31. Kapitel

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"Du musst endlich mit ihr reden!", redete Nian auf ihren Bruder ein. Das tat sie schon seit geschlagenen fünf Tagen – seitdem sie ihren Bruder wieder zurück hatte. Natürlich hatte sie die letzten sechs Jahre auch mit ihm dieses Gespräch geführt. „Was willst du dir denn durch das ständige Warten und Aufschieben erhoffen?"

Noan stöhnte. „Hör zu Schwesterchen! Ich bin nur ein einfacher Junge aus dem Unteren Ring – nur eine Wache im Palast, der ein ganzes Jahr lang für ihre verräterischen Schwester arbeitete und der sie, nebenbei noch gesagt, direkt in eine Falle geführt hat! Und sie? Sie ist eine Prinzessin – in vier Tagen sogar die Kaiserin dieses Landes! Was glaubst du denn, was für Chancen ich habe?"

Nian hob die Hände. „Du hast vollkommen recht", gab sie zu. „Sie wird in vier Tagen gekrönt. Und genau deshalb solltest du noch möglichst davor dein Popöchen zu ihr bewegen und mit ihr reden! Denn danach wäre es kompliziert"

„Aber-"

„Es gibt kein Aber!", schnitt Nian ihm das Wort ab. „Du wirst jetzt zu ihr gehen und sagen, dass du sie liebst!" Mussten Jungs denn immer alles so kompliziert machen? „Du willst mir ernsthaft erklären, dass Arun es geschafft hat und du nicht?! Seit wann ist Arun tapferer, als mein Bruder? Wo ist denn dein Stolz?"

Noan seufzte. „Warum musst du dich eigentlich immer in meine Sachen einmischen?", fragte er mit einem kleinen Lächeln.

Nian stemmte die Hände in die Hüfte. „Weil du du offensichtlich ohne mich nichts auf die Reihe bekommst!", antwortete sie ihm lachend.

Das wollte Noan sich nicht bieten lassen und startete eine Kitzelattacke. Ja, es war schön, wieder so beisammen zu sein. Endlich!

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Es war der fünfundzwanzigste Mai. Es klopfte an Samiras Gemach und Milron kam herein. Als er das Zimmer betrat, verbeugte er sich vor seiner Herrin.

„Eure Hoheit, dort möchte Euch jemand sprechen. Ich habe sie in die große Halle bringen lassen."

Samira nickte, als sie sich dem kaiserlichen Berater zuwandte. „Danke. Ich werde mich auf den Weg machen." Damit begleitete Milron sie zu ihren Gästen.

Als sie in der großen Halle ankamen, erwartete Samira turbulenter Besuch, welcher sich angeregt mit einander unterhielt.

Erst, als Miron sich räusperte, bemerkten sie Samira und ihn. Schnell verneigten sie sich vor der Prinzessin.

Samira konnte unter den Gästen Frau Kyriaky und Herr Orell, sowie Karina, mit ihren Eltern Cora und Milan ausmachen.

Als sie ihre Freundin entdeckte, lächelte sie ihr aufmunternd zu, welche dies erwiderte.

„Njarr Mongrarr! Einen schönen Guten Tag! Wie kann ich euch behilflich sein?", begrüßte Samira ihre Gäste.

„Ja, den wünsche ich auch", begann Milan. „Zu aller erst: wie kann es sein, saß ich eine geschlagene Woche brauche, um hier anzureisen?", fragte er.

„Das tut mir wirklich leid", entschuldigte sich Samira bei ihm. „In der letzten Zeit gab es ... einige Komplikationen.", meinte sie. „Aber ich nehme nicht an, dass wir uns hier versammelt haben, um über die ein- und Ausreiseeinschränkungen zu diskutieren? Liege ich da richtig?"

