Einsamkeit

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Kennst du das Gefühl, völlig allein zu sein? Sich völlig hilflos zu fühlen und einfach nur noch sterben zu wollen? 


"Franky?" seine Stimme klingt überrascht. "Was tust du hier?" Ich öffne meine Augen und sehe den Blick auf seinem Gesicht, eine Mischung aus Verwunderung, Wut und entsetzen. "Ich hatte einen kleinen Unfall!" lüge ich und Kellin sieht mich verwundert an. "Mein Stiefvater!" erkläre ich leise und er mustert den großen, muskulösen Mann. "Wieso steht in dieser Akte hier, das es einen Selbstmord versuch gegeben hat?" Ich zucke die Achseln, ich will hier raus!

"Franky, was machst du denn für Sachen?" fragt er und sieht zu Kellin. "Könnte ich bitte allein mit meinem Sohn sprechen?" fragt er und setzt ein genervtes lächeln auf, welches Kellin zu verstehen gibt, das er nicht länger erwünscht ist. Klaus sieht ihm hinterher und als der Junge das Zimmer verlassen hat, setzt sich mein Stiefvater direkt neben mich auf das Bett. Instinktiv rücke ich etwas von ihm, mein Kopf tut weh und mein gesamter Körper fühlt sich matt und schwer an, wie Ballast. 

"Willst du in eine Klinik, denkst du so entkommst du mir? Du denkst du kannst dich verstecken, vor mir?" fragt er und lacht. "Du kannst dich nicht vor mir verstecken! Ich werde dich immer finden! Du gehörst mir!" sein Ton macht mir Angst und ich will schreien, doch ich kann nicht. "Schrei ruhig, niemand wird dir glauben! Oder denkst du, das man mir jemals irgendetwas zu trauen würde? Ich bin Arzt und du weißt das du es nicht anders verdienst!" er lacht und tätschelt meine Schulter. Seine Lippen legen sich an mein Ohr. "Du bist mein!" haucht er, dann steht er wieder auf. "Ich werde die Papiere hier etwas ändern, du kommst heute Mittag mit mir nach hause!" Nein! NEIN! Ich will das nicht! Ich will nicht nachhause! Ich will nicht nachhause mit ihm! 

Wie konntest du nur so dumm sein? Dachtest du wirklich, es würde etwas gutes dabei heraus kommen? Dachtest du vielleicht, tief in deinem inneren, das würde dir zu deinem Happy End verhelfen? Tja, falsch gedacht! Du bist ein dummer Junger, ein verletztes Hündchen! Aber weißt du was, dem Hündchen kann nicht mehr geholfen werden! 


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Ich liege in meinem Bett, irgendwie hat er es geschafft alle zu überzeugen, das der beste Ort für mich mein zuhause sei und er ja sowieso da wäre um auf mich aufzupassen. 

Ich kann seine Schritte vor meiner Tür hören, er telefoniert, läuft hin und her. Ich kann nicht aufstehen, mein Körper ist noch immer mit Schmerzmitteln voll gepumpt, aber das ist vielleicht nicht das schlechteste! Denn ich kann nichts spüren, nicht eine seiner Berührungen, als er in mein Zimmer kommt. Vielleicht sterbe ich, wenn ich einfach liegen bleibe, wenn ich ihn einfach machen lasse. Es ist schlimmer als sonst, oder das wäre es, wenn ich es spüren würde. Er streicht über den verband, der meinen Schnitt verdeckt und drückt als er den Schnitt gefunden hat. Ich kann sehen, das er das tut, aber ich kann es nicht fühlen. 

Vielleicht ist das nur noch ein kurzer Albtraum und ich bin längst Tod!

Er kratzt mich, ich kann die Spuren auf meiner Brust und an meinem Bauch sehen. Er Beißt mich in den Arm, ich kann es sehen, ich kann es nicht spüren und ich will es auch nicht spüren! Ich will nie wieder etwas spüren, oder fühlen, denn alles tut weh, wenn man etwas fühlt und alles tut weh, wenn man Zähne, oder Fingernägel in der Haut spürt! 

"Wer war der Junge im Krankenhaus?" fragt Klaus und spielt mit seinen Fingern am Bund meiner Boxershorts. Ich antworte nicht, denn ehrlich gesagt weiß ich nicht was ich sagen soll. Ein Freund? Jemand der mich gefunden hat? Mein Lebensretter?


"Sprich mit mir!" knurrt er und  ich weiß das er seine Fingernägel wieder in meine Haut bohrt, doch ich kann es immer noch nicht spüren. "Niemand!" sage ich leise und schließe meine Augen. "So sah es nicht aus! Du wirst doch nicht mit einem Kerl ins Bett springen, oder? Das ist falsch, das weißt du!" zischt er in mein Ohr. Weiß er denn nicht das er das selbe tut? Er berührt mich, schläft mit mir und ich bin ein Kerl, ist er dann nicht auch falsch? 

"Er ist niemand!"sage ich leise und ich versuche nicht nur ihn zu überzeugen, sondern auch mich. 

Du würdest ihn nur kaputt machen! Du bist nicht gut genug für diesen tollen Jungen! Er hat etwas gutes verdient, nachdem seine beiden Eltern sich selbst umgebracht haben! Er verdient etwas gutes! Er verdient jemanden um den er sich nicht Sorgen muss! Du bist schlecht, zu schlecht für ihn, oder für irgendjemanden! 

