Eine Flamme in Form einer kleinen, hissenden Schlange zischte aus Regulus' Zauberstab, verwandelte sich in einen Drachen, dann in einen Raubvogel und zurück in eine Schlange, bevor sie sich auf den kleinen Haufen auf dem Fußboden stürzte, sich teilte, noch einmal teilte, bevor er lichterloh brannte. Immer wieder tauchten Monster aus den Flammen auf. Aus Regulus' Zauberstabspitze floss noch immer ein konstanter Strom an Flammen, jetzt bewegte er ihn in einer schnellen Bewegung einige Male zur Seite, sodass sich ein paar Flammenmonster vom restlichen Strom trennten. Zwei bewegten sich auf die Stammbaumtapete zu und begannen, sie an den beiden oberen Ecken anzufressen, bis sie sich dort kräuselte und die ersten Fetzen als Ascheflocken zu Boden fielen. 

Für einen Moment schien Regulus seine gesamte Konzentration darauf zu lenken, die beiden getrennten Feuer - den Haufen und die Tapete - unter Kontrolle zu halten. Als er sich wieder etwas mehr entspannte, richtete sich sein Fokus dann auf die drei Horkruxe, die direkt vor ihm lagen. 

Mit einem erneuten Stoß erschienen drei frische Flammenströme, die sich jetzt darauf stürzten und die Horkruxe systematisch vernichteten. 

Für einige Minuten hielten sie alle den Atem an, dann hob Regulus noch einmal beide Arme, sichtlich in einem Akt der Anstrengung, während die Flammen kleiner und kleiner wurden und schließlich erloschen. 

Mary öffnete das große Fenster, noch bevor irgendjemand genauer realisiert hatte, was hier gerade passiert war.

Mit einem tiefen Ausatmen sank Regulus in einen herumstehenden Sessel und sogar aus mehreren Metern Entfernung konnte Remus sehen, dass seine Knie und Hände zitterten. Er sah sich um. Von den Artefakten war kaum etwas übriggeblieben außer Asche und einigen glühenden Metallteilen. Die Wand, an der zuvor der Stammbaum geprangt hatte, offenbarte hellen Putz - und darauf Fetzen von verbranntem Stoff und Papier. Remus konnte nicht anders, als für einen Moment die Ironie zu bewundern, dass die Familie Black, so großer Fan von Brandflecken auf ihrer Tapete, jetzt als Ganzes selbst so geendet hatte. 

Die drei Horkruxe - ehemaligen Horkruxe? - lagen unscheinbar dort, wo sie vorher schon gelegen hatten. Der Becher wirkte quasi unversehrt, nur an einem der Henkel sah er beinahe etwas angeschmolzen aus. Das Diadem glitzerte unschuldig silbern, aber die Edelsteine hatten das Dämonenfeuer nicht überlebt. In ihren Halterungen rauchte es ein wenig. Das gleiche Schicksal hatte den Ring ereilt. Der kleine Stein mit dem kryptischen Symbol war herausgebrochen und lag neben dem Ring selbst, der jetzt von der Hitze dunkel angelaufen war. 

Für einen Moment war es still, nur Regulus' schweres Atmen war zu hören. 

"Haben wir es geschafft?", fragte Sirius dann. "Ist es vorbei?" 

Alle Blicke wanderten auf Regulus' Arm, vor Blicken verborgen unter einem dunklen Hemd. Mit immer noch zitternden Fingern löste er jetzt den Manschettenknopf und schob es ein Stück nach oben. Sie alle hielten die Luft an.

Das Mal sah vollkommen unverändert aus. Vielleicht war es ein wenig blasser als vorher, aber von dem vernarbten Zustand, den Regulus angekündigt hatte, war es Welten entfernt. 

"Warum ist es noch da?", fragte Mary leise. Regulus machte einen frustrierten Laut, bevor er seinen Ärmel wieder herunterzog. 

"Wir müssen irgendetwas übersehen haben!", knurrte er. "Was haben wir jetzt noch falsch gemacht? Es hätte funktionieren müssen!" Er stand auf und begann, zornig auf und ab zu laufen. "Wir wussten, er wollte eine siebenteilige Seele, also sechs Horkruxe, wir wussten, er wollte den letzten mit Harry machen, also waren es tatsächlich nur fünf. Wir haben fünf zerstört! Es waren Horkruxe, ich habe es vorhin extra noch einmal richtig überprüft!" 

Remus räusperte sich vorsichtig. 

"Konntest du überprüfen, ob es seine Horkruxe waren?", fragte er leise. "Oder könnte es sein, dass wir versehentlich...Horkruxe von jemand anderem zerstört haben?" 

Regulus sah ihn zornig an, dann wurde sein Blick verzweifelt. 

"Ja, vielleicht..."

"Nein", erklärte Mary entschieden. "Das Medaillon hat er selbst versteckt, das Tagebuch war seins, den Becher hat er bei Bellatrix gelassen, der Ring gehörte der Familie seiner Mutter und das Diadem passt einfach zu gut ins Muster und es war in Hogwarts versteckt. Das wären viel zu viele Zufälle. Außerdem, wie viele Leute sind wohl in der Lage, einen Horkrux zu schaffen - sowohl von den Fähigkeiten, als auch von der Skrupellosigkeit her? Und dann muss man es ja auch noch wollen." 

Sirius nickte. 

"Mary hat recht", stimmte er ihr zu. "Wir haben ziemlich sicher fünf Horkruxe von Voldemort zerstört. Irgendwo haben wir einen Denkfehler." Er zögerte. "Vielleicht gibt es doch noch einen. Vielleicht hat Slughorn sich falsch erinnert und er wollte nicht sieben Teile, sondern sieben Horkruxe."

"Aber selbst wenn, wir haben keine brauchbaren Ansätze mehr!", erinnerte Regulus ihn frustriert. "Selbst wenn es noch einen gibt, wie sollen wir ihn je finden?"

"Könnten wir noch einmal Slughorn fragen?", schlug Remus vor. Regulus schüttelte entschieden den Kopf. 

"Wenn wir ihn nochmal fragen, bekommt er einen Herzinfarkt", prophezeite er. Mary räusperte sich leise.

"Ok, Vorschlag", sagte sie. "Ich weiß, ihr hört es nicht gerne und glaubt mir, ich würde es nicht in den Raum werfen, wenn ich irgendeinen Weg drum herum sehen würde." Sie seufzte tief. "Aber wir sind ratlos. Wäre jetzt vielleicht doch der Moment, in dem wir Dumbledore um Hilfe bitten?"






Weil die Frage beim letzten Kapitel ein paarmal aufkam: Nagini ist zu diesem Zeitpunkt noch kein Horkrux! Sie wird erst 1996 von Voldemort dazu gemacht, was hier noch deutlich in der Zukunft liegt. Problematisch ist aktuell also wirklich "nur" noch Harry. Hah. Fun.

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