9. Kapitel

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Es war der zweite Februar in Aternis und Lu half ihren Bruder im Geschäft. Aber das war ja nichts neues. Genervt verdrehte das Mädchen die Augen.

Da kam ihr Bruder an. „Hey, kannst du bitte zur Post gehen? Ich habe die Nachricht erhalten, das wohl etwas für uns gekommen sein soll."

Lu nickte, dankbar dafür, dass sie endlich Mal an die frische Luft konnte. Obwohl sie und Aidan Geschwister und verwandt waren, so hatten sie doch so gut, wie nichts gemeinsam. Außer, dass sie beide Schwarze Haare hatten, waren sie grundverschieden. Denn während Aidan sehr ruhig und beruhigend war, verkörperte Lu das genaue Gegenteil. Sie strahlte immer eine gewisse Wildheit aus und hatte sehr viel Temperament.

Das Mädchen überlege. Wer hätte ihnen wohl Post zugeschickt? Es kam seit Monaten nichts mehr an. Nichts Geschäftliches, nichts Privates. Nichts aus Patia, nichts aus Aternis. Lu spürte schon wieder, wie die lodernde Wut in ihr aufkochte. Schnell dachte sie an den Trick, den Aidan ihr beigebracht hatte, falls er Mal nicht in ihrer Nähe sein sollte, um sie zu beruhigen. Langsam zählte sie von eins bis elf. Als sie bei der letzten Zahl angekommen war, fühle sie sich schon besser.

Mittlerweile war sie schon bei der Post angekommen. Auf einem großen Schild stand in langweiligen Buchstaben „POST 2"" geschrieben. Welche Farbe das ganze Gebäude hatte, wusste Lu nicht. In Moment war alles in das kitschige rosa getaucht, welches die Abendsonne in ihren letzten Momenten verbreitete. Jedoch interessiere sie es auch nicht, welche Farbe das Postgebäude hatte. Wer scherte sich schon darum? Wahrscheinlich hatte es irgendeinen einseitigen Grauton. Lu war sowieso zum ersten Mal hier und vorbei kam sie normalerweise auch nicht. Also war es ihr gleichgültig.

Lu nahm noch einen tiefen Atemzug voller frischer Luft und ging dann hinein. Drinnen sah es wie erwartet aus: graue Töne, ein gelangweilter Arbeiter, nichts Sehenswertes.

„Willkommen in der Post 2", begrüßte der Arbeiter Lu in eintöniger Stimme. „Wollen Sie etwas versenden, oder abholen?"

„Abholen", erwiderte Lu mit genauso gelangweilter Stimme, wie er und verschränkte dabei die Arme.

„Brief oder Paket?"

„Was weiß ich!", schrie Lu aufgebracht und kam auf den Arbeiter zu. Mit lautem Knall klatschte sie die Hände auf den Tresen. Dabei funkelte sie ihn mit ihren gefährlichen roten Augen an.

Nun kam doch noch Leben in den Arbeiter. „N- Name?", stotterte er.

„Lu.", erwiderte sie. „Misty."

Der Arbeiter drehte sich um und suchte nach dem Namen. „Ah, da haben wir es ja!" Er hielt einen Brief in die Höhe.

Lu beugte sich über den Tresen und wollte sich ihn schon schnappen. Doch der Arbeiter zog ihn schnell aus ihrer Reichweite. „Na, na, Lu! Nicht so eilig!" Er schüttelte den Kopf. „Mein Name ist-"

Er wurde von einem erneuten klatschen auf den Tresen von Lu unterbrochen. „Denkst du, ich hätte ewig Zeit? Mich interessiert es nicht, wie du heißt und nun gib schon her!" Damit schwang sie sich mit einem hieb über den Tresen, schnappte sich den Brief und verschwand auf schnellstem Wege aus der Poststelle.

Kaum war sie wieder draußen, schüttelte sie entsetzt den Kopf. Was für ein Glück, das sie nicht öfter hierherkam. Sie betrachtete verwundert den Brief in ihren Händen. Es war keiner ihrer gewöhnlichen Adressaten. Zumal auch überhaupt kein Absender darauf stand. Es stand nur in sehr gut leserlicher Schrift geschrieben: „Misty"

Achselzuckend betrat Lu ihre Gasse. Es war bereits Dunkel, weshalb ihr jetzt schon von oben herab die bunten Lichter entgegenleuchteten. Die Situation, in der sie sich alle momentan befanden, war suboptimal. Trotzdem hatten sich all ihre Nachbarn – und ihre Familie – zusammengeschlossen und versuchten einfach, das Beste aus der Lage zu machen. So nannten sie es zumindest. Lu verstand zwar nicht, was sie damit groß bewirken wollten, aber hinderte sie auch nicht an ihren großen Hoffnungsschwärmereien. Doch was alle nie begriffen war, dass es nicht besser werden konnte, wenn niemand etwas dagegen unternahm. Das Problem war nur, dass die Menschen zu ängstlich waren, um die Faust zu erheben. Und jene, die bereit dazu waren, etwas zu ändern, denen waren die Hände gebunden.

Hinter der GrenzeWhere stories live. Discover now