19. Kapitel

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Am nächsten Tag schickten Herr Orell und Frau Kyriaki die Schüler immer in mindestens Zweiergruppen los, um sich die Denkmäler noch einmal ausgiebig selber anzuschauen, um danach dann schließlich einen Aufsatz darüber zu schreiben. Somit war es für Samira und Karina ein Leichtes, sich wegzuschleichen.

Am Abend zuvor, bevor sie gegangen waren, hatten Lu und Nian ihnen noch mitgeteilt, dass sie sich an der Königsstatue im Unteren Ring trafen. Dies jedoch war etwas verzwickt, da die Durchgänge zwischen den beiden Ringen streng bewacht wurden. Somit mussten sich Samira und Karina einen eigenen Weg überlegen. Aber Samira kannte sich gut aus und hatte etliche Geheimwege, womit sie unbemerkt vom einen Ring in den anderen gelangen konnten, wie sie Karina zeigte.

Als sie an der steinernen Statue ankamen, wartete davor schon ein junger Mann. Er saß auf dem Boden, mit dem Rücken an die Statue gelehnt und schaute zu, wie ein Eichhörnchen vor an einer Nuss knabberte. Nun glitt sein Blick hoch und blieb an den beiden Mädchen hängen. Karina hatte ihn noch nie gesehen. Allerdings schien Samira ihn zu kennen.

Kaum merklich nickten die beiden sich zu.

Er kam langsam und unauffällig wieder hoch. Dabei fiel Karina auf, wie groß er war. Er war etwa 1,80 m groß, wie Karina feststellte. Der junge Mann war auf jeden Fall schon volljährig. Vielleicht 19? Oder 20? Seine Haut war gebräunt, seine Augen braun. Dazu hatte er seine schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden.

Das Eichhörnchen schnappte sich die Nuss und lief zurück ins Gebüsch, wo es schließlich den Baum hinaufkletterte und in dessen Krone verschwand.

Er sah im nach. Währenddessen holte er aus seiner Tasche ein Amulett. Die Fassung war in einem dunklen braun gehalten. Darauf glitzerten mehrere verschiedene grüne Kristalle. Seine andere Hand glitt über den Stein. Plötzlich wurde eine kleine Einkerbung sichtbar. Nun steckte er das Amulett in diese Einkerbung und ...

... nichts passierte.

„Sollte jetzt nicht irgendwas geschehen?", flüsterte Karina ihrer Freundin zu.

Diese nickte. Allerdings galt das wohl eher dem Jungen, als Karina. Danach flüsterte sie Karina zu: „Folge mir. Dann wirst du es sehen!"

Die beiden verschwanden im Gebüsch, wohin das Eichhörnchen vor ein paar Minuten verschwunden war.

Karina sah hinauf in die Baumkronen, wo das Geschöpf verschwunden ist, konnte es jedoch nicht entdecken. Also glitt ihr Blick wieder zurück zu Samira. Und da sah sie es.

Vor ihnen lag eine versteckte Luke, die geöffnet war. Hatte das Amulett sie geöffnet?

Samira kletterte hinein. Karina folgte ihr.

Die Luke war nicht sehr groß. Es war gerade mal genug Platz, um hindurchzukommen. Der Radius betrug maximal einen Meter. Es führte eine Strickleiter hinunter, mit der Karina und Samira in die Tiefe stiegen.

Karina wusste nicht, wie weit es hinunter ging. Allerdings war es weitaus tiefer, als sie erwartet hatte. Schließlich jedoch kamen sie unten an.

Die beiden Mädchen sahen sich um. Sie befanden sich in einem Raum. Er besaß keine Fenster. Allerdings war das nicht wunderlich. Immerhin lag er unter der Erde. Die einzigen Lichtquellen waren einige Kerzen und drei seltsame Lichtkugeln, die erstaunlich viel Licht spendeten, für ihre Größe. Alle drei waren unterschiedlich groß. Die, neben der Strickleiter hatte fast die Größe eines Fußballs. Die Zweite Lichtkugel war auf der anderen Seite des Zimmers und ungefähr halb so groß. Die Dritte stand so ziemlich in der Mitte des Raumes und war etwa doppelt so groß, wie die Erste.

