenn das Gespräch extrem seltsam war, es schien einigermassen normal zu sein... Ich meine, immerhin unterhielt ich mich mit ihm!!

„Das würde ich sehr gerne sehen.“

„Erst musst du -“ mich vor dem Sonnenuntergang küssen, sonst werde ich in Schaum verwandelt. Ich beendete den Satz nicht und errötete. Dachte dabei an das Märchen der Seejungfrau, die sich in einen Prinzen verliebt hatte und sich bei der bösen Hexe Beine gewünscht hatte, um ihn zu treffen. Die böse Hexe gewährte ihr den Wunsch unter der Bedienung, dass sie sich küssen mussten bis zum Sonnenuntergang, sonst würde sie in Schaum verwandelt werden.

Das Ende hatte ich vergessen. Wahrscheinlich hatte ich es verdrängt, weil die Geschichte traurig ausgegangen war...

„Was?“, fragte er jetzt.

„Ach, nichts.“

„Doch. Sag.“

„Nein.“

„Wieso nicht?“

„Es ist etwas Blödes! Lass uns das Thema wechseln.“

Er fragte nicht weiter nach und seufzte. Langsam gingen wir nebeneinander her, auf dem Gehweg. Zusammen.

„An was denkst du?“, fragte ich.

„An dich.“ Er sah mich nicht an. Er trug eine Jeansjacke und sein schwarzes Haar lag ihm tief in der Stirn.

„Yuri. Halt an.“

Er blieb verwundert stehen.

„Ist dir klar, was du da machst?“

Er schüttelte den Kopf und auf einmal ging mir ein Licht auf.

„Du lebst lieber in deinen Träumen.“ Es war kein Vorwurf. Es war eine Feststellung. Aus grauen erbosten Augen sah er mich an, doch er sagte nichts.

„Du lebst deine Wünsche nicht aus. Du lebst mich nicht aus.“

Für einen Aussenstehenden, hätte es sehr seltsam geklungen. Aber wir zwei verstanden uns.

Er wünschte sich seit langer Zeit mit mir zusammen zu sein. Das wusste ich.

Und nur einmal hatte er es versucht Wahrheit werden zu lassen. Bis ihm klar geworden war, dass es doch sehr anstrengend war. Und da hatte er aufgegeben.

„Ich bin kein Träumer“, sagte er grimmig und zog die Augenbrauen zusammen.

„Dann sag mir, dass du mit mir abgeschlossen hast.“ Ich sah ihn an und liess seine Augen nicht meinem Blick entkommen. Gebannt starrte er mich an. Er wollte etwas sagen, doch er tat es nicht.

Ich hob meine Hand und für einen Moment blieb mir das Herz stehen.

Dann fuhr ich fort. Strich mit meinen Fingerkuppeln sachte über seine Wange. Seine Haut war warm und so blass. Ich fuhr ihm mit meiner Hand den Hals entlang und blieb an dem Kreis hängen, fuhr die Konturen vorsichtig nach.

„Ein Universum. Welten, die niemand kennt ausser man selbst. Oder nicht einmal...“ Mein Blick wanderte über seine Lippen, sein Kinn und dann zurück zu seinen Augen.

Ich fühlte mich seltsam.

Nicht ich selbst und doch wohl und sicher.

„Hast du?“

Er schnappte nach Luft und legte seine grosse Hand auf meine.

Ruhig und gelassen sah er mich an. Seine Hand lag noch immer auf der meinen, als ob er sie an seinem Hals festhielt.

„Nein“, gab er zu, sah weg, liess meine Hand trotzdem nicht los.

Ich lächelte.

„Sagst du mir jetzt, was du vorhin verschweigt hast? Bitte!“ Er grinste mich breit an und ich ging einen Schritt zurück.

„Ach komm, findest du es nicht selber raus?“, fragte ich etwas frech zurück und überrascht sah er mich an.

„Ich muss es also selber raus finden?“

„Ja. Und dann musst du es tun.“

„Hä? Was?“

„Na das, was du raus gefunden hast...“ Ich strahlte.

„Na schön!“

„Abgemacht.“

PerlenmeerWhere stories live. Discover now