Kapitel 4 /Draco

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Ein normaler Schüler zu sein, hatte Draco sich immer gewunschen. Einfach nur jeden Tag aufstehen, frühstücken, zum Unterricht gehen, dort das Wissen der Professoren aufsaugen und dann zu Mittag essen, in seinem Zimmer das neue Wissen noch einmal durchgehen und dann den Tag mit seinen Freunden ausklingen zu lassen. Mehr wollte er nicht.

Es war zu viel verlangt, nicht für andere, das wusste Draco jetzt, doch für Menschen in seiner Situation. Für ihn. Es war zu viel verlangt, für sein Leben und für seine Zukunft.

Draco wusste, dass er nicht einfach so an Dumbledore herankommen konnte, um ihn zu töten. Vor allem deswegen, weil er es nicht wollte.

Doch er war der Auserwählte.

Voldemort wollte, dass ER den Auftrag ausführt und Draco wollte ihn nicht enttäuschen. Vielleicht wollte er aber auch nur sich selbst nicht enttäuschen und endlich einmal ein Lob von jemandem bekommen, dem er etwas bedeutete.

Er hatte sich so sehr eingeredet, dass er Voldemort etwas bedeutete, dass er alles Andere für einen Moment vergessen hatte. Er war so fixiert darauf gewesen, dass er nicht mehr an sein eigentliches Ziel gedacht hatte, und er fühlte sich augenblicklich schlecht, als es ihm wieder in den Sinn kam.

Seine Schritte führten ihn dieses Mal, aufgrund seiner Idee direkt zum Vorratsraum für Zaubertränke. Draco wollte tatsächlich Snape bestehlen, denn nirgendwo sonst würde er das finden, was er für seinen ersten Versuch brauchen würde.

Gift.

Der Raum war leer, genau wie der Gang, aus dem Draco in den Raum trat. Es roch fast nach Winter in der kleinen Kammer. Draco's Nase streifte aber noch ein anderer Geruch. Es schien fast so, als würde Draco eine ganz bestimmte Sache am Meisten anziehen.

Er ließ seinen Blick über all die Reihen voller leerer Gläser, Zaubertrankzutaten und fertigen Zaubertränke gleiten. Das, was ihn anzog, konnte er nicht in dem vollgestopften Raum ausmachen.

Es war nur wie ein Gefühl. Ein leises Wispern nach ihm, wie ein Windhauch. Er wusste, dass es existierte, doch er wusste nicht, was es war und woher es kam.

Seine Finger glitten über die Etiketten der verschiedenen Aufbewahrungsbehälter, noch immer auf der Suche nach dem, was nach ihm rief. Was er eigentlich dort wollte, hatte er schon vergessen, in dem Moment, als er eintrat.

Draco wusste nicht, wie er es finden sollte. Mit jeder Flasche und Phiole mehr, die er berührte, wurde er immer ungeduldiger. In seinem Bauch wuchs die Wut über die Enttäuschung, nicht finden zu können, was er finden MUSSTE.

Am Ende der Reihen blieb er frustriert stehen. Das Gefühl, suchen zu müssen, ließ ihn auch jetzt nicht los. Mit einem Mal steckte er die Hand zwischen die Wand und die Reihen mit leeren Flaschen und zog sie einfach bis zur gegenüber liegenden Wand durch. Die Flaschen fielen mit lautem Klirren zu Boden und zersprangen auf dem Boden.

Es war ihm egal. Er war wie gesteuert von der Sucht, endlich das in der Hand zu halten, was ihm gehörte. Was seinen Namen rief. Es fühlte sich an wie ein Teil von ihm. Ganz unten