[20] 28|Samstag

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Als sie aufwacht spürt sie, dass Alice noch neben ihr liegt. Am Klang der regelmäßigen Atemzüge bemerkt sie zudem, dass sie zumindest noch leicht döst. Sie wendet sich ihr zu und rückt näher an Alice' Rücken heran, um sich ankuscheln zu können. Der zarte Duft nach Vanille steigt ihr unwillkürlich in die Nase, den sie nicht mehr missen möchte.

Während sie sich gestern Mut machte, um zum Hafen zu gelangen, kam ihr ihre eigene Buchidee wieder in den Sinn. Impressionspunkte. Es gibt so viele davon. So oft hat sie es aufgeschoben. Doch das will sie nicht mehr. Nun gut, noch einmal. Aber wenn erst einmal die Feiertage vorüber sind und der Sturm abgeflacht ist, möchte sie sich wieder daran machen. Erst einmal nur für sich. Später kann sie die neuen Passagen dann immer noch bei »wörterrausch« vorstellen. Vielleicht war das mitunter ein Grund für ihre Aufschieberei. Elmar scheint es zu motivieren, sie eher zu bremsen. Nichtsdestotrotz geht sie gerne zu dieser Gruppe, in der sie sich aufgehoben und angenommen fühlt. In eineinhalb Wochen wird Elmar etwas von sich präsentieren, darauf ist sie schon sehr gespannt. Es wird mit Sicherheit großartig sein. Nächsten Mittwoch fällt wieder aus. Es ist Neujahr. Und es ist Nikas erster Geburtstag. Sie wird es später gut haben. Sie wird immer frei haben, außer sie wählt einen Beruf, bei dem sie auch feiertags arbeiten muss. Zukunftsmusik, Ronja ...

„Guten Morgen Ronnie", nuschelt Alice noch verschlafen vor sich hin.

„Guten Morgen Al." Ronja freut sich, dass Alice aufgewacht ist und küsst sie auf das linke Schulterblatt. Das wiederum beschert beiden ein wohliges lustvolles Kribbeln.

„Bekomme ich jetzt endlich meine Belohnung?"

„Darüber muss ich noch nachdenken ... Hm ... Wäre das denn angebracht?"

„Ich finde ja, dass ich schon viel zu lange darauf warte ...", antwortet Al, während sie sich dichter an Ronja und ihr ihren Körper entgegen drückt.

„Ach ja?"

„Ja-a ..."

„Ich überlege es mir noch." Doch Ronja fährt indes unbeirrt mit ihrer Hand weiter Alice' Körper entlang und stoppt seitlich in der Brusthöhe.

„Ah ... Mmmh."

„Kannst du das auch buchstabieren?"

„Ronnie ..."

„Kannst du?"

„Oben links ... ah ... und ..."

Ronja unterbricht Alice, indem sie ihre Lippen auf Als legt und sie zu einem leidenschaftlichen und innigen Kuss verschmelzen. Sie kann sich selbst nicht mehr zügeln und zieht sie näher an sich heran. Sie will sie ganz nah an sich spüren. Alice dreht sich um, wobei sie gleich ihr Shirt auszieht. Danach greift sie nach Ronjas Shirt und es fällt kurz darauf auf dem Boden. Alice setzt sich auf sie drauf. Sie beugt sich hinunter. Ronja kommt ihr entgegen, um sie zu küssen. Mit der einen Hand hält sie Al im Nacken fest, während sie sich mit der anderen abstützt. Al drückt sie zurück auf die Matratze, ohne dass sich ihre Münder trennen. Dann bedeckt sie Ronjas Körper mit leidenschaftlichen Küssen, die bei beiden das Verlangen steigern, bis sie bei Ronjas Slip landet. Den zieht sie runter und gleich darauf auch ihren eigenen. Die pure Lust ist zwischen ihnen zu spüren; zum Greifen nah. Voller Begehren wandert sie mit ihren Lippen zu den Innenschenkeln von Ronja ... 

◦◦◦◦◦◦

Frisch geduscht kommt Alice fröhlich aus dem Badezimmer ins Wohnzimmer. „Bin fertig, du kannst", trällert sie.

„Na, da ist wohl jemand gut gelaunt. Woran das wohl liegen mag?" Sie erhält einen sanften Klaps auf den Po als Antwort und verschwindet ins Bad.

Sie hört, wie Alice schon das Frühstück vorbereitet und muss mit dem Kopf schütteln. Kennt sie so etwas wie Pause oder nichts tun? So lange es ihr guttut, ist es ja in Ordnung. Mittlerweile ist auch sie erfrischt und holt Nika aus dem Wohnzimmer. Sie brabbelt ihr schon entgegen. Bald wird sie sicherlich die ersten Worte sagen. Manches klingt schon sehr nah. Dah, bah und ah oder oh zum Beispiel. Da Nika in vielen Entwicklungen sehr weit fortgeschritten ist, finden sie es nicht weiter schlimm, wenn sie mit der Sprache etwas länger braucht als andere. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo. Darin wurden sie ebenso von der Kinderärztin bestärkt. Sie geht mit ihr in die Küche und setzt sie in den Hochstuhl. Woody weiß, dass dies kein Raum mehr für ihn ist. Außer ein Notfall tritt ein. Das alles haben sie mit ihm eingeübt. Er ist ein wirklich kluger Hund. Ronja gibt Nika den Löffel zum Essen. Nach kurzer Zeit fällt der auf den Boden. Sie hebt ihn wieder auf und legt ihn vor Nika auf die Ablagefläche des Stuhls. Es ist zu hören, wie Nika danach greift, sich anstrengt, ihn richtig zu greifen, um ihren Brei essen zu können.

