29. Richtig - auch falsche Dinge

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☀️

»Itachi?«

Sie spricht seinen Namen aus, als hätte er für sie nie an Bedeutung gehabt. Dabei war sie doch stets diejenige, die ihn so sehr liebte. War bloß irgendwie der falsche Weg.

»Ich wollte meine Sachen holen«, antwortet er ganz nüchtern.

Kurz blinzelt Izumi mehrmals, während sie die Lage zu verstehen versucht.

»Oh. Na klar.«

Die Dame schiebt ein brüchiges Lächeln hinterher, ehe sie ihn mit einer freundlichen Handgeste ins Haus bittet.

Das Haus wirkt schon direkt im Flur kahler und leerer als sonst.

»Ich habe deine restlichen Sachen in einen Karton gepackt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du sie wirklich abholen kommen würdest.«

Beide laufen den langen Flur entlang. Alle Bilder fehlen an der Wand und auch die Bücher im Regal nahmen offensichtlich rasant ab.

Beim letzten Mal strahlte das Haus noch etwas Wärme aus. Etwas Herzliches, das es zu einem Zuhause machte.

Aber vielleicht war Itachi derjenige, der Farbe in ihr Leben brachte.

»Hier«, meint Izumi munter und deutet auf einen Pappkarton, der häufig für Umzüge genutzt wird.

Itachi greift nach der Kiste und erblickt den Inhalt.

Fotos, Briefe, Kerzen, ein Shirt und eine Muschel.

Sie kratze tatsächlich jeden noch so kleinsten Gegenstand aus dem Gebäude, das mit ihm verbunden werden konnte.

»Warum tatest du das?«

Er erhebt sich und sieht ihr direkt in ihre Bambiaugen.

»Du hättest sicherlich etwas vergessen. Das wollte ich nicht, ich wollte ...«

»Izumi«, sagt Itachi auffordern.

Sie rangelt nach Sauerstoff. Plötzlich wird ihr ganz warm am ganzen Körper. Hochrot steht sie mit rotem Lippenstift vor ihm. In einfacher Kleidung.

Erst jetzt fällt dem Jungen auf, wie sie eigentlich aussieht. Dass sie nicht wie immer strahlt und glänzt, einen auf ›perfekte Schwiegertochter‹ macht.

Dass sie einfach ein bisschen traurig ausschaut.

»Ich wollte besser mit dir abschließen können.«

Wider Erwartung klingt seine Ex traurig. Als würden ihr jeden Moment die Tränen aus den Augen brechen, welche das Mädchen zurückdrängt.

»Weißt du, alle schwärmten, wie schön eure Hochzeit war. Ihr seid jetzt Gesprächsthema Nummer eins, weil ihr euch nicht nur geoutet, sondern auch geheiratet habt. Das ...«

Für einen Bruchteil einer Minute wird es still im Raum. Itachi richtet die Kiste erneut, weil sie langsam schwer wird.

Wie den Schmerz, den sie nun in ihrem Herzen trägt.

Klar, sie tat nicht das Richtige. Aber nur weil man nicht das Richtige in den Augen anderer tat, bedeutet das doch nicht gleich, dass man ein Unmensch sei, dass man nicht für Gefühle in der Lage sei.

Auch Izumi hat Gefühle. Vielleicht waren nicht alle ihrer Aktionen berechtigt, doch nun hat sie auch ihr Päckchen auf dem Herzen zu tragen.

Liebeskummer.

»Das tat weh.«

Ihre braunen Augen gleiten zu.

»Aber du bist glücklich. Itachi, wie du gestern strahltest, bewies mir wirklich, dass du dich bei ihm frei fühlst.«

Itachi denkt nach. Grübelt, bis er eines tut, das vielleicht nicht ganz so schlau ist, wie Leute sagen würden, aber es fühlt sich richtig an.

Er stellt den Karton auf den Boden und nimmt Izumi in die Arme.

Eine mutige Geste. Etwas, das bei ihm viel bedeutet.

