Missing Part

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Wie erwartet hat Atkinson die Warnung verstanden. Gebeutelt durch meinen koordinierten Angriff ist er untergetaucht - manche behaupten sogar er habe die Stadt verlassen. Ich schätze er weiß das er nicht weiter zwischen die Fronten geraten sollte, sollte ihm etwas an seinem Leben liegen.

Sanchez hingegen lässt sich Zeit anzugreifen. Ich rechne jeden Tag damit, seit Wochen. Dort, wo ich ihn vermutet habe ist er nicht, was nur bedeuten kann das er ebenfalls untergetaucht ist - allerdings bedeutet das auch das er sich bereit macht - womöglich.

Was mich selbst betrifft so habe ich meine Schwierigkeiten. Die Tage sind lang, die Nächte ebenso und auch wenn mein Tagesablauf stets prall gefüllt ist, kann ich nicht vermeiden an Aurora zu denken. Ich weiß nicht wo sie ist, was sie tut - aber ich weiß das es ihr gut gehen wird. "Ezio?" höre ich Casio's Stimme hinter mir und drehe mich zu ihm um. Ich habe nicht bemerkt das er das Haus betreten hat. "Du wirkst abgelenkt. Ist etwas?"

Während er seinen Monolog durchzieht - ungeachtet ob ich auch wirklich zuhöre oder nicht - schweifen meine Gedanken immer wieder ab. Dieser Zustand nervt mich selbst so sehr, daß ich etwas dagegen unternehmen muss, ehe es mich vollends herunter zieht.  "Casio." unterbreche ich ihn harsch um mein Anliegen vorzutragen. "Ich will heute Abend ausgehen. Sieh zu das es genügend Männer auf dem Gelände gibt - ich gehe alleine."

"Alleine? Jetzt? Bist du bescheuert? Du willst jetzt - während wir hier mitten im Krieg sind - Party machen gehen?"

Er versteht es nicht, aber das ist egal. Ich muss mich darum kümmern einen freien Kopf zu bekommen, denn nur so gewinnen wir am Ende gegen Sanchez. "Keine Party. Nur etwas um den Kopf mal kurz frei zu bekommen. Den Fokus neu auszurichten, wenn du verstehst." gebe ich zurück. Zum Glück ist Casio nicht nur ein absolutes Genie in unseren Kreisen sondern in allererster Linie auch ein Mann, der die Bedürfnisse anderer Männer versteht. Wenn er denkt dass all das mit Aurora zusammen hängt sagt er es jedenfalls nicht. "Wir können auch ein paar Mädchen buchen und hierher kommen lassen." gibt er zu bedenken, was ich sofort abwiegele. "Nein. Ich will keine Frauen mehr auf dem Gelände und schon gar nicht in diesem Haus."

Damit ist die Diskussion beendet und ich drehe mich wieder herum, schaue aus dem Fenster.

Spät am Abend bin ich bereit los zu ziehen. Komplett in schwarz gehüllt - mit einem Hemd das an den oberen Knöpfen offen ist - mache ich mich daran für Ablenkung zu sorgen, wenn auch nur für eine Nacht. Irgendwie bilde ich mir ein, daß genau das alle Probleme die ich neben Sanchez habe lösen wird - auch wenn ich es besser wissen müsste. Casio lässt mich nur ungern allein ziehen, kümmert sich aber während meiner Abwesenheit um unser Revier.

Der nächstbeste Club ist gerade gut genug und ich schlendere hindurch. Die Massen an Frauen die sich auf den Tanzflächen bewegen sind schier endlos und alle haben an diesem Abend offenbar nur ein Ziel - einen Mann um den Verstand zu bringen in ihren kurzen Röcken und mit ihren anrüchigen Blicken. Eine nach der anderen wird genau unter die Lupe genommen, bis ich eine finde die gewissermaßen in mein Beuteschema passt. Wie sie heißt oder woher sie kommt ist mir egal und ich habe auch nicht vor es herauszufinden.

Nach der schnellen aber harten Nummer löse ich meinen Gürtel von ihren Handgelenken und verschließe meine Hose. Anders als gedacht hat sich das hier nicht wie Erlösung angefühlt und meine Laune ist auch nicht besser, trotzdem ringe ich mir ein leichtes Lächeln ab. "Ich muss los." murre ich und will mich auf dem Weg machen die Damentoilette zu verlassen, öffne die Tür und trete zurück in den Club. Noch immer wird hier gefeiert und getanzt, niemand hat etwas von den Spielchen auf der Toilette mitbekommen. Die Frau selbst kommt kurz nach mir heraus, glättet ihr Haar noch einmal und verschwindet dann in der Menge. "Ich hätte dir mehr Stil zugetraut, aber... Naja im Grunde bist du auch nur ein Mann. Getrieben von deinen Gelüsten." höre ich eine Stimme sagen - dicht neben mir. Ich weiß wer es ist...

