Decimatio, Teil10

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Während Dschaymallas Körper sich langsam immer mehr mit dem Weltenbaum verband und die Ungetüme des Tartos immer näher rückten, driftete ihr Geist weit zurück in ihre Vergangenheit, in die Zeit, als sie noch ein Mensch gewesen war.

Und während Trum, der Elfendruide, eine riesige Schutzblase um den Baum schuf, dessen Blätter sich in der Hitze des Angriffes zu kräuseln begannen, genoss Dschaymalla noch einmal den süßen, verbotenen Kuss ihrer Jugend.

Jeder ist einmal jung gewesen und daher müsste jeder die Verwegenheit einer jungen Liebe verstehen und das Glühen im Herzen, wenn dein Außen und dein Innen nach der Berührung des anderen lechzt, nach der Liebkosung seiner Stimme, nach dem süßen Geruch seiner Gegenwart.

Alle müssten es verstehen, wirklich alle. Doch einigen war es entfallen, wie sich das verbotene Verlangen anfühlte.

»Kennt ihr es nicht mehr? Habt ihr es vergessen?«

Dschaymalla wollte es gerne für immer ignorieren.

Doch die Stimme sprach weiter zu ihr und sie sprach nicht mit Worten. Sie war wütend, doch sie hatte es nicht nötig, dies zu zeigen: »Dschaymalla, erinnere dich! Schlaf! Träume!«

Mächtig war der Befehl, unausweichlich der gewaltigste von allen. Warum war das so? Weil der Absender im Verborgenen weilte.

Die Weltenlenkerin hatte Angst, sie wusste die Erinnerung war bitter und dennoch zwangen die Worte sie zurück, weit, weit zurück.

Dschaymalla hatte Sildur immer gemocht, auch, als sie selbst noch Kinder waren. Sie verstand nicht, weshalb er anderes Essen aß und weshalb er in den Ställen schlief.

Eines Tages beschlossen sie und er, sie wollten zu den Hügeln reiten, um zu sehen, ob dahinter die Flasche des Goldenen Djins zu finden sei.

Sie nahmen den Esel und zogen los, doch die Hügel waren weit und sie hatten zu wenig Wasser. Der Wüstenwind verwehte den Pfad und die Kinder fanden ihn nicht mehr. Als die Sandkörner wie kleine Nadeln gegen ihre Bandanas wehten, legte sich der Esel unter einen Kleinen Busch und Sildur und Dschaymalla kuschelten sich unter der Satteldecke zusammen.

»Wenn du den goldenen Djin gefunden hättest, was hättest du dir da gewünscht, Sildur?«

»Ich hätte mir gewünscht, so wie du zu sein.«

»Wie?«

»Von deinem Stand!«

»Was soll das heißen?«, fragte das Mädchen.

»Du bist Sildur und ich mag dich.«

»Aber ich darf dich nicht heiraten und das wünsche ich mir so.«

Als sie die Kinder fanden, schliefen sie.

Dschaymalla bekam Tee und Sildur schlugen sie.

»Warum?«, fragte das Mädchen ihre Mutter.

»Das ist schwierig Frage – zu schwierig für nur eine Antwort. Manche herrschen und andere dienen. Das war immer so, das wird immer so sein.«

»Ich will es abschaffen, denn es ist ungerecht, dass einige mehr

wert als andere sind.«

»Du kannst vieles abschaffen, denn du bist die Tochter des Fürsten. Doch das kannst du nicht, mein Kind!«

Sie bürstete Dschaymallas langes Haar.

Der Schlaf der EwigenWhere stories live. Discover now