Sekundus

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Das Meer der Ewigkeit nagte am Schlafstrand. Dschaymalla ruhte und lauschte. Slotti flog eine Runde mit Tanney. Die beiden goldenen Motten waren jung und wie alles, was jung war, vertrugen sie nur wenig Stillstand. Slotti und Tanney liebten sich, es war wie ein zartes Vibrieren im Orbit Nodis und nichts und niemand konnte diese Liebe brechen. Denn sie war stark, so stark wie der härteste Felsen der Anderswelt.

Dschaymalla lächelte nur ein wenig - wie immer, wenn sie an die besondere Motte dachte, war ihr Herz mit Freude erfüllt.

»Oha, welches Herz? Ich darf nichts fühlen, ich muss entscheiden. Das Gefühl macht mich schwach! Ich darf nicht, muss vergessen...muss vergessen!«

Da hörte sie eine Stimme und sie klang sanft, wie die eines Vaters, in ihrem Ohr: »Bist du nicht müde, mein Kind? Komm doch herein!«

Im Tartos auf der anderen Seite des Tränenmeeres brannte es und der ewige Wind trieb Ascheflocken wie Regen vor sich her. Dort, auf der anderen Seite, war das Land der Alpträume. Doch manche Erinnerungen waren nichts anderes, im Gegenteil. Und sie hatten Macht - große Macht.

Der Ruß flog, er bedeckte das Gesicht der Dschaymalla, sie legte sich auf ihre zitternden Lider, wo mit der Asche Thebens Augen gemalt waren, um besser zu sehen. Die Weltenlenkerin reckte ihr Gesicht gen Himmel. Ruß verdunkelte ihn.

»Ich habe dich gerufen, meine liebe Tochter. Komm doch herein! Die Wüstennacht ist kalt und die Kamele sind versorgt. Trink einen Tee mit deinem alten Vater!«, flüsterte die dunkle Stimme.

»Baba?« Und dann sah sie ihn - sah ihn wie er vor Unzeiten lebte und wie er zu ihr sprach.

»Ja?«

»Du bist tot!«

»Vielleicht! Aber, als ob das etwas zur Sache tut!«

Die Brise wurde stürmisch, immer mehr von der Asche wurde an Nodis Küste geweht. Dschaymalla merkte es nicht, ihre Lider vibrierten wie Schmetterlingsflügel im Wind, doch sie war außerstande sie zu öffnen und sie tat etwas ganz und gar Unvorstellbares für eine Weltenlenkerin - sie träumte.

Ihr Vater, damals vor unsäglich langer Zeit, war ein Beduinenfürst gewesen. Er liebte seine einzige Tochter, wenn man es Liebe nennen konnte, dass jemand glaubte, alles vorherbestimmen zu können.

Denn ein Mensch kann das nicht und Fürsten sind auch nur Menschen.

»Komm nur Kind, lass die Kamele! Sie sind versorgt! Komm ins Warme! Sildur soll das machen!«, verlangte Shazan, der Fürst.

Was er nicht wissen konnte, weil er, wie gesagt, nur ein Mensch war: Dschaymalla und Sildur hatten sich erkannt und wenn man einen anderen erkennt, dann ändert das alles.

»Ich komme gleich, Baba!«, rief sie und knüpfte ihren Kaftan zu.

Sie gab Sildur einen Kuss und es war der Kuss des Verbotenen und der Geschmack gefiel ihr wohl.

Die Asche des Tartos legte sich über das Tränenmeer und auf den Schlafsand. Sie legte sich auf das Gesicht der Weltenlenkerin und auch sie konnte nicht sehen, was da über das Wasser kam.

Ihr Herz glühte in der Brust und Dschaymalla war mit etwas, an das sie schon lange nicht mehr gedacht hatte, beschäftigt – nämlich mit der Vergangenheit.



2- Brot und Spiele

Der Schlaf der EwigenWhere stories live. Discover now