Seine Wärme fließt auf ihre kalte Haut, stellt die Härchen auf und bereitet ihr Gänsehaut. Izumi reißt ihre Augen ganz weit auf, bevor sie diese zusammenkneift, als ihr einsame Tränen über das Gesicht laufen.

Ihre Arme gleiten um seinen Rücken. Beide fest umschlungen, weil es sich richtig anfühlt. Einmal.

Der Dame ist bewusst, dass sie ihn gerade zum ersten Mal so richtig hält. Dass es das letzte Mal sein wird.

Tut weh, wenn die Wärme von deiner großen Liebe auf dich überfließt, obwohl du ganz genau weißt, dass das Herz unter dessen linken Brust nicht für dich schlägt.

Dann lässt Itachi los.

»Vielleicht tatest du nicht immer das Richtige, doch ich weiß, dass ich von mir behaupten kann, dass ich es versuchte.«

In seinem Blick liegt etwas verborgen, was keiner so wirklich deuten kann. Ist es Mitleid? Schmerz? Rache?

»Vielleicht fühlte es sich nur nicht richtig an, weil wir falsch waren«, gesteht Izumi.

»Am Ende des Tages tut jeder Liebeskummer weh.«

»Ich weiß.«

»Es geht vorbei.«

»Ich weiß«, flüstert Izumi gebrochen leise.

Sie leckt sich die salzigen Tränen von der Lippe, den Rest wischt sie mit dem Ärmel weg.

»Dann werde ich jetzt gehen.«

Sie nickt.

Erneut schnappt sich Itachi die Kiste mit seinem Gerümpel, das nichts weiter als bloße Erinnerungen wiederspiegelt.

Mit friedlichen Schritten geht er zur Eingangstür. Er fühlt sich gut. Die Situation traf ihn nicht ganz, wie sie dachte.

Also schließt er die Tür und das Kapitel mit ihr hinter sich.

Es war nur ein Kapitel ihrer Leben. Ob sie dieses wollen oder nicht.

Niemals wollte Itachi ihr auf diese Weise wehtun. Jedoch kann er nichts dafür, wenn ihr Herz nach ihm schreit, seins aber nur einen Namen kennt.

Shisui. Shisui. Shisui. Shisui. Shisui. Shisui.

Alle beschweren sich über Liebeskummer. Über den Schmerz, den nicht mal eine Schmerztablette ordentlich wegbekommt.

Aber was ist mit den anderen?

Klebte an dir schon mal ein Herz, das du gar nicht wolltest?

Unerwiderte Liebe tut weh. Sicher.

Trotzdem war Itachis Hobby niemals, Herzen zu brechen.

Ihm gehörte das Herz dieser Dame, allerdings wollte er es nicht. Wollte nicht derjenige sein, dem sie all ihre Liebe schenkt.

Und wer weiß. Vielleicht braucht sie bloß etwas Zeit, um ihre Fehler zu verstehen. Den richtigen Weg einzuschlagen.

Alles wird gut werden.

Und vielleicht tut es jetzt etwas weh. Vielleicht morgen auch noch. Aber irgendwann nicht mehr. Irgendwann wird all der Schmerz vorbei sein.

In jener Zukunft gewöhnt sie sich an den Schmerz, bis er nicht mehr wehtut. Man gewöhnt sich immer an alles.

Vielleicht wird sie immer noch an ihn denken, Weiterhin von ihm träumen, mit der Bedeutung, sie fühle sich einsam, auch wenn sie dies gar nicht denkt.

Aber irgendwann schließt sich jede Tür.
Jede offene Wunde.

Irgendwie heilt alles irgendwann.

Irgendwie wird auch etwas wie Liebeskummer irgendwann belanglos.

Dann wird sie wieder strahlen, glücklich durchs Leben hüpfen, sich Sonnenuntergänge anschauen, sich neu verlieben und endlich den Richtigen finden.

Auch wenn dieser nicht der Junge ist, den sie sich so sehr wünscht.

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1008 Wörter
~L

Sunset Where stories live. Discover now