„Sie bedauern doch auch, was geschehen ist, Mr. Lockwood. Das sehe ich doch. Wollen Sie das alles nicht hinter sich lassen? Sie haben das nicht wirklich gewollt. Die Wut hat Sie blind gemacht und Dinge tun lassen, die Sie selbst zutiefst verabscheuen. Lassen Sie uns Ihnen helfen. Geben Sie sich die Chance, zu trauern. Verdrängung gehört zur Trauer dazu, aber es sollte nicht dabei bleiben, verstehen Sie? Sie müssen einen Schritt weitergehen und Ihre Wut überwinden. Denken Sie an Joy, Mr. Lockwood. Was würde sie zu alldem sagen?"

„Lassen Sie Joy da raus!", fauchte Lockwood und Hansson wich erschrocken einige Zentimeter mit dem Kopf zurück. Natürlich war Joy Lockwoods wunder Punkt, das musste Hansson eigentlich nicht wundern.

„Sie wissen doch ganz genau, dass Joy es hassen würde, was Sie gerade tun", entgegnete Hansson provokativ.

„Sie haben keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Hansson. Ich habe mich schon ausführlich mit Ihrem Kollegen Mills darüber unterhalten und habe keine Lust, mich wiederholen zu müssen. Fragen Sie ihn, wenn Sie ihn wiedersehen."

Hansson wusste einfach nicht weiter. Mehr und mehr musste er seine aufsteigende Wut unterdrücken. Wie konnte er Lockwood nur zur Vernunft bringen? Verzweifelt rieb er sich die Stirn und sah Lockwood eine ganze Weile lang nur an. Die Platzwunde auf seiner Stirn, die aufgeschlagenen Fingerknöchel, die geschwollenen Finger. Alles Zeichen seiner Trauer und Wut. Hansson versuchte wirklich, Mitgefühl für diesen Mann zu empfinden, aber er machte es ihm im Moment sehr schwer. Hansson stöhnte. Es musste doch irgendwie möglich sein, Lockwood aus diesem Abgrund herauszuholen. Aber wie?

„Mr. Lockwood, wir wollen Ihnen wirklich helfen. Aber Sie müssen sich auch helfen lassen", presste Hansson bemüht hervor.

„Ich brauche aber keine Hilfe", pflaumte Lockwood zurück. „Ich komme schon klar. Lassen Sie mich einfach gehen und ich beweise es Ihnen."

Hansson ballte seine Hände unter dem Tisch zu Fäusten.

„Das können wir aber nicht tun und das wissen Sie ganz genau! Sie haben versucht, mich zu töten, verdammt. Warum haben Sie das getan? Lebt Bryan überhaupt noch? Oder haben Sie den umgebracht, bevor Sie zu mir aufgebrochen sind? Haben Sie einen Beweis dafür, dass er noch am Leben ist?"

Hansson konnte einfach nicht mehr an sich halten. Lockwood brachte ihn zur Weißglut und so langsam war Hanssons Geduld am Ende. Es war mitten in der Nacht und er war völlig übermüdet. Er wollte nur noch Bryan befreien und dann ins Bett.

„Detective Hansson!", fuhr Cardwell ihn von der Seite an.

„Ist doch wahr!", gab Hansson zurück. „Er will, dass wir ihn gehen lassen, weil er uns sonst nicht verrät, wo Bryan ist. Aber wer garantiert uns denn, dass Bryan noch am Leben ist? Lockwood wollte mich heute Nacht schon zweimal umbringen. Wer sagt denn, dass er sich seiner Geisel nicht auch entledigt hat, bevor er zu mir gekommen ist? Wieso sollte er Bryan am Leben lassen?"

„Ich habe Mills nicht getötet", schaltete sich Lockwood wieder ein und die widerliche Ruhe, mit der er das sagte, prallte gegen die aufbrausende Wut, die Hanssons Seele aufwühlte. „Wie ich gesagt habe, er war stets nur Mittel zum Zweck. Er hat seinen Zweck erfüllt, nun kann er wieder gehen. Mills lebt noch, Detective, das versichere ich Ihnen."

„Und können Sie es beweisen?" Hansson hatte Schwierigkeiten, die Verzweiflung der letzten Tage, die sich gerade Bahn brechen wollte, in Schach zu halten.

„Sie müssen mir wohl vertrauen", antwortete Lockwood mit überraschend warmer Stimme. „Wieso sollte ich mich meines Druckmittels entledigen, solange es mir noch von Nutzen sein könnte? So wie jetzt? Mills lebt, Detective. Er schläft. Er wartet nur darauf, dass Sie ihn befreien."

Im Strudel der Zeit - Auf Leben und TodWhere stories live. Discover now