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Remus hatte es als Teenager nie wirklich verstanden, wenn Erwachsene sagten, dass die Zeit verflog, aber jetzt wusste er, was sie gemeint hatten. Mary lebte sich im Ligusterweg ein. Sie und Remus entwickelten eine noch engere Freundschaft mit Anne und Quinn, regelmäßig saßen sie abends zusammen, passten gegenseitig auf die Kinder auf und kochten gemeinsam. Auch Edyta war viel mit dabei. Remus lernte zum ersten Mal eines ihrer Kinder kennen, als ihre älteste Tochter sie besuchen kam. 

Julie bekam Zähne, was...nicht unbedingt Remus' Lieblingsphase war. Aber sie lachte mehr, sie begann zuerst zu greifen, dann, sich vom Bauch auf den Rücken zu drehen und andersherum, zu sitzen und schließlich...naja, so richtig krabbeln war es nicht, es war eher ein Robben mit viel Gezappel der Beine. 

Mary und Remus dokumentierten jeden einzelnen Schritt, egal wie klein er war, für Sirius und die Briefe in der Schreibtischschublade wurden mehr und mehr und Remus liebte es gleichzeitig, sie zu schreiben wie er es hasste, sie schreiben zu müssen, statt dass Sirius einfach hier wäre und es alles selbst sehen konnte. 

Die Suche nach dem wirklichen Verräter ging schleppend voran. Remus hatte einige ehemalige Ordensmitglieder angeschrieben oder besucht, aber viele waren es nicht mehr und die wenigsten wollten mit ihm über den 31. Oktober reden. Ein paar sprachen mit ihm, aber es wurde mehr als deutlich, dass sie es nur aus Mitleid mit ihm taten, dass er die Vergangenheit nicht loslassen konnte. Also ging Remus zurück zum Versuch, eine Möglichkeit zu finden, mit Sirius zu sprechen, aber auch das ging langsam voran, eigentlich gar nicht. 

Als Halloween 1982 kam, war Julie fast ein halbes Jahr alt. Die Jacksons wollten eine bunte Halloweenfeier machen, aus der sich Mary und Remus herauszogen. 

"Oh, besucht ihr Verwandtschaft?", fragte Anne fröhlich, als Remus ihre Einladung höflich ablehnte. Remus stockte, dann beschloss er, die ihm gebotene Ausrede anzunehmen. 

"Sowas in der Art", murmelte er. Aber der Gedanke ließ ihn nicht los und vorsichtig fragte er Mary, wie sie zu der Sache stand. Sie war dafür. 

Sie apparierten nach Godric's Hollow. 

Sie starrten das Denkmal von Lily und James, wie sie mit Harry auf der Bank saßen und milde lächelten, eine ganze Weile an. 

"James würde es hassen, dass sie so dargestellt wurden", sagte Mary dann abschätzig. Remus konnte nicht anders, als ein bisschen zu schmunzeln und wow, damit hatte er nicht gerechnet, dass er das hier und heute überhaupt tun würde. 

"Lily noch mehr", meinte er. "Sie sehen aus, als wären sie sechzig, nicht einundzwanzig." 

Julie, die er in einem Tragetuch an seiner Brust trug, wackelte ein bisschen mit den Beinen und er zog sanft ihre Mütze noch ein Stück weiter über ihre Ohren. Mary wühlte neben ihm in ihrer Handtasche, dann zog sie etwas hervor und lehnte sich näher an das Denkmal. 

Julie nieste und Remus zog ein Taschentuch hervor, um ihr die Nase abzuwischen. Als er wieder aufsah, steckte Mary gerade ihren Permanentmarker weg. Lily und James hatten beide einen Schnurrbart. Er blinzelte, weil er nicht wusste, was er dazu sagen sollte. 

"Hast du...hast du gerade eines der wichtigsten Kriegsmahnmale der Zaubererwelt beschmiert?", fragte er dann leise. "Nicht zu vergessen, die Statuen unserer beiden besten Freunde?" 

Mary verdrehte die Augen. 

"Schau mir in die Augen und sag mir, dass sich die beiden da oben jetzt nicht gerade ein High Five geben", sagte sie trocken. Dazu konnte Remus fairerweise nicht mehr wirklich etwas sagen. Nach Lachen war ihm immer noch nicht wirklich zumute, aber er war erleichtert, dass sie mit ihm hier war.

"Blöderweise sind wir nicht die einzigen, die heute die Idee hatten, herzukommen", wandte er dann ein, als am Ende der Straße zwei Gestalten auftauchten. Mary sah sich um. 

Der Buchladen im LigusterwegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt