Tertius Decimus/ Teil13

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Es gibt vieles, was wir lernen müssen: Dass nicht alles so ist, wie es scheint. Dass nicht alles gerecht ist, so wie es ist. Und dass wir das meiste nicht ändern können.

Muriel war der Erkenntnisse und Belehrungen leid. Sie sah auf ihr wunderschönes Nador, in dem zu allen Zeiten Sonnenuntergang war, in dem die Blüten in Formationen durch die Luft flogen und Milch und Honig floss, wenn sie es nur wollte.

»Ich will mich rächen!«, sagte sie zu Scazzi, ihrer getreuen Puderdose mit dem Diamantstaub.

»So müsst Ihr ein Ritual machen, meine Liebe! Und es soll ein starkes Ritual sein und euch schützen, doch die anderen, die Verleumder und Verspotter, die sollen euch zu willen sein.«

»So sei es! Komm!« Sie fegte alles von einem kleinen Beistelltisch der grünen Glaseinsatz hatte. »Was muss ich tun?«

»Wascht euch im salzigen Wasser des Tränenmeeres und kehrt wieder!«

Da alle vier überirdischen Gestade: Nodi, Tartos, Nador und Sindel, wo Hein Herr war, an das Tränenmeer grenzten, war das schnell erledigt. Als Muriel zurückkam, stand eine faustgroße Bernsteinkugel in einer Holzhalterung auf dem Tisch, vier Kerzen brannten an den Fenstern.

»Bereitet euch vor!«, verlangte Scazzi feierlich. Neben dem Tisch standen vier Schachfiguren, zwei Frauen und zwei Männer, die waren so groß wie Daumen und aus poliertem Holz.

»Die eine bist du, du musst im Norden stehen. Dort ist die meiste Macht. Die Frau stell dir gegenüber, den Mann mit der Kappe links und den dunkleren rechts!«

»Und Scazzi?«

»Ja, Herrin?«

»Werden sie schlafen?«

»Aber hallo!«

Scazzi fuhr mit den Anweisungen fort: »Nimm etwas Honig und schmiere alle vier Kerzen ein! Denn sie sollen süß und fest schlummern!«

Muriel tat dies mit dem gebührenden Respekt.

»Nimm Zimt und lass ihn in die Flamme rieseln, denn was gewesen ist, soll nun vergangen sein.«

Die Herrin des Schlafes tat es. Der Himmel über Nador färbte sich rot wie ein Ofenrohr.

»Nehmt eure linke Hand und geht so nah über die Kugel, dass ihr ihre Präsenz spürt! Nun berührt die Kugel an den Himmelsrichtungen und sprecht mir nach: Ihr Wächter des Nordens, des Südens, des Ostens und des Westens, ich rufe euch! Dreht zurück, dreht zurück, dreht zurück! Dreht dreimal gegen den Uhrzeigersinn!« Sie tat es.

»Ihr Wächter des Nordens, des Südens, des Ostens und des Westens, beschützt, beschütz, beschützt!«

Ein Wind kam herein und ließ die Flammen tanzen, aber er blies sie nicht aus. In der Mitte der Kugel wurde es hell, Muriel lies ihre Hand über ihr.

»Sprich: Was ihr mir alle angetan, das sollt ihr nunmehr selbst erfahren! Schließt die Augen träumet süß, die Träume die ich für euch rief! Gnade ihr erst dann erfahrt, wenn ihr bereut die üble Tat!«

Muriel verfiel in einen Sing-Sang, denn Zauberei geht so. Sie rief mit ihrem Finger den Wind, der über der Kugel einen Wirbel bildete, Scazzi öffnete sich und sie blies zart das Diamantpulver in die Luft. Der Wind trug es auch in die Entferntesten Winkel der überirdischen Reiche, denn dort war der Schlafsand für die Ewigen bestimmt.

»Scazzi, wann werden sie erwachen?«

»Erst, wenn ihr es wünscht! Die Macht ist euch allein, Herrin!

Der Schlaf der EwigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt