Nonus Part 9

2 0 0
                                    



Muriel ging mit Hein, er umarmte sie und er schützte sie. Bei ihm fühlte sich das Kind, das nun zu den Ewigen gehörte, wohl und er lehrte sie vieles, unter anderem Neutralität.

Er nahm sie mit in die Menschenwelt, wo er seine Aufgabe verrichtete. Sie wandelten in den Schatten, als trenne sie ein Vorhang von den Lebenden.

Sie gingen durch die düsteren Gassen, wo man die Kinder weinen und die Erwachsenen husten hörte.

Damals war die Welt noch jünger, aber sie war nicht besser. Das ist sie nie gewesen, doch manche Lügen halten sich ewig.

Manchmal war da so ein zartes Leuchten, um eine Person und Hein hielt inne, er zeigte auf das Glimmen und sagte: »Saad sedam!«

Das war der Zauberspruch, mit dem sich der Schleier lüftete und sie traten aus den Schatten. Hein berührte die glimmende Person und sie erhoben sich und folgten ihm. Doch es war nur das Glimmen selbst, das sich erhob und der Körper blieb dort.

Manchmal, wenn es Kinder waren, wurde Muriel das Herz schwer und sie fragte: »Bist du nicht manchmal traurig und haderst du nicht mit deiner Aufgabe?«

»Eigentlich nicht, ich bin der Tod, ich sehe es nicht so. Und kennst du nicht den Spruch: Jeder hat sein Päckchen zu tragen?«

»Nein!«, antwortete das Kind wahrheitsgemäß.

»Aber du hast dein Leben auch nicht zu Ende gebracht. Bist du traurig darüber?«

»Manchmal habe ich das Gefühl, ich hätte etwas verloren und noch nichts Neues gefunden.«

»Das wirst du sehr bald!«

»Nehmen wir den nicht auch mit?«

Hein schüttelte den Kopf: »Er schläft doch nur. Gehe mal näher ran!«

Muriel tat, wie ihr geheißen. Der Mann war in den besten Jahren, er lag in voller Montur mit Tweet-Hose und hohen Reitstiefeln auf einer Bank und schnarchte. Er war behaart, wie alle Männer behaart waren und seine Mundwinkel lächelten. Als Muriel ihn berührte stieß sie an eine Flasche, die wegrollte. Doch das Kind empfing noch etwas Anderes, nämlich die Ahnung eines sonnigen Traumes, mit Wärme und einem Kuss. Muriel zuckte zurück.

»Warum lacht er so?«

»Er träumt, Kind!«, erklärte Hein.

»Es ist schön!«

»Ja, das ist es, aber die Menschen sagen, der Schlaf sei der kleine Bruder des Todes.«

»Aber kann es nicht auch die kleine Schwester sein?«

»Ja, das kann es«, Hein lachte.

Bei den Versammlungen war Zesiel sehr abweisend zu Muriel, aber auch Dschaymalla schien ihr nicht sehr zugetan. Es schien, als sei sie so ein Anhängsel, mit dem niemand hier im Elysium etwas anzufangen wusste..

»Was bringst du sie mit hierher, Hein? Sie ist ein Mensch und wird immer ein Mensch bleiben. Ich dulde es nicht, dass sie an unserer Runde teilnimmt.«

»Ihr wisst doch, dass es oftmals etwas dauert, bis die Aufgabe den Ewigen findet und sie soll aus unseren Gesprächen lernen.«

Zesiel sah Muriel durchdringend an: »Du bist keine Solidos und daher an dieser Tafel nicht willkommen. Ich muss darauf bestehen, dass du draußen wartest.«

Der Schlaf der EwigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt