6. Kapitel ~Das Dorffest~ ✔

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,,Mia? Miaaaa?", nur widerwillig öffne ich meine Augen und schaue Adam schläfrig an. ,,Hmh, ja?", nuschele ich müde und strecke mich einmal bis mein Rücken leise knackst. Abwartend sieht er mich an. Ich kenne diesen Blick, er will etwas von mir und ich weiß schon genau, was das ist.

,,Vergiss es", antworte ich, ohne überhaupt seine Bitte anzuhören und ziehe die Decke über meinen Kopf. Leider weiß ich bereits jetzt, dass Adam mich weich klopfen wird. Seinem kleinen Schmollmund kann ich einfach nicht wiederstehen.

,,Bitteeee. Mom und Dad haben sich schon so darauf gefreut und-", er macht eine kurze Pause und täuscht dabei ein Schniefen vor: ,,Ich dachte wir gehen alle gemeinsam zum Fest. Als Familie." Ich beiße mir auf die Unterlippe und schmeiße mit einem Stöhnen die Decke beiseite. Nein, ich will nicht auf diese Feier, aber meinem kleinen Engel kann ich keinen Wunsch abschlagen.

Außerdem ist es ihm und meinen Eltern gegenüber nicht fair. ,,Von mir aus", seufze ich und verdrehe die Augen. Sofort hellt sich seine Miene auf. Er umarmt mich überschwänglich und deutet auf die Uhr. ,,Danke Mia! Aber beeil dich, in zehn Minuten fahren wir", mit diesen Worten verschwindet er aus meinem Zimmer.

Seufzend richte ich mich auf und klatsche mir im Bad provisorisch etwas Make Up auf die blasse Haut, um wenigstens ein klein wenig meine dunklen Augenringe zu kaschieren. Den Pferdeschwanz öffne ich, kämme mir einmal über die leicht welligen Haare und streife mir eine bordeaux farbene Bluse über. Dazu eine frische schwarze Jeans und meine weißen Vans, die ich aus den noch gepackten Umzugskartons krame.

,,Was haben wir nur für eine wunderschöne Tochter. Das gute Aussehen hat sie definitiv von mir geerbt", stichelt mein Vater, als ich die Treppen runtergestapft komme und zwinkert seiner Frau neckisch zu. Ich schüttele grinsend den Kopf und mustere die beiden. Seit fast 25 Jahren sind sie bereits verheiratet. Meine Mutter ist seine Scherze mittlerweile gewohnt, auch wenn sie immer noch beleidigt tut, wenn er mal wieder einen Spruch loslässt.

Sie haut ihm leicht auf den Arm und tritt dann hinaus. Schweigend folge ich ihr, bleibe jedoch noch einmal kurz bei meinem Dad stehen. ,,Das war ein kluger Schachzug von dir", gebe ich zu und schaue ihn eindringlich an. Er zieht nur unwissend die Schultern hoch: ,,Ich weiß überhaupt nicht was du meinst."

Augenverdrehend laufe ich zum Auto und schüttele den Kopf. Adam ist Dads' spezielle Geheimwaffe um mich von Dingen zu überzeugen, auf die ich aus Prinzip keine Lust habe. Obwohl er ihn immer wieder dafür benutzt, leugnet er es trotzdem weiterhin.

,,Bist du auch schon so aufgeregt?", fragt mich mein kleiner Engel strahlend, als ich mich neben ihn auf den Rücksitz fallen lasse. Ich schenke ihm ein warmes Lächeln und nicke. Es ist ganz gut, dass ich heute mal auf andere Gedanken komme. In meinem Zimmer wäre mir bei der Stille vermutlich noch die Decke auf den Kopf gefallen.

,,Dann kann es ja jetzt losgehen'', sagt mein Dad motiviert und startet den Motor. Meine Augen wandern die hügelige Landschaft entlang. Wie im Flug ziehen die nächsten zwanzig Minuten an mir vorbei. Hin und wieder vernehme ich die Stimme meiner Mom, die zu irgendeinem aktuellen Chartkracher im Radio mit trällert, jedoch stört es mich größtenteils nicht.