„Ja Nika. Super", bestätigt Alice sie.

Ronja widmet sich nun ihrem Café und dem Obstsalat, den Al ihr extra zubereitet hat.

◦◦◦◦◦◦

Mal wieder einen richtig schönen langen Spaziergang machen, das würde ihr nun guttun. Doch ... sie weiß nicht recht, ob sie sich dafür gewappnet fühlt. Für die Wege, die sie im Alltag macht, ja. Für diese hat sie ihre innere Stärke wieder erlangt. Meint sie. Aber ... für einen ausgediegenen Spaziergang?! Sie ist sich unsicher. Al zu fragen, passt ihr auch nicht in den Kram. Also setzt sie sich die Kopfhörer wieder über beide Ohren auf, bei denen sie gerade nur die eine Seite weggeklappt hat. Sie ist nach wie vor fasziniert von diesen Dingern. Die haben ihr den Alltag wirklich erleichtert. Der Button wird gedrückt und die Naturklänge ertönen. Ronja lehnt sich an die Wand hinter ihr an und zieht die Fleecedecke etwas höher, um sie an ihrem Becken über ihre Nieren schlingen zu können. Es ist nicht kalt und auch nicht warm. Doch wenn sie länger draußen sitzt, dann lieber mit der Decke und besser ist es, den Körper zu schützen. Das Rascheln der Blätter, welches über die Kopfhörer zu ihr dringt, beruhigt sie heute nicht. Viel eher möchte sie wirklich draußen sein. Wahrlich – wenn auch nur im naheliegenden Park und noch weiter – draußen spazieren gehen und die Töne der Umgebung in sich aufnehmen. Und nicht nur diese Scheinwelt. Aber Alice fragen? Oder eine mögliche Panikattacke riskieren?

Sie lehnt sich wieder nach vorne und stützt ihre Ellenbogen auf dem Tisch ab. Die Decke rutscht von hinten runter. Ihr Becken wieder frei von dem Fleece. Mit den Händen reibt sie sich über das Gesicht. Alice fragen?

Ein Trampeln auf dem Boden lässt sie ihren Kopf anheben und die rechte Seite ihrer Kopfhörer wegklappen. Fragend schaut sie in die Richtung der Terrassentür.

„Ich würde jetzt losgehen. Einkaufen. Morgen ist Sonntag und nächste Woche würde ich, wenn nur noch das Nötigste holen wollen und nicht wie viele wegen eines Feiertags den Dienstag davor den Laden stürmen."

„Hm." Das wäre eine Chance, wenn auch etwas anders. „Soll ich mitkommen?" Ronja setzt die Kopfhörer schon mal ab. „Mache ich gerne", ergänzt sie schnell und stellt das Abspielgerät aus.

„Ähm ... Klar." Verwunderung ist aus ihrer Stimme deutlich herauszuhören. „Wenn du möchtest, dann lass uns losgehen."

Kurz darauf sind sie auch schon mit Nika und Woody auf dem Weg zum Supermarkt, der sich in der Nähe des Le Petit befindet. Durch den Park nehmen sie auf dem Hinweg einen kleinen Umweg. Ronja hat gefragt, ob das in Ordnung wäre. Alice' Reaktion nach zu urteilen, freute es sie, warum auch immer. Händchenhaltend schlendern sie durch den Park. Sie sehnte sich so sehr nach dem Rascheln der Blätter und nun ist keines zu hören. Dafür fühlt sie das Treiben und Leben. Spielende Kinder, die freudig kreischen oder sich erzählen, was der Weihnachtsmann ihnen brachte. Erwachsene, die sich glücklich begrüßen, als hätten sie sich lange nicht gesehen und würden sich auf diese Momente am Tag freuen. Und dann doch ... Erst der leise Wind, der durch die anderen Geräusche hindurch dringt, gefolgt von dem Blätterrascheln ... Obwohl ihre Atmung schon viel ruhiger geworden ist, seit sie draußen sind, flacht sie noch weiter ab. Es ist eins ihrer liebsten Naturgeräusche. Neben dem Rauschen von Wellen. Oder auch das Klirren von Eis. Die Natur.

Als sie auf der anderen Seite aus dem Park hinaus gehen, stoppt sie. „Al, ich muss dir was sagen. Ich wollte heute unbedingt rausgehen und einen Spaziergang machen ... Da ich mich für einen längeren Spaziergang zu unsicher gefühlt habe, na ja ... Und um dich zu fragen, war ich zu feige ... oder so." Sie fühlt sich erleichtert, dass sie das aussprechen konnte.

Alice umarmt sie. „Schon gut. Versuch es weiter. Ich meine das Rausgehen, aber auch bei mir um Unterstützung zu fragen, okay?"

„Ich versuche es."

„Ronja, es ist wirklich gut. Du hast es gerade gesagt. Das ist ein toller Schritt."

„Hm ..."

„Hm? Würdest du das auch zu anderen sagen? Oder nicht eher das, was ich gerade gesagt habe?"

Mit diesen Worten drückt Alice sie noch einmal doller und lässt dann von ihr ab, um weiterzugehen. Mit einem Grinsen – sowie einem Aha-Effekt – folgt Ronja ihr. Sie hat recht ... Natürlich hat sie recht.

ImpressionswinkelWhere stories live. Discover now