Deal

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Aurora steht auf und geht hinüber zum Geländer. Ihr Blick schweift über die offene See. Nachdem wir uns auf diesen Deal geeinigt haben überlege ich ob es richtig gewesen ist, doch ich bin im Begriff mein Wort zu halten - wenn sie mir etwas gibt womit ich arbeiten kann. Und um ihretwillen hoffe ich, daß es stimmt.

"Meine Familie ist nicht böse. Nicht, wie du vielleicht denkst. Wir alle haben gewiss den ein oder anderen in der Familie, den man als schwarzes Schaf betiteln kann." murrt sie schließlich und ich setze mich aufrechter hin. Geduldig warte ich, daß sie fortfahren wird. "Es gibt Dinge, die von unschätzbarem Wert sind. Du weißt sicher das der Bemotti Platz dazu gehört. Ich weiß nicht viel darüber und auch nicht wieso man sich darum streiten muss aber ich habe mit gehört als meine Familie darüber redete. Für gewöhnlich dürfen wir Frauen das nicht, aber ich war noch nie sonderlich gut darin, zu gehorchen."

Das habe ich gemerkt, spare mir aber einen Kommentar.

"Vater wollte den Platz kaufen. Als das nicht klappte gab er auf, auch wenn es ihm sichtlich schwer gefallen war. Aber... Es gab jemanden, der eine andere Idee hatte. Er wollte etwas tun um deine Familie zu überreden. Sie davon zu überzeugen, daß der Platz nicht so wertvoll war. Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand wie schlimm alles werden würde. Ich war gerade dabei mich für eine Party fertig zu machen und Carina kam um mich abzuholen. Alles schien normal, bis ER mich fragte, wer sie ist. Ich wünschte ich hätte nichts gesagt. Wenige Tage später war sie verschwunden. Und jetzt weiß ich auch wieso."

Mein Herz schlägt schneller als es sollte, meine Nerven liegen blank. Mehrmals muss ich meine Handflächen an der Hose abwischen, weil die Aufregung durch alle Poren dringt. Wer ist er und was ist geschehen?

"Wir feierten also auf dieser Party und alles schien normal, bis ER aufgetaucht war. Er baggerte Carina sofort an, verhielt sich ungehalten als sie ablehnte. Ich ging dazwischen weil ich nicht einfach still sein konnte, schließlich war sie meine Freundin und ich wollte sie schützen. Als er dann drohte das dies noch nicht das Ende wäre, lachte ich. Ich wusste nicht wie ernst er es meinte."

Bilder meiner Schwester blitzen vor mir auf. Die einzelnen Teile ihres Körpers, sorgfältig für mich drapiert... Oder war ich nicht das ursprüngliche Ziel? Ich halte diese Scheiße kaum aus. "Komm zum Punkt, Aurora. Meine Geduld neigt sich dem Ende."

Aurora dreht sich zu mir herum, sieht mich an. Ich sehe wie schwer es ihr fällt darüber zu reden, aber wir haben einen Deal. Jetzt abzubrechen wäre falsch und sie würde über Bord gehen - anders als abgemacht.

"Ich frage mich wo du eigentlich warst? Wo warst du, als all das geschehen ist?" zischt sie und wischt sich eine Träne von der Wange. Der plötzliche Umschwung an Emotionen ist etwas, womit ich nicht gerechnet habe, was ich auf keinen Fall gebrauchen kann. Nicht, wenn ich der Wahrheit so nah bin. Ich stehe auf, ramme mein Messer in das Polster und gehe auf sie zu, um ihr bewusst zu machen das sie mit dem Feuer spielt. Dicht vor ihr bleibe ich stehen. Ihre Augen richten sich auf meine und meine Hand wandert automatisch zu ihrem Hals. Ich werde sie er würgen, wenn sie jetzt nicht mit der ganzen Wahrheit raus rückt.

Wir liefern uns einen Blickduell und wieder erkenne ich, daß sie vor mir scheinbar weitaus weniger Angst hat als vor dem, der meiner Schwester unsägliches angetan hat. Ich muss also meine Position etwas verstärken, reiße sie herum und drücke sie gegen das Geländer, damit sie in die schwärze unter uns blickt. "Sieh genau hin... Sie lauern da unten, bereit dich in Stücke zu reißen. Deine Uhr tickt, also sprich." drohe ich und halte sie auf Position, obwohl sie sich arg wehrt. "Lass mich los, Gott verdammt." murrt sie, kommt aber nicht gegen mich an. Getrieben von Hass bin ich fast unbesiegbar. "Er hat sie entführt. Deiner Familie gedroht und sie gequält als dein Vater nicht auf die Forderungen des Verkaufs eingegangen ist. Er hat sie vergewaltigt, stimmts? Und er hat sie getötet. Und als auch das nichts veränderte, schickte er seine Männer um den Rest zu erledigen. Aber sie haben einen übersehen - dich. Wo auch immer du warst... Du wirst dir für den Rest deines armseligen Lebens die Schuld geben nicht da gewesen zu sein um sie zu beschützen. Selbst wenn du Rache nehmen kannst wird dich das verfolgen. Für immer."