„In der Tat!", stimmte Milan ihm zu. „Und zwar möchte ich von Euch wissen, wenn Ihr erlaubt, Eure Hoheit, wie viele Schwierigkeiten meine Tochter euch gemacht hat. Mir ist zu Ohren gekommen, dass da wohl ziemlich was los war!" Er warf Karina einen strengen Seitenblick zu, woraufhin sie noch mehr schrumpfte.

„Nun", meinte Samira ruhig und ging eine Stritte herum. „Wenn ich Karina irgendein Urteil geben müsste, dann würde ich ihr am ehesten eine Ehrenurkunde verleihen!"

Karinas Eltern sahen sich beide an, genauso, wie die zwei Lehrer.

„Karina hat mir ungeheuren Beistand geleistet! Sie war für mich da, als ich in Patia ganz alleine war – in meiner dunkelsten Zeit. Und sie hat uns geholfen, unser Land zu retten!" Samira drehte sich nun um und sah Milan und Cora jetzt genau in die Augen. „Karina hat Treue, Neugier, Mut und Kampfgeist gezeigt! Sie ist eine Heldin!"

Die vier erwachsenen sahen sich gegenseitig an, bevor sie dann zu Karina schauten. Diese ging zu Samira.

„Danke", flüsterte sie ihr zu.

Samira lächelte. „Ich sollte mich wohl eher bei dir bedanken!"

_ _ _

Es war schon spät, als Noans Schicht am nächstenTag vorbei war. Er wollte gerade den Palast verlassen, da sah er Samira auf ihrem Balkon stehen, wie sie hinaussah.

Also packte er sich und ging doch nochmal zu ihr. Er klopfte an der Tür und trat ein, als ein zärtliches „Komm herein", von der anderen Seite erklang.

Noan verbeugte sich vor seiner Herrin. „Braucht Ihr noch etwas, eure Majestät?", fragte er, als Ausrede, dass er hier war.

Samira drehte sich zu ihm und sah ihn an. „Ach Noan! Du sollst mich ganz normal beim Namen nennen! Bei den anderen Wachen ist es etwas anderes, aber ... dich kenne ich schon länger." Eine sanfte Brise ließ Samiras offene Haare leicht im Wind wehen. Der Mond schien auf sie hinab und die Sterne glitzerten am großen Nachthimmel.

Wieder einmal verlor Noan sich in Samiras Blick. Diese goldenen Augen! Sie waren so unfassbar schön!

„Was gibt es?"

Samiras Worte holten Noan aus seinen Gedanken.

„Ich meine, deine Schicht ist zu Ende. Was machst du dann als noch hier?"

Noan kam zu Samira ans Geländer getreten. „Darf ich denn nicht eine Freundin besuchen?"

Samira sah ihn an. Ein paar Sekunden standen sie beide so erstarrt da. Es schien, als hätte jemand die Zeit angehalten. Schließlich lächelte Samira so herzlich, wie früher immer. Noan hatte es vermisst, das Lächeln. Bei diesem Anblick schmolz sein Herz einfach so dahin.

„Es ist schön, dass du hier bist, Noan", flüsterte sie nach einer Weile.

Noan legte seine Hand auf ihre.

Samira zog ihre nicht weg.

Schließlich meinte Noan: „Du hast recht, es gibt einen Grund, weshalb ich hier bin"

Samira sah wieder zu Noan. „Und welchen?"

„Es ... gibt da eine Sache, die ich dir schon seit einer langen Zeit sagen möchte..."

Samira hörte ihm gebannt zu. „Hör zu, mein Titel braucht dich nicht zu verunsichern", räumte sie ein. „Sprich es einfach aus. Es wird nicht schlimm sein."

Noan atmete mehrere Male tief ein und aus, bevor er zu ihr aufschaute und fragte: „Auch nicht, wenn ... ich in dich verliebt bin?"

Noan hielt die Luft an. Stille erfolgte.

Doch irgendwann durchbrach Samira sie. „Nein, auch dann nicht." Sie schenkte ihm ein Lächeln. Danach lehnte sie sich langsam vor und küsste ihn. 

Hinter der GrenzeOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz