6. Trapped rats talk

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Jun

Die Welt steht Kopf.

An meinem rechten Fussgelenk drückt eine Schlinge in meinen Schuh. Ich hänge zwischen zwei Säulen, weil ein dickes Seil mir aus dem Nichts den Boden unter den Füssen weggerissen hat.

Die Erdnussbutter-Bitch hat mir eine Falle gestellt.

Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte es verflucht nochmal wissen müssen!

Dads Messer schimmert in ihrer Hand. Sie spielt mit dem Licht, das von draussen durch die Fenster sticht und sich im Stahl spiegelt. Sie blendet mich damit.

„Das ist deine Chance", meint sie und breitet die Arme aus. „Your time to shine! Irgendwelche erinnerungswürdige Zitate? Irgendetwas Schlaues?"

Sie wird es wirklich tun. Sie wird mich töten. Ich höre und sehe es ihr an.

„Fuck!", entkommt es mir.

Ich will nicht sterben. Ich darf nicht.

Sie runzelt die Stirn. „Wow, nicht gerade episch." Ein Schulterzucken. „Aber okay."

Ihre Hand schnellt hervor und reisst mir mein T-Shirt und meine Lederjacke vom Oberkörper, aber nur bis zu den Schultern, sodass der Stoff meinen Kopf bedeckt und ich kaum noch etwas sehen kann.

Kalte Luft sticht auf meinen Bauch.

Oder ist es das Messer?

Fuck!

Sie hat das Messer an meinen Magen gelegt!

Etwas Spitzes und Scharfes fährt über meine Rippen.

„... vier, fünf, sechs ...", höre ich sie zählen.

Die Klinge hält bei meinem linken Brustansatz an — zwischen der vierten und fünften Rippe direkt über meinem Herzen. Wenn sie mich dort ersticht, dann bin ich auf der Stelle tot.

Sie erhöht den Druck, der Stahl presst sich in mein Fleisch, schneidet. Schmerz fährt mir durch Mark und Bein.

„Warte!", keuche ich.

Das Messer erstarrt in meiner Haut.

Ich atme flach und viel zu schwer. Mir ist schwindlig und mein Kopf dröhnt. Es ist, als würde mein Herz gleich explodieren.

„Worauf soll ich warten? Willst du noch beten, damit du in den Himmel kommst?" Sie schnaubt. „Ich muss dich enttäuschen — dein Gott ist nicht hier, um dich zu retten."

Sie erhöht den Druck, das Messer taucht tiefer in meine Haut. Weisse Sterne tanzen vor meinen Augen.

„Wir sehen uns in der Hölle", flüstert sie.

Nein!

„Ich weiss, wo das Refugium ist!", brülle ich so laut, dass es ein Echo in der Halle erzeugt.

Stille.

Dann wird mir das Messer aus dem Fleisch gezogen. Ein warmer Strom fliesst über meine Brust und meinen Hals, tropft zu Boden. Es ist nicht genug, um zu verbluten. Keine tödliche Verletzung.

Ihre Knie knacksen, als sie mir das T-Shirt hochkrempelt, damit ich sie sehen kann. Oder sie mich. Ein Gesicht mit himmelblauen Augen und hellen Haaren kommt zum Vorschein. In meinem alten Leben hätte ich sie schön gefunden. Aber sie ist der verdammte Teufel im Engelskleid.

„Für Lügen habe ich keine Zeit", schnauzt sie mich an.

Ich schüttle den Kopf. „Nein, du musst mir glauben! Ich weiss es wirklich."

The Green LineWhere stories live. Discover now