»Das hast du nicht zu entscheiden, Zesiel!«, mischte sich Dschaymalla ein.

»Aber ich entscheide, ob ich bleibe oder gehe!«

»Nun, denn«, Dschaymalla stöhnte, »warte doch draußen, mein Kind! Du kannst in meinem Archiv verweilen.«

Hein schlug mit seinen großen Händen auf den gläsernen Tisch, seine Augen wurden hinter dem Netz schwarz, als sein in ihnen ein Unwetter heraufgezogen.

Doch Muriel ging und war bald darauf im sogenannten Archiv des Elysiums. Das große Gewölbe war vollgestopft mit einigen Absonderlichkeiten. Da hingen Marionetten mit Fäden an der Wand, goldbeschlagene, dicke Bücher standen auf Regalen, Kämme und Tiegel waren dabei, Trinkbecher, Ketten und Schalen mit bunten Bonbons. Gerade streifte ihre Hand eine Perlenkette und sie sah auf die Puppen: »Spiel mit uns!« Sie wühlte in den Süßigkeiten: »Vernasch uns!« Gerade wollte sie eine knallblaue Zuckerkugel in den Mund stecken, als etwas ganz und gar ihre Aufmerksamkeit gefangen hielt und sie sie fallenließ. Sie ging an einem Sattel vorbei, an einem Schaukelpferd mit Trense und ließ ein Sternenguck-Ding links liegen. Da lag eine Art Uhr, sie war groß, dick und golden. Sie glänzte und sie roch gut, nach etwas, das man nicht gerne liegen lässt.

Andächtig berührte sie das Metall und zog einen Kreis um die goldene Dose. Da gab es ein helles Summen, das war nicht unangenehm und durch Muriels Hand lief ein Kribbeln.

»Hallo Uhr! Warum gehst du nicht?« Muriel hatte das Kleinod in die Hand genommen. Sie betrachtete es.

»Wohin soll ich denn gehen?«

Muriel erschrak so, dass sie das sprechende Ding beinahe fallen ließ. Sie fasste sich wieder:

»Nun bist du nicht so ein Teil, dass die Zeit anzeigt?«

»Ich bin Scazzi und ich bin eine Art Dose. Zeit spielt in meiner Welt keine Rolle. Ich habe hier auf dich gewartet.«

»Warum?«

»Ich werde dir helfen deine Aufgabe zu erfüllen. Mach mich auf!«

Vorsichtig drehte das Kind an dem Deckel der Dose, der aus einer Drehscheibe mit seltsamen Symbolen und einer kleinen eingelassenen Kuppel bestand. Die Kuppel war aus geschliffenem lilafarbenem Stein.

Muriel drehte die Drehscheibe eine halbe Drehung nach links und zweimal ganz nach rechts herum. Da sprang der Deckel auf und unter ihm befand sich glitzerndes Pulver, das verführerisch roch – nach Erinnerung und nach Freiheit.

»Komm, ich zeig dir was!«

Sie kam dem Pulver mit ihrer Stupsnase sehr nah.

»Willst du schlafen?«, fragte Scazzi.

»Jaaaa!«, hauchte das Kind mit halb geschlossenen Lidern.

»Komm näher! Und willst du auch träumen?«

»Jaaaa!« Ein klitzekleiner Windhauch kam herbei, gerade so einer, wie jener, der bei ihrer Ankunft den Zimt auf den Milchreis geweht hatte.

Das Pulver war schillernd wie Sternenstaub und sie atmete es ein. Eine Welt aus leuchtenden Farben öffnete sich ihr.

»Ich zeige dir, was war und was sein kann, wenn du auf mich vertraust. Du sollst von nun an die Hüterin des Schlafes sein. Dein Ort wird Nador sein und glaube mir die Menschen brauchen den Schlaf.«

»Brauchen sie auch die Träume?«

»Mehr als du glaubst. Ein Traum ändert alles, er ändert dich, ändert mich. Am Ende ändert er die ganze Welt!«

Der Schlaf der EwigenWhere stories live. Discover now