Wütend über ihre Worte schleudere ich sie in die andere Richtung und sie stößt gegen das Sofa. Bevor sie auf die Idee kommen kann nach dem Messer zu greifen bin ich schon hinter ihr, ziehe sie im Nacken auf die Beine. Sie hat recht das mich die Schuld auffrisst aber ich werde es sicher nicht vor ihr zugeben. Keuchend ringe ich um meine Beherrschung. "Sag mir wer er ist... Sofort!" schreie ich ihr ins Ohr, halte sie fest und verhindere das sie sich los reißen kann.

"Er hat auch mich verletzt und er wird es wieder tun... Und schlimmeres, wenn er erfährt das ich es verraten habe!" kreischt sie. "Lass mich los, verdammt."

Die Situation droht zu eskalieren, also nehme ich mich zurück. Mit etwas Abstand greife ich nach dem Messer und stecke es ein, lasse ihr einen Moment um sich zu fangen - trotzdem will ich Antworten. Als sie sich zu mir umdreht ist ihr Blick leer. Sie beginnt damit ihr Oberteil hoch zu ziehen. "Ich zeige dir zu was er in der Lage ist... Bei seiner eigenen Familie. Und du wirst verstehen wie egal es ihm war, was er Carina angetan hat. Schau hin, ganz genau!"

Ihr Oberteil landet auf dem Boden. Mehrere Narben erscheinen, verteilt auf ihrem gesamten Brustkorb. Eine davon, etwas unterhalb ihrer Brust, ist die längste. "Er hat mich gejagt. Er hat sein Messer sprechen lassen. Willst du den Rest auch noch sehen oder begreifst du endlich das ich mehr Angst vor ihm und seiner Rache habe, als vor deiner Drohung als Hai Futter zu enden?"

Tränen rollen über ihre Wangen. Diese Frau ist bereits gebrochen. Trotzdem kann ich nicht aufhören, gehe diesmal aber etwas sanfter mit ihr ins Gericht. Ich muss wissen wer er ist...

"Sein Name ist Dario Marcello Sanchez. Er ist mein Onkel. Das schwarze Schaf der Familie, der Mann ohne Seele. Er hat mich geschwächt und als er sicher war ich würde niemals auch nur ein Sterbenswort verlieren - nicht über Carina oder das, was er mir angetan hat - da hat er von mir abgelassen. Er beobachtet mich. Und er ist es, der jetzt wieder Jagd auf mich macht, weil er weiß das ich bei dir bin. Deswegen muss ich so weit es geht weg. Deswegen will ich nicht, daß er mich findet, denn er wird alles tun um mich lange genug am Leben zu halten, um mich zu quälen."

Endlich. Ich habe ihn. Ich habe einen Namen... Doch auch wenn ich darüber erleichtert bin, kann ich es nicht zeigen. Etwas in mir hat Mitleid mit dieser armen Kreatur vor mir, die mich an Carina erinnert. Ich kann mir bildlich vorstellen wie sehr sie beide gelitten haben.

Aurora hat sich nach dem Geständnis zurück gezogen. Sie hat keine Möglichkeit auf Flucht, also kann sie nur in ihrem Zimmer sein. Ich bleibe eine Weile an Deck, starre ins leere und warte auf Casio's Nachricht, denn ihm habe ich kurz nach Aurora's Rückzug den Namen geschickt. Er soll mir alles über diese Person beschaffen, was wichtig ist.

Als auch eine Stunde später nichts von Casio kommt beschließe ich nach Aurora zu sehen. Sie hat recht... Was ich ihr angedroht habe, kann sicherlich nicht mit dem mithalten was sie schon erleiden musste und was ihr womöglich bevorsteht, sollte er sie finden. Niemand weiß, wer noch alles mit drin steckt. Selbst wenn ich ihn erwische und erledige, könnte immer noch jemand nach ziehen. Ich kann nur hoffen das Casio genug findet, um auch die anderen Drahtzieher ausfindig zu machen - wenn es wirklich welche gibt.

Vor der Tür bleibe ich stehen, räuspere mich und klopfe schließlich an. Drinnen regt sich nichts. Aurora macht keine Anstalten zur Tür zu kommen oder mich hinein zu bitten, also wage ich es selbst. Einen Spalt breit, langsam und zögerlich, dann noch weiter, bis sie sichtbar wird. Sie sieht mich nicht an, ignoriert mich. "Ich werde dafür sorgen das du weit genug weg bist. Und ich gebe dir etwas Geld mit. Sieh es als kleinen Bonus für deine Kooperation." flüstere ich, ernte aber weiterhin nur Ignoranz. Ich entscheide sie wieder alleine zu lassen, doch kurz bevor ich die Tür endgültig schließen kann spricht sie. "Es tut mir wirklich unendlich leid was mit deiner Familie passiert ist. Was er Carina angetan hat. Ich hoffe, das er nie wieder jemandem etwas antun kann."

Ich brauche keine Hoffnung, denn ich werde ihn richten. Ich schließe die Tür, gehe in mein Schlafzimmer und setze mich aufs Bett, während ich dagegen ankämpfe nicht wieder von Bildern heimgesucht zu werden. Ich bete, zum ersten Mal seit dem Ableben meiner Familie, denn ich brauche Kraft.

Dario Marcello Sanchez wird sterben. Und es wird mir ein Vergnügen sein.

Heart of Stone Where stories live. Discover now