Ich werde nie ein Held sein

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Ich habe gelernt mich für mich selbst zu schämen und zu hassen wer ich bin, da war ich elf Jahre alt. Ich hätte ein Held werden können wie mein Vater, doch ich wurde im alter von elf Jahren gebrochen, zerstört und in tausend Stücke gerissen.


Wir sitzen im Wohnzimmer von Billys Familie und ich kann nicht sagen, das es nicht merkwürdig ist, denn keiner spricht. Billy zippt durch die Kanäle im Fernseher und sein Bruder, dessen Namen ich nicht einmal weiß mustert meine schwarzen Chucks, welche fest auf dem Boden verankert sind. Mein Magen gab ein lautstarkes knurren von sich und ich schloss meine Augen. Toll, jetzt wollen sie mir sicher etwas zu essen aufträngen. "Hast du Hunger?" fragt Billy, ohne seine Augen vom Flachbildfernseher an der Wand zu nehmen. "Eigentlich nicht!" murmle ich, aber der Junge, der einen halben Kopf größer ist als ich steht schon auf. "Willst du Popcorn?" fragt er und rennt schon davon, ohne auf meine Antwort zu warten. Ich kann spüren wie die Augen seines Bruders von meinen Schuhen zu meinem Gesicht wandern. Ich lehne mich mit geschlossenen Augen zurück und konzentriere mich auf die Geräusche die aus der Küche kommen. Ich will nicht essen, aber ich kann auch nicht essen! Nicht jetzt, nicht mit fremden Menschen, nicht wenn mich Menschen dabei sehen! 

"ich glaube ich sollte gehen!" sage ich mit ernster Stimme stelle mich mit einem Schwung auf meine Beine, mir ist Schwindelig, aber das ist mir egal. Seit Jahren ist mir fast täglich Schwindelig. "Warum willst du sterben?" fragt der Bruder, Billy hat mich nicht einmal gehört und ist immer noch in der Küche damit beschäftigt Popcorn zu machen. Ich sehe den Jungen an, dessen Gesicht wirkt wie das einer Statue, so perfekt und seine Haut so glatt. 

Hör auf an so etwas zu denken! Hör auf! Hör auf! Hör auf! Das ist Falsch, er wird es herausfinden und er wird mich bestrafen! Ich kneife meine Augen zusammen und öffne sie dann wieder. "Ich habe dich gehört, im Auto, das du hoft zu sterben, bevor die Zigaretten dich töten!" er sieht besorgt aus und das obwohl er mich nicht einmal kennt. "Ich kenne nicht einmal deinen Namen, wieso sollte es dich interessieren?" frage ich harsch und funkle ihn böse an. "Kellin!" grinst er. "Jetzt kennst du meinen Namen!" lacht er und ich drehe mich um. "Tut mir leid! Ich wollte dich nicht verärgern! Soll ich dich nachhause fahren?" fragt er freundlich und es fühlt sich an, als ob wir uns schon Jahre kennen würden. 

Nein! NEIN! Du läufst! Du läufst! Lass ihn nicht rein! 

"Ich werde laufen!" sage ich, ohne mich umzudrehen. "Billy, ich muss gehen! Danke das ich her kommen durfte!" rufe ich und Billy sieht aus der Küche, durch einen weißen Türrahmen. "Sicher?" fragt Billy, ich nicke. "Sorry!" "Ist schon gut, vielleicht kannst du ein anderes mal länger bleiben!" lächelt er und ich nicke. Es ist ein schöner Gedanke, einen Freund zu haben, den ich Besuchen kann, aber ich habe keine Freunde und ich will auch keine!


________


fünfzehn Minuten brauche ich bis ich zuhause bin. 

Ich liege in meinem Zimmer starre an die Decke, der Tag neigt sich dem ende zu, es dauert nicht mehr lang, dann kommt er wieder in mein Zimmer. Aber daran kann ich jetzt denken, ich kann an gar nichts denken außer an diesen Jungen, der aus irgendeinem grund versucht mein Freund zu sein und sein Bruder, der irgendwie mein Interesse weckt. 

