[27] 4|Samstag

23 5 20
                                    

Ronja setzt sich an ihren Schreibtisch und startet ihren Laptop. Da heute E-Mail-Beratungen sind, braucht sie das Festnetztelefon eher nicht. Dieses hat Alice mitgenommen. Sie möchte Frau Winter über gestern informieren.

War es das jetzt? Ist es nun vorbei? Hat es ein Ende? Oder wird es wieder irgendwann von vorne beginnen?

Ronja weiß es nicht, wie denn auch? Immer wieder hatte sie schon gedacht, dass es sich in eine gute Richtung entwickeln würde, doch dann ... tauchte er wieder auf und ... ihre Zuversicht ging fort ... Beziehungsweise schrumpfte diese. Darf sie sich nun darauf verlassen? Das, was er gestern von sich gegeben hat, scheint so gar nicht zu ihm zu passen. Doch woher soll sie das eigentlich wirklich wissen? Sie kennt ihn nicht. Nicht ernsthaft. Also kann es nun wirklich mit dem Hin und Her vorbei sein? Darf sie sich jetzt freuen? Was bedeutet das nun alles?

Alice blieb stumm, als sie ihr davon im Le Petit berichtet hat ... Ronja hibbelte mehrmals herum, rutschte auf ihrem Stuhl nach vorne und zurück, versuchte geduldig zu warten ... Sie wollte unbedingt ihre Meinung dazu erfahren, doch Al blieb stumm. „Al, sag doch was", forderte sie dann irgendwann ein. „Äh ... Äh ...", kam daraufhin zunächst von ihr. Wieder schwiegen sie beide, ... aber nur für einen kurzen Moment. Dann brach es aus Alice heraus. Aber anders als erwartet. Erst ein lauter langer Atemstoße, gefolgt von einem Quieken – vergleichbar mit einer Quietscheente unter Wasser –, als hätte sie es unterdrücken wollen und daraufhin fing sie an zu lachen. Das wiederum irritierte Ronja so sehr, dass sie Al nur anstarrte und nicht wusste, was sie dazu denken sollte. War das eine gute, ... eine positive Reaktion? Oder Unsicherheit? Was war das?

Michel ließ sich weiterhin nicht blicken, also bildete sie sich vielleicht das Schrille in dem Lachen lediglich nur ein? Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre und ruhige Worte wurden gesprochen, doch sie war noch zu sehr in ihrem Kopf, als dass sie diese Worte inhaltlich zu fassen bekam. Das schien wohl Alice zu bemerken, die eine kurze Pause machte, damit Ronja sich auf die neue Atmosphäre einstellen konnte. „Sorry Ronnie. Ich bin irgendwie komplex", erklärte sie. Wie bitte, was?, fragte sich Ronja, doch Al fing schon wieder an zu lachen. „Quatsch, ich meinte natürlich perplex." Nun musste auch Ronja lachen, wenn auch nicht so wild wie Al.

„Geht mir nicht anders", antwortete sie. „Was hat das nun alles zu bedeuten?"

„Schlimm klingt es nicht, aber auch nicht nach Tim. Ehrlich Ronja. Ich hab keine Ahnung. Was sagt denn dein Gefühl?"

„Dass er es ehrlich meinte, aber darauf will ich mich nicht verlassen ..."

„Ja, ich verstehe, was du meinst. Ist auch seltsam. Wir sollten Frau Winter davon berichten. Wie immer. Einfach, damit sie Bescheid weiß." Alice drückt ihre Hand zur Bestärkung und als Zeichen, dass es sich schon irgendwie klären wird.

Sie öffnet das E-Mail-Programm und hört bereits, dass einige Mails in ihrer Urlaubszeit eingegangen sind. Die wird sie gleich in Ruhe nach und nach abhören und beantworten. In weiser Voraussicht hat sie heute keine festen Termine vereinbart. Die finden ab nächster Woche wieder wie gewohnt statt.

Seltsamerweise, wie sie gerade merkt, ist die Sorge vor Tim – draußen in der Öffentlichkeit – verflogen. War das sein Ziel? Nein. Hoffentlich nicht.

Bestimmt nicht. Mit diesem Gedanken wendet sie sich nun ihrer Arbeit zu. Er kam ihr tatsächlich ehrlich rüber, auch weil er dennoch Vorurteile ihr gegenüber äußerte. Warum auch immer er seine Sicht nun änderte oder er auch einmal diese laut äußern konnte?

