1.Kapitel ~Schlechte Nachrichten~ ✔️

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Lied •Ruby Blue - Sleeping at last•

Das erste, was mir in die Nase steigt, ist der beißende Geruch nach Desinfektionsmittel, als ich langsam meine Augen öffne. Kurz umhüllt mich gleizendes Licht, bis ich mich schließlich an die Helligkeit gewöhne und die Bilder vor mir allmählich klarer werden.

,,Mmh. Mein Kopf", krächze ich und spüre sofort die warme Hand meiner Mutter an meiner Stirn. ,,Psscht, alles ist gut Mia", sagt sie müde und haucht mir einen Kuss auf die Wange. Ich versuche es erst gar nicht, mich aufzurichten. Vermutlich würde mir dann nur schlecht werden. Statt dessen schaue ich in das blasse Gesicht meiner Mom, die schnell den Blick senkt.

Sie hat geweint.

,,Wo ist Dad?", frage ich heiser und lecke mir einmal über die aufgesprungenen Lippen. Nicht nur mein Gehirn fühlt sich so an, als ob es gleich explodiert. Unterhalb der Brust nimmt mir ein stechender Schmerz beinahe die Luft zum Atmen. Gequält verziehe ich das Gesicht, dabei versucht, nicht laut aufzustöhnen.

Kaum merklich atmet meine Mutter ein, schließt die Augen für eine Weile und legt dann ein Lächeln auf. Es ist falsch. Da brauche ich sie nicht noch ein weiteres mal anzusehen, um das zu erkennen. ,,Dein Vater kommt gleich. Er holt mit Adam nur etwas zu trinken." Ich erwidere darauf nichts. Was soll ich schon sagen?

,,Leya hat erzählt, was passiert ist. Ein Glück, war es ein Unfall und keine Ab-"

,,Hör auf!", unterbreche ich meine Mom und balle meine Hände zu Fäusten. ,,Willst du wirklich wieder davon anfangen? Mir geht es gut. Wie oft soll ich das denn noch sagen?!", schreie ich beinahe, während die Tür vorsichtig geöffnet wird. Ein großer, schlaksiger Mann betritt den Raum. An seinem weißen Kittel hängt ein kleines Schildchen, doch auch bei genauerem hinsehen, kann ich den Namen darauf nicht erkennen.

,,Guten Tag Ms. Green. Schön, dass Sie wieder wach sind. Ich bin Ihr behandelnder Arzt Dr. Ira. Wie fühlen Sie sich?". Er stellt sich neben mein Bett und streckt mir seine Hand entgegen, die ich nach kurzem Zögern schüttele.

,,Bis auf die unerträglichen Kopfschmerzen gut. Danke der Nachfrage", antworte ich unhöflicher als erwartet und ernte dafür von der Seite einen bitterbösen Blick meiner Mutter. Der Arzt grinst nur leicht. ,,Dagegen werden wir Ihnen Medikamente mitgeben. Sie haben sich bei dem Aufprall auf die Windschutzscheibe des Autos eine starke Gehirnerschütterung zugezogen und zusätzlich zwei Rippen angebrochen. Vorerst verschreibe ich Ihnen absolute Bettruhe und auch für mehrere Wochen dürfen Sie keinen Sport machen."

Genervt verdrehe ich die Augen. Keinen Sport? Ich brauche das aber! Wie soll ich denn sonst meinen Frust abbauen? Mit zusammengebissenen Zähnen nicke ich dem Doktor zu, der daraufhin meiner Mutter einen merkwürdigen Blick zuwirft. Zunächst kann ich ihn nicht deuten, aber ich bin mir sicher, dass da noch etwas anderes ist, was mir zum jetzigen Zeitpunkt verschwiegen wird.

,,Gut. Falls Sie Fragen haben, bin ich jeder Zeit für Sie da." Seine Miene verdüstert sich kaum merklich. Entweder hat mein Urteilsvermögen unter diesem Unfall gelitten, oder der Typ sieht mich gerade ernsthaft mitleidig an. Ich habe nur eine Gehirnerschütterung und zwei angebrochene Rippen, kein Grund gleich los zu heulen.