Mein Kopf ist wie leer gefegt. ,,ENDLICH!!!". Ich zucke zusammen und schaue Adam finster an. ,,Willst du das ich einen Herzinfarkt bekomme?!". Meine Hand wandert an meine Brust. Adam scheint das allerdings herzlich wenig zu interessieren. Sein komplettes Gesicht klebt förmlich an der Autoscheibe.

Wir biegen gerade auf einen relativ großen Parkplatz ein, der bereits brechend voll ist. Zum Glück können wir noch eine freie Parklücke für uns beanspruchen. Sofort schießt mein Puls in die Höhe, während wir aussteigen und uns mit langsamen Schritten auf eine riesige Scheune zu bewegen.

Ihre Außenfassade zieren dutzende Lichterketten. Von Innen dringt bereits leise Musik nach draußen. Eine angenehme Wärme umfängt mich, als wir die Halle betreten. Links an der breiten Eingangstür steht eine kleine Gruppe von jungen Erwachsenen, die ungefähr in meinem Alter sein müssen.

Neugierig begutachten sie mich.
Ich hasse es, wenn man mich beobachtet. Man kann nie wirklich wissen, ob man die Blicke nun positiv oder eher negativ deuten soll. Sofort wende ich den Blick ab und folge meinen Eltern zu einer kleinen Bar an der reichlich Getränke, überwiegend jedoch Bier ausgeschenkt wird.

,,Ah, Dr. Hanson! Sie auch hier?". Mein Dad reicht einem um die Ende vierzig jährigen Mann seine Hand. Vereinzelt zieren bereits graue Strähnen seine blassblonden Haare.

,,Mr. Green! Ja, meine Frau hat mich dazu überredet." Er sieht erst meinen Dad und anschließend mich an. Ein warmes Lächeln breitet sich auf seinen Lippen aus. ,,Du musst Mia sein. Ich bin Dr. Hanson, dein zuständiger Arzt. Freut mich sehr dich kennenzulernen".

Etwas überfordert nicke ich ihm kurz zu, als plötzlich eine laute Stimme die ganzen anderen Geräusche um uns herum übertönt. ,,Guten Abend Kaikoura!! Und herzlich Willkommen zu unserem alljährlichen Sommerfest! Ich hoffe ihr habt eine ordentliche Portion Spaß mitgebracht, denn in nur wenigen Minuten beginnt das Wetttanzen. Schnappt euch also einen Partner und rauf auf die Tanzfläche. Heizen wir es hier mal so richtig ein!!".

Aus jeder Ecke erklingen Jubelrufe, was mich nur noch mehr dazu veranlasst, mich zu verkrampfen. Ein Wetttanzen?
,,Ich muss mal eben auf die Toilette. War sehr nett". Ohne dem fremden Mann mir gegenüber in die Augen zu sehen, verschwinde ich in der Menschenmasse und dränge mich durch die schwitzenden Körper hindurch. Hauptsache weg von meinen Eltern, denn ich kenne sie.

Besonders mein Dad wäre der erste, der mich auf die Tanzfläche schleifen würde und das möchte ich beim besten Willen nicht. Lauernd drehe ich mich immer mal wieder um. Noch während ich mich nach vorne wende, laufe ich frontal gegen eine Person und kippe durch den Aufprall völlig perplex hinten über.

Unsanft lande ich auf meinem Hintern und verziehe das Gesicht vor Schmerzen. Vor Scham läuft mir das ganze Blut in den Kopf. Die Leute um mich herum beäugen mich aus einer Mischung von Belustigung und Mitleid. Anstalten mir zu helfen macht allerdings keiner. ,,Mia?"
Im Bruchteil einer Sekunde erkenne ich die Stimme, die soeben meinen Namen gesagt hat. Bei ihrem Klang breitet sich unweigerlich eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper aus, die jeden noch so kleinen Winkel wie eine gewaltige Welle überrennt.

Verdammt.

Soulpath - forever yours [LAUFEND]Where stories live. Discover now