Sanchez bewegt sich elegant und sicher, hebt das Glas in seiner Hand an und prostet mir zu. Ihn direkt vor mir zu haben, dabei zu beobachten wie er die ahnungslosen Frauen betrachtet als würde er ein neues Opfer aussuchen... Es macht mich noch wütender, als ich ohnehin schon bin. "Ich kann verstehen das du Abwechslung brauchst. Aurora wehrt sich gern, weißt du. Ich habe immer noch den Klang ihrer Stimme in den Ohren, als es darum ging mich irgendwie abzuwehren. Das kann auf Dauer sehr ermüdend sein, obwohl... Bei euch beiden hatte ich das Gefühl sie macht sogar gern die Beine breit."

Bevor er mehr sagen kann reiße ich ihm das Glas aus der Hand und ramme es in sein Gesicht. Der Inhalt verteilt sich überall und durch die Wucht des Aufpralls sind bereits nach wenigen Sekunden einige deutliche Schrammen zu erkennen. "Oh nicht doch, Kleiner. Willst du den Kampf wirklich hier austragen? Zwischen all den unschuldigen Menschen? Ich glaube nicht." zischt er und wischt sein Gesicht trocken. "Ich gebe dir noch eine Chance. Ich will zwei Dinge... Und diese will ich sofort. Gib mir Aurora und überschreibe den Platz an mich. Danach verschwindest du aus der Stadt und kommst nie wieder zurück, verstanden?"

"F*ck dich." antworte ich. "Du bekommst weder das eine noch das andere."

Sanchez schüttelt leicht den Kopf. Es wäre ein leichtes für ihn jetzt die Hölle los brechen zu lassen, selbiges gilt für mich. Aber umgeben von ahnungslosen Menschen die Gefahr laufen zu sterben, zwischen die Fronten zu geraten und ihr Leben zu geben oder gar verschleppt zu werden halte ich mich zurück. "Dein Temperament... Ich habe es schon einmal gesehen. Deine Schwester, hm... Ihr Duft hängt noch immer in meiner Nase. Ihre Angst, als sie gemerkt hat das sie mir nicht entkommen kann war berauschend. Weißt du was ich mit ihr gemacht habe, bevor wir ihre Leichenteile in alle Richtungen verstreut haben?"

Plötzlich erhellt grelles Licht den gesamten Club. Die Musik wird gestoppt und ein gemurmel geht durch die Menge. Dann sehe ich Casio, gefolgt von einigen Männern. "Es brennt!" ruft er und die Menschen beginnen panisch aus dem Club zu kommen.

Eine Finte.

Sanchez jedoch hat den Aufruhr für sich genutzt und ist verschwunden, wie ich wenige Sekunden später feststelle - aber er hat etwas zurück gelassen. Ich greife danach, falte den vermeintlichen Zettel auseinander, nur um dann zu sehen das es ein Foto ist... Ein Foto mit Datum und Uhrzeit, das Aurora beim Einkaufen zeigt.

Sie ist in Gefahr...

"Ich weiß was du davon hältst, allerdings war es ja richtig dich zu überwachen oder nicht?" mault Casio entschuldigend und folgt mir zum Wagen. Er hat seine Kompetenzen überschritten und meinen Wagen mit einem Tracker ausgestattet um zu überwachen wo ich mich rum treibe. "Mir kam zu Ohren das Sanchez auf Streifzug ist. Ich habe Kontakte spielen lassen und alle waren sich sicher das er sich im selben Club befindet wie du - also sind wir so schnell wie möglich hierher gekommen und haben den Feueralarm ausgelöst. Ich weiß du bist sauer, aber... Warte, Ezio! Was machst du da?"

Er erstarrt als er meine aggressive Haltung wahrnimmt. Wütend tippe ich auf dem Handy herum, auf der Suche nach den Kontaktdaten von den Männern, die Aurora weg gebracht haben. "Ich muss wissen wo sie sie hin gebracht haben. Sofort." zische ich. Casio verdreht die Augen. "Die ganze Stadt ist voll von hübschen Frauen, die sich alle nur um dich reißen. Und du läufst trotzdem dieser Frau hinterher. Was stimmt mit dir nicht, Ezio?"

Ihm ist nicht klar was mich antreibt und ich bin nicht willens genug mich hier und jetzt zu outen - was ich allerdings weiß ist das Sanchez vor hat, Aurora gegen mich zu verwenden - als Druckmittel. Ihm ist nicht entgangen wie wir zueinander stehen wie es scheint. "Ruf. Diese. Idioten. An!" brülle ich ihm entgegen. "Wenn Sanchez sie zuerst erreicht wird er ihr das selbe antun wie Carina! Das kann ich nicht zulassen!"

Wütend werfe ich ihm das Foto entgegen, knalle die Tür zu und starte den Motor. "Ruf mich an wenn du weißt wo sie ist."

Im Rückspiegel sehe ich noch wie Casio das Foto ansieht und dann meinem Wagen nachschaut. Aber ich sehe auch, wie er nach seinem Handy greift. Egal wie unterschiedlich unsere Meinungen manchmal sind - er weiß das er jetzt tun muss, worum ich ihn gebeten habe.

Ich hoffe es ist noch nicht zu spät.

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