Quartus Teil 4

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 Muriel, die Herrin des Schlafes war hellwach, sie war immun gegen das, was wir Müdigkeit nennen. Sie schaute in ihre Kristallkugel und sie sah, was geschah. Alle, alle schliefen..., sogar Dschaymalla, die Weltenlenkerin schlief. Dies würde ihre Zeit sein, auf diesen Augenblick hatte sie gewartet. Niemand sollte sie je wieder unterschätzen. Die Welt, die Menschen, sollten sie sehen...

Sie sollten ihre Macht sehen und sollten sie spüren. Lange, lange Zeit wartete sie. Seitdem hatte sie vergessen, wie man weint, war sie einst ein Menschenkind gewesen, eines mitunter, das unvorsichtig gewesen war.

Sie war zu hoch geklettert, viel zu hoch. Eigentlich wollten sie und ihre Mutter nur die Ziegen weiden. Die Blumen blühten, die Farben explodierten und die Sonne schien. Sie erinnerte sich nicht mehr genau, nur noch dunkel. Dort, wo früher ihr Herz gewesen war, saß nun ein Gefühl, das war rot. Das rote Ding fraß an ihr. Es hatte ihr Herz gefressen. Die Sonne sie war weit. Sie war ein heißer, glühender Ball und als Muriel hochsah, da war da dieses Zicklein. Es meckerte und hing auf einem rissigen Felsen. Sollte sie? Doch junge Füße sind schnell und junge Gedanken dumm.

»Nimm dich in Acht, Muriel! Die Felsen sind tückisch!« Ihre Mutter hatte sie an der Hand gehalten, als sie beinahe abgerutscht war.

»Ja, Mama!«

Ja ist ein starkes Wort und ein Versprechen ist ein Versprechen. Man gibt es schnell, man bricht es schnell. Von Zeit zu Zeit reichte ein großer Schritt. Das Zicklein war nah: »Komm Schwarzohr! Komm!«

Sie streckte die Hand aus - fast!

Ein Blick auf ihre Mutter, es war der letzte auf diese Welt. Ihre Mutter war beim Stillen eingeschlafen und saß mit ihrem Rücken im Schatten einer Birke. Schwarzohr meckerte und sprang fort. Muriel aber rutschte auf dem Moos des Steines aus und sie fiel.

Im Fallen hörte sie langgezogene Schreie: »Nei...ei...ein! Nein!«

Die Welt kehrte sich von zuunterst zuoberst und es wurde kalt und still.

Nein ist in kleines Wort, es hält niemanden auf, auch kein Schicksal, das schon gar nicht. Doch es passierte etwas Seltsames.

Es passierte nicht so oft – vielleicht ein, zwei Mal von Ewigkeit zu Ewigkeit. Während bittere Tränen der Trauer das Kind benetzten und Muriel schlief, so wie alles Lebendige irgendwann einschläft. Da schwirrte etwas Helles, nennen wir es nicht Seele selbst, denn das hätte ja jeder. Das Helle war vielleicht nur so groß wie ein Staubkorn und ganz und gar ungewöhnlich. Es schwirrte und war stark wie ein Bär. Es war wohl die Liebe des Kindes, es war wohl der Mut und alles andere verblasste dahinter.

Ihr denkt, wenn ein Mensch stirbt, so sei es Zeit zu weinen. Ihr könnt nicht verstehen - in der Einfalt eures Geistes - dass die Reise dort erst beginnt. Und Muriels Reise begann gerade jetzt, denn sie war nicht tot. Sie sollte zu einer Ewigen werden.

Und jemand ganz Besonderes weckte sie: »Muriel, Muriel! Wach auf! Hier soll nun nicht mehr dein Haus sein, sondern in Nodi, wo die Ewigen drohnen. Es wird dir ganz und gar gefallen!«

Und ein Versprechen ist ein Versprechen. Schandra, die Feuerfee war schön, ihre Haut leuchtete von innen in goldenem Ton, sie war in die Federn eines Feuerschwans gehüllt und sie hauchte dem Kind den schwirrenden, glühenden Funken wieder ein.

Und mit ihm kam Glück in Muriels Herz und in die Herzen all jener, die im Hier und Jetzt bleiben mussten.



   In Flagranti


Der Schlaf der EwigenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora