9. Kapitel ~Notlügen~ ✔

412 50 22
                                    

Bild: We heart it Aiko_Ai

Lied: Everybody Lies - Jason Walker

*FLASHBACK*

Nachdem die Wörter meinen Mund verlassen, scheint die Realität wie eine Welle über mich hereinzubrechen. Mit einem Schlag erwache ich aus meinem Trancezustand und halte mir die Hand vor den Mund, um einen lauten Schluchzer zu unterdrücken. Mrs. Borrows richtet ihre Augen auf einen Punkt hinter mir und hebt ihre Hand. ,,Maurice! Bleibst du bitte bei Mia? Lass sie bloß nicht allein!", höre ich sie mit zittrigem Unterton in ihrer Stimme sagen.

,,Mia ich bin sofort wieder da. Versprochen. Geh dir erstmal deine Hände waschen." Ein schwaches Lächeln umspielt ihre Lippen, das ihr sichtlich alles an Beherrschung abverlangt. Ihr Blick sagt mir etwas komplett anderes. Darin spiegelt sich die blanke Angst wieder. Die Angst vor dem, was sie auf dem Parkplatz erwarten wird.

Bittere Galle steigt in mir auf und auch wenn ich mir sicher bin, dass sich absolut nichts mehr in meinem Magen befinden kann, stürme ich ohne Vorwarnung an meiner Lehrerin vorbei auf die Toiletten. Gerade noch so schaffe ich es, bevor ich mich über der Kloschüssel übergebe.

Nein. David ist nicht tot. Er darf es nicht sein. Während ich mir dieser Tatsache unweigerlich bewusst werde, betätige ich die Spülung und trete an das Wachbecken heran, um mir das schon leicht angetrocknete Blut an meinen Händen abzuwaschen.

Als ich in den Spiegel vor mir schaue, blicke ich in ein mir völlig fremdes Gesicht. Die Haut hat an jeglicher Farbe verloren. Die Haare stehen in alle Himmelsrichtungen ab. Der Mascara durch die Tränen verschmiert. Die Augen völlig rot und verheult. Bin das wirklich ich? Ist das tatsächlich die einst noch glückliche und über beide Ohren verliebte Mia?

Mein Körper verkrampft sich. Auf meinem roten Sommerkleid, das ich mir extra für unsere College-Party gekauft habe, sind die dunklen Blutflecken fast kaum zu erkennen. Doch ich sehe sie genau. ,,Hey, geht es etwas?". Dieser Maurice taucht neben mir auf und reicht mir ein paar Papiertücher. Ist das sein scheiß Ernst? Am liebsten würde ich ihn für diese dumme und unüberlegte Frage anschreien. Meine ganze Wut und Trauer an ihm auslassen.

Blöderweise scheint mein Verstand in der Hinsicht noch zu funktionieren. Er will mir schließlich nur helfen. Mein Kopf schnellt in seine Richtung. Wortlos reiße ich ihm die Tücher aus den Händen und stürme an ihm vorbei nach draußen. Ich muss zu David. Er braucht mich doch.

Mit wackligen Schritten haste ich die vertrauten Flure meines Colleges entlang, was mir gerade in diesem Moment mehr als fremd vorkommt. Jeder Winkel ist mit Erinnerungen verbunden. Einige schön, die anderen eher weniger.

Ruckartig reiße ich die Eingangstür auf und renne Richtung Parkplatz. Vorbei an den vielen Augen, die mich allesamt mitleidig ansehen. Als ob sie wüssten, wer ich bin. Als ob sie mich kennen würden. Einige sind mit Tränen gefüllt, in den anderen steht der Schock geschrieben.

Völlig neben der Spur ignoriere ich sie. Die Schreie, das Heulen der Sirenen und meinen eigenen, lauten Herzschlag, der nur dumpf in meinen Ohren pulsiert. Selbst die Rufe einer mir nur allzu vertrauten Person, die mich auffordert stehen zu bleiben, blende ich aus. In weniger als einer Minute ist meine ganze Welt in sich zusammengebrochen.

Getrieben von nur einem Ziel stürze ich in die Richtung, aus der ich gekommen bin. Ich will Rache. Rache für denjenigen, der dafür verantwortlich ist, dass mein Leben nie wieder so sein wird, wie es einmal war;

Vollkommen.



,,Mia?", allmählich kehre ich ins hier und jetzt zurück. Mit zusammengezogenen Augenbrauen blinzele ich ein paar Mal und stelle fest, dass ich auf dem Boden liege. Über mich gebeugt Tim, der sich erleichtert durch seine braunen Haare fährt. ,,Gott sei Dank, dir geht es gut", höre ich ihn aufgeregt sagen, doch ich kann nicht anders, als ihn anzusehen.

Soulpath - forever yours [LAUFEND]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt