2. Kapitel ~Schockstarre~ ✔️

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Lied •Flashlight - Jessie J•

*FLASHBACK*

Völlig erschöpft renne ich den langen Korridor unseres Colleges entlang. Wo sind diese verdammten Lehrer, wenn man sie mal braucht?! Meine Beine zittern und ich bekomme kaum noch Luft. In einem erstickten Schrei bringe ich noch ein leises ,,Hilfe'' hervor, ehe mir schlecht wird und ich mich mitten in den Flur übergebe. ,,Mia!'', höre ich jemanden nach mir rufen. Dem Klang nach zu Urteilen, ist es meine Mathelehrerin Mrs. Burrows.

,,Was ist denn mit dir passiert?!", fragt sie mich völlig entsetzt, während ich mich aufrichte und leicht auf sie zu taumele . ,,Mrs. Burrows...'', schluchze ich und starre auf meine blutverschmierten Hände.

Ich zucke kurz zusammen bei dem Gedanken an den schlimmsten Tag in meinem Leben. Wochen, nachdem der Unfall geschah, schwirrten mir immer wieder die selben Bilder durch den Kopf. Jeder Schritt, den ich durch unser Schulgebäude gemacht habe, brannte sich in mein Hirn, jedoch verdrängte ich das meiste davon über die Monate.

Scheinbar bringt mich mein bevorstehender Tod wieder näher zu David. ,,Ist alles in Ordnung?", fragt mein Vater von der Seite und schaut kurz zu mir.

,,Alles gut. Guck auf die Straße, oder willst du noch einen Unfall bauen?", entgegne ich kühler als gedacht und beiße mir auf die Unterlippe. Meine Eltern hatten es in der ganzen Zeit nicht leicht mit mir. Ich hatte unzählige Termine bei einem Psychologen zu dem ich jedoch irgendwann nicht mehr hingegangen bin.

Ich funktionierte wieder. Nicht richtig, aber es klappte.

,,Wenn du darüber reden möchtest... du weißt, dass ich immer für dich da bin", höre ich die beruhigende Stimme meines Dads' flüstern und schlucke den dicken Kloß in meinem Hals runter. Nur schwer kann ich die herannahenden Tränen unterdrücken.

,,Ich weiß..", sage ich schwach und schenke ihm ein kleines Lächeln. Nachdem ich heute das Krankenhaus verlassen durfte, traf ich nicht nur eine voreilige Entscheidung, sondern tat auch einen Schritt, der mir mehr Zeit raubt, als ich gerne hätte.

Als ich ohnehin noch habe.

Meine Mutter weiß nichts davon, aber ich weiß jetzt schon, dass sie die Kluft zwischen uns beiden nur noch tiefer macht, wenn sie uns nicht sogar vollends entzweit.

,,Du kannst es doch nachvollziehen oder? Bitte sag mir, dass du es kannst", flehe ich meinen Vater an und bemerke, wie er einmal tief ein und aus atmet.

,,Ich kann es nicht, ich muss es. Du bist alt genug, um deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Und ich werde mit deiner Mutter in Ruhe darüber reden. Das verspreche ich dir."
Kurz öffne ich meine Lippen, nur um sie direkt wieder zu schließen.

Hierfür fehlen mir die Worte. Niemand hätte hierfür die passenden Worte. Ich habe mich gegen eine Chemo entschieden, um die letzten Monate meines Lebens so angenehm wie möglich zu gestalten. Es mag selbstsüchtig klingen, aber warum soll ich mich einer schmerzhaften und alles in mir zerstörenden Prozedur unterziehen, die mir mit Glück ein paar Monate mehr zum Leben gibt?

Warum? Warum sollte ich?

Es ist mein Körper. Mein Leben. Und das will ich die letzten Monate genießen. In vollen Zügen. Dinge tun, die ich noch nie gemacht habe. Richtige und auch falsche Entscheidungen treffen. Ich weiß nicht, ob das hier die falsche war, aber für mich erscheint es mir gerade jetzt mehr als richtig.

Soulpath - forever yours [LAUFEND]Donde viven las historias. Descúbrelo ahora