Das darf nicht sein! Ich darf nicht so fühlen! Ich darf niemanden rein lassen! 

Ich schlage mit meinen flachen Händen gegen meinen Kopf, doch dieses Gesicht geht nicht aus meinen Gedanken. Ich verlasse mein Zimmer und betrete das Badezimmer. Ich schließe ab und suche nach einer Rasierklinge. Seit Jahren habe ich das nicht mehr gemacht, doch ich muss aufhören an diesen Jungen zu denken, ich muss aufhören an diesen Namen zu denken -Kellin-. Ich setzte die Klinge an, findet Klaus heraus, das ich interessiert bin an jemandem und zwar an einem Jungen, dann ... dann würde er mich bestrafen!

Ich schneide in mich, schneide tief in mein Fleisch, nur um diesen Namen zu vergessen und dieses Gesicht aus meinen Gedanken zu verbannen. Mein Blut tropft, es tropft wie dunkelrote Farbe ins Waschbecken und ich schaue in den Spiegel, sehe einen Geist da stehen. Ich setzte die Klinge an meinen Hals und stelle mir vor wie es wäre diesen Auf zu schneiden, wie es wäre wenn ich den Mut hätte mein leben wirklich zu beenden. Ich weiß ich will für meine Mutter am leben bleiben, aber ich denke, sie wäre besser dran ohne mich, schließlich hätte sie Klaus dann nur für sich. 

Ich lasse die Klinge sinken, als ich Schritte im Flur hören kann. "Frank?" Seine Stimme jagt mir einen Schauer über den Rücken. Wieso ist meine Mutter nicht hier? Wieso arbeitet sie so lange? Wieso ist mein Vater Tod und kann nicht mein Held sein? 

Ich schließe meine Augen für einen Moment, packe dann die Rasierklinge in eine Schublade und wische das Blut aus dem Waschbecken. Mein Blick fällt auf meinen Arm, dann verbinde ich meinen Schnitt mit einem Bandana, das seit Jahren an dem großen Spiegel hängt. 

Ich verlasse das Bad, weiß genau was passieren wird. Meine Mutter arbeitet lang, das heißt sie kommt um Mitternacht und das bedeutet, Klaus muss früher zu mir kommen. 

"Oh, wow der kleine Prinz kommt auch mal aus dem Bad!" meint mein Stiefvater etwas genervt, er wartet bereits vor meiner Zimmertür und in mir kommt der Wunsch auf weg zu laufen, doch das mache ich nicht. Ich gehe in mein Zimmer, so wie immer, ich lasse ihn mich berühren, so wie immer. Ich lasse ihn mit mir machen was er will, so wie immer. Und am ende ist mein Körper mit blauen und roten Flecken übersät, ich liege in meinem Bett und habe nichts Gefühlt. 

Es ist zehn Uhr Abends und ich liege in meinem Bett, fühle mich leer und zerstört. Ich stehe auf, sehe aus dem Fenster, es ist September und die Blätter der Bäume fliegen im Wind. Ich will raus, ich will weg, nicht weil ich mich schlecht fühle. Ich will einfach nur die frische Luft in meinen Lungenflügeln spüren und den Wind auf meiner Haut fühlen. Vielleicht breche ich zusammen und sterbe einfach mitten auf der Straße wie mein Vater, nur das ich kein Held bin und nie einer sein werde. 

_______

Ich gehe die Straße entlang, laufe immer weiter, weiß nicht wohin, mein Körper zittert, ich hoffe das ich erfriere. Ich wünsche mir einfach auf dem Gehweg zusammen zu brechen und zu sterben, bevor mich jemand retten kann. Ich weiß nicht mehr ob es meine Mutter überhaupt interessieren würde!

Licht in der DunkelheitWhere stories live. Discover now