"Ich muss etwas tun, nur damit du deine Worte nicht vergisst!" flüstert er und ich bin froh, das ich immer noch unfähig bin die Schmerzen zu fühlen, denn er nimmt ein Messer und setzt es an meinen Oberschenkel an. Er schiebt meine Boxershort etwas hoch und ritzt etwas in in meine Haut, in mein Fleisch. -Niemand- 

Ich fange an zu weinen. "Ich glaube nicht, das er ein niemand für dich ist! Aber ich will das, wenn du das hier ansiehst, daran denkst, das du mein bist! Du bist für jeden anderen ein niemand!" knurrt er. "niemand." murmle ich. "Ganz genau!" grinst mein Stiefvater und leckt das frische Blut ab. 


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Ich stehe auf, schleppe mich ins Badezimmer, ich kann mich wieder komplett bewegen und zu meinem Pech, kann ich jetzt auch die schmerzen fühlen.  Ich betrachte mich im Spiegel, ich bin nicht nur Blass, ich bin weiß. Meine Augen sind Blutunterlaufen und Körper sieht aus wie nach einem schweren Unfall. Ich höre die Tür Klingel, doch es ist mir völlig egal. "Frank, du hast Besuch!" ruft mein Stiefvater so laut, das ich zusammen zucke. 

Ich bin nicht bereit für Besuch! Ich sehe schrecklich aus, egal wer das ist, er darf mich nicht so sehen! Ich stürme in mein Zimmer und verstecke mich so unter meiner Bettdecke, das man meinen Körper nicht sehen kann. 

"Frank, bist du wach?" fragt eine kindliche Stimme, es ist Billy und er kommt langsam auf mich zu. "was machst du hier?" frage ich leise. "Ich habe deine Hausaufgaben!" er schiebt meinen Schreibtischstuhl, der bedeckt ist mit Papier und Kleidung an mein Bett heran und setzt sich auf die vorderste, leere ecke. Er legt mir ein paar Blätter aufs Bett und lächelt mich aufmunternd an. "Warst du gestern schon Krank? Bist du deshalb gleich wieder gegangen, bevor ich da war?" fragt er und ich denke an Gestern, es fühlt sich an, als wäre der vergangene Tag schon Jahre her. Ich erinnere mich an den Kuss und ich frage mich, ob Kellin seinem Bruder irgendetwas davon gesagt hat. Von mir wird er auf jeden Fall nichts davon hören!

"Ja, tut mir leid!" murmle ich und kaue auf meinem Lippenpiercing herum. Ich erinnere mich nicht Billy meine Adresse genannt zu haben. "Woher weißt du wo ich wohne?" denke ich laut. "Ich hab ein paar Lehrer gefragt!" grinst Billy, es so ein grinsen, das man seinen Eltern als Kind schenkt, wenn man etwas gut gemacht hat und gelobt werden möchte. "schön!" sage ich leise. "Du siehst ganz schön blass aus, warte!" er kramt in seiner Hosentasche und zieht einen, etwas zerdrückten Schokoriegel heraus. Er legt ihn auf den Hausaufgaben stapel und sieht mich mit funkelnden Augen an. "Du musst etwas essen!" "Warum tust du das? Warum bist du so nett zu mir?" frage ich und versuche meine Decke fester um mich zu schließen. "Wir sind doch Freunde, oder nicht?" "Freunde?" er nickt. "Wir sind Freunde!" bestätige ich. "Ich glaube ich gehe jetzt, mein Bruder wartet draußen und ich lasse ihn ungern warten!" lächelt Billy und steht auf. "Dein Bruder ist draußen?" frage ich und an der art wie ich die Frage ausgesprochen habe, bin ich mir sicher, Billy hört den Kuss und die letzte Nacht daraus heraus.  "Willst du ihn sprechen?" fragt er und an der art wie er mich ansieht weiß ich, das er von dem Kuss weiß. "Vielleicht willst du ihn aber auch küssen?" neckt er, ich löse mich ein wenig aus meiner Decke und werfe ein Kissen nach ihm. "Tut ... tu mir leid!" lacht der blonde Junge. "Du hast ihn gern, oder?" fragt er und sieht mich mit ernstem Blick an. "Wieso fragst du mich das?" "Naja, er ist mein Bruder und ... und er hat dich gern und ich will nicht das er verletzt wird und du bist mein einziger Freund und ich will vorher wissen ob du ihn magst, weil  .... weil ich will dich nicht als Freund verlieren und falls du sein Herz brichst, dann können wir keine Freunde mehr sein!" stottert er. 

Ich habe ihn gern! Aber ich bin nicht gut für ihn!


"Keine Sorge, ich breche ihm nicht das Herz, weil ich nichts mit ihm anfangen werde!" "Aber du hast ihn gern!" Ich nicke und eine Träne läuft über meine Wange. Billy gibt ein leises lachen von sich und dreht sich zur Tür. "Ach ja und wenn du Hilfe bei den Hausaufgaben brauchst, meine Handy Nummer und die Nummer unseres normalen Telefons steht auf dem letzten Blatt!" er verschwindet. 


Licht in der DunkelheitWhere stories live. Discover now