◦◦◦◦◦◦

Als sie eine kurze Pause macht, streckt sie sich zunächst und reckt ihren Körper. Dann lässt sie Luft – frische Luft – in die Wohnung hinein, indem sie die Terrassentür öffnet. Woody läuft direkt hinaus. Sie folgt ihm zwei Schritte und atmet tief durch die Nase ein und aus. Mit ausgestreckten Armen und geschlossenen Augen verweilt sie einen Augenblick in dieser Idylle.

Bevor sie sich wieder an den Schreibtisch setzt, nimmt sie ihre Tasse vom Tisch und geht mit dieser in die Küche. Sie gießt sich einen neuen Café ein, während sie unmittelbar den aromatischen Duft einsaugt. Achtsamkeit tut gut. Definitiv.

Von der Küche aus macht sie einen kleinen Schlenker zum Schlafzimmer. Auch hier wäre etwas Achtsamkeit ... Sie unterbricht schmunzelnd und kopfschüttelnd ihren Gedanken.

„Alles okay?" Alice hat sie wohl schon gesehen.

„Klar doch." Ronja lächelt ihr zu, während sie sich an den Türrahmen lehnt. „Wollte nur mal kurz – bevor ich mich gleich wieder an die Arbeit setze – nachfragen, ob du Frau Winter erreicht hast."

„Ja. Ich hab es ihr erzählt. Sie meinte – und das hätten wir uns ja eigentlich denken können –, dass es gut wäre, wenn du Montag mitkommst, um es selbst zu schildern oder wenn du ihr wenigstens eine Mail schreibst. Also weil es ja dein Erlebnis ist, nicht meins."

„Stimmt. Wie blöd von mir."

„Haben wir jetzt irgendwie nicht dran gedacht, na ja, egal. Kannst ja überlegen, wie du es machen möchtest. Aber sie hat es schon mal als Anmerkung aufgenommen."

„Und? Hat sie irgendwie besonders reagiert?"

„Ich glaube, sie war auch überrascht. Aber Frau Winter bleibt ja schon professionell."

„Das ist auch gut so."

„Ja, finde ich auch."

„Da ...", kommt von Nika. Sie stimmt uns wohl auch zu.

„Sooo, dann will ich dich oder euch mal nicht länger aufhalten."

„Spinnerin."

„Ich weiß", sagt Ronja und streckt ihr die Zunge raus.

„Wie ich sagte: Spinnerin."

◦◦◦◦◦◦

Derweil sie ihren Laptop herunterfährt, reflektiert sie, dass der erste Arbeitstag nach ihrem Urlaub gut gelaufen ist. Genauso toll und leicht zum Einstieg nach einem Urlaub findet sie jedoch, dass sie nun wieder zwei freie Tage hat.

Wenn sie raten müsste, kocht Alice heute ein Reisgericht mit dem leckeren Masalagewürz, was sie beide sehr gerne mögen. Das ist sehr aromatisch und damit lassen sich gute würzige Gerichte zubereiten.

Ronja checkt noch schnell den Wetterbericht für den heutigen Abend. Es soll trocken und mild bleiben. Sehr gut. Dann steht sie auf und holt Nika aus ihrem Zimmer. Wenn Al kocht, bringt sie Nika meistens dorthin, um konzentriert kochen zu können und um sich weniger Sorgen um die Kleine machen zu müssen. Mit Nika gesellt sie sich zu Al in die Küche, die bereits das Essen serviert. Punktlandung. Für Nika gibt es eine ungewürzte Variante ihres Essens mit etwas Gemüsebrei vermischt.

„Wollen wir noch einen Spaziergang alle zusammen machen?", fragt Ronja, nachdem sie fertig mit essen sind.

„Au ja, sehr gern", freut sich Al.

Da Ronja es Alice überlässt, wo sie langlaufen, lässt sie sich von ihr händchenhaltend führen. Hauptsache Woody kann sein Geschäft an einer geeigneten Stelle machen und sie es dann auch dort aufheben. Ohne Sorgen schlendern sie gemeinsam durch die Straßen, die mittlerweile in Dunkelheit liegen. Zwischendurch flüstert Al Nika zu, wie hell der Mond bereits schimmert und dass er gerade zunehmend ist. Ansonsten genießen sie die Ruhe um und in sich sowie das Wohlgefühl, was sie umgibt.

ImpressionswinkelWhere stories live. Discover now