,,MIAAA!!", kreischt mein kleiner Bruder Adam in dem Moment und kommt freudestrahlend auf mich zugestürmt. Mit einem Satz landet er auf der Bettkante und nimmt mich in den Arm. Auch wenn dabei meine Rippen schmerzen, erwidere ich seine Umarmung. Er ist schließlich mein kleiner Engel.

Mit einem Lächeln wuschele ich ihm durch die dichten schwarzen Haare, die er von meinem Vater geerbt hat. ,,Hey Adam! Sag mal, bist du wieder ein Stück gewachsen?", lache ich scherzeshalber und bleibe mit dem Blick an meinem Dad hängen. Sein Gesichtsausdruck lässt mir beinahe mein Herz in die Hose rutschen. Der Doktor geht mit einem Schulertklopfen an ihm vorbei und schließt dann die Tür hinter sich.

Mit ihm, scheint auch die einigermaßen entspannte Atmosphäre zu gehen. Wie hypnotisiert lasse ich meinen Bruder los, der sich verwundert umsieht. ,,Ok, ist jemand gestorben, oder warum schaut ihr mich so komisch an?", platzt es aus mir heraus. Meine Mutter zuckt bei diesen Worten zusammen und auch mein sonst so unnahbarer Vater ringt nach Luft.

,,Komm Adam, wir holen dir und deiner Schwester ein Eis? Wie klingt das?". Verwirrt sieht Adam mich an. Scheinbar bin ich nicht die einzige, die der jetzigen Situation nicht ganz folgen kann. ,,Oh ja. Du willst bestimmt einen Erdbeerbecher, oder?", fragt er mich nach anfänglichem Zögern und richtet sich auf.

,,Du kennst mich einfach zu gut", entgegne ich mit einem breiten Grinsen. Er rennt schnurstracks zur Tür, gefolgt von Mom, die mir nicht einmal in die Augen sehen kann. Nach nur wenigen Sekunden, sind die beiden verschwunden. Ich kann nicht genau erklären, was gerade in mir vor geht, denn so langsam habe ich das Gefühl, dass mit mir etwas nicht stimmt.

Klar, ich bin seit Davids' Tod nicht mehr dieselbe, aber damit wird es wohl kaum etwas zu tun haben.

Mit langsamen Schritten kommt mein Vater auf mich zu. Den Kopf gesenkt. Die Schultern hängen schlaff runter und auch in seinem sonst so peschwarzen Haaren, zeichnen sich gefühlt mehr graue Haare ab, als zuvor. Kurz hält er in seiner Bewegung inne, ehe er sich mit einem Seufzen auf meine Bettkante setzt.

Mein Herz schlägt derweil immer schneller gegen meinen Brustkorb. So aufgelöst habe ich ihn selten erlebt. ,,Dad?", hauche ich mit zittriger Stimme, während er nach meiner Hand greift und kurz aus dem Fenster schaut.

,,Du machst mir Angst.. was ist los?".
Er schließt für einen Moment die Augen, um mich dann eindringlich anzusehen. Ich mustere die eisblaue Farbe seiner Iris, die an manchen Stellen dunkle Sprenkel aufweist. Um die Nase herum ist er blass.

,,Mia... Es gibt da etwas, das du wissen solltest. Als die Ärzte deinen Körper auf innere Verletzungen untersucht haben, wurde auch dein Gehirn genauestens unter die Lupe genommen und-" , er stockt kurz. In seinen Augenwinkeln sammeln sich Tränen und genau jetzt, habe ich Todesangst. Mein Puls schießt in die Höhe.

,,Mia, es ist noch nicht eindeutig festgestellt worden, aber mit großer Wahrscheinlichkeit hast du einen Hirntumor." Mein Herz hört für einen Augenblick auf zu schlagen. Die Worte meines Vaters hallen auch Sekunden nachdem er sie ausgesprochen hat, durch meine Ohren. Eine einzelne Träne rinnt ihm leise über die Wange und bereits zum zweiten Mal in meinem Leben, sehe ich meinen Vater weinen...

Soulpath - forever yours [LAUFEND]Where stories live. Discover now