Auf dem schlichten Holzboden war ein großer Teppich ausgelegt, der hübsch bestickt war. Karina zählte drei Sofas, wobei jedes an einer anderen Wand stand, eines davon zog sich über eine Ecke. Davor stand ein Tisch. Zudem waren auch einige Sessel, Stühle und Sitzsäcke verteilt. Meistens standen immer zwei nebeneinander. Allerdings waren in einer Ecke – gegenüber der Sofaecke – vier zusammen. Was ihr auch noch auffiel war, dass von dem Weg vier Türe abgingen. Zwei auf der linken Seite, eine geradezu und eine zu ihrer rechten Seite.

Im Großen und Ganzen sah dieser Raum schonmal ziemlich gemütlich und heimelig aus.

Allerdings zog nun etwas anderes Karinas Aufmerksamkeit auf sich. Denn die rechte Tür ging plötzlich auf und es traten mehrere Personen in den Raum. Der junge Mann von vorhin trat hinter Karina hervor und gesellte sich zu den anderen. Karina hatte überhaut nicht mitbekommen, dass er die ganze Zeit hinter ihr gestanden hatte, oder dass er überhaupt heruntergekommen war.

Karina sah zu Samira. Diese schien allerdings tief in Gedanken zu sein.

Die Minuten zogen sich dahin. Niemand sagte etwas. Es war kein Geräusch zu hören. Es war, als hätte jemand eine unsichtbare Linie gezogen. Auf der einen Seite standen Samira und Karina, während mit einigem Abstand – es waren etwa drei oder vier Meter – die ganzen Personen standen, die gerade hereingekommen waren. Karina glaubte, dass sie neun gezählt hatte.

Plötzlich wurde die Stille durch ein übertriebenes Stöhnen unterbrochen. Lu trat vor und sah alle abwechselnd streng an. „Ich hab uns doch hier nicht fürs gegenseitige beglotzen hergebracht! Hat denn niemand etwas zu sagen?!"

Schweigen erfolgte.

Augenrollend stapfte Lu zu Samira. Als diese immer noch nicht reagierte, schnipste Lu mit ihren Fingern vor ihrem Gesicht, um sie aus ihrer Trance zu erwecken. „Hey, aufgepasst! Schlafen kannst du nachher noch! In meiner Gegenwart sind scharfe Sinne gefordert!"

Langsam klärte sich Samiras Blick wieder. „Äh, was? Achso, ja." Sie straffte den Rücken und hielt Lus Blickkontakt ohne mit der Wimper zu zucken stand.

Lu kniff prüfend die Augen zusammen, bevor sie wieder einige Schritte zurückwich und sich zu den anderen gesellte. „Na dann mal los!"

Samira reckte ihr Kinn in die Höhe, um ihre Position klar zu machen. „Für alle die sich das gefragt haben, oder noch Zweifel daran hegen: Ja, ich bin es wirklich!" Gemurmel brach aus. Samira räusperte sich ermahnend, sodass es wieder still wurde. „Wir alle wissen, warum wir uns heute hier versammelt haben. Und ich kann euch versichern, dass der Tag, auf den ihr alle seit so langer Zeit hin gefiebert habt, wird bald kommen. Jedoch muss ich euch vorwarnen: Es wird nicht einfach werden. Das Ende liegt in den Sternen. Aber ich bin froh, dass ihr alles für unser Ziel riskiert und verspreche euch, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um unseren Erfolg zu gewährleisten!"

Beifall erklang.

Als er sich wieder beruhigt hatte, kam Samira zu Karina. „Dies hier ist Karina. Sie wird bei unserem Projekt mitmachen und ihr werdet sie auch dementsprechend behandeln!"

„Und was ist mit der Aufnahmeprüfung?", kam eine Frage auf.

„Guter Einwand, Thasi.", richtete sich Samira an den blonden Jungen Mann. „Karinas Aufnahmeprüfung bestand im ganzen letzten Jahr." Sie sah mit einem Lächeln zu Karina, bevor sie sich wieder an ihr Publikum wandte. „Und ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass sie diese mit bravour bestanden hat! Sie hat Eigenschaften, die uns alle verbindet. Sie besitzt Mut, Kraft, Ausdauer, Entschlossenheit und hat was im Kopf." Bei jeder Eigenschaft sah sie jemanden bestimmten an. „Ich verlange von euch, dass ihr sie gut aufnehmt. Sie ist nun eine von uns. Behandelt sie mit Respekt!"

Plötzlich riefen alle auf einmal: „Jawohl! Hoch lebe unsere Aelia!"

Hinter der GrenzeKde žijí příběhy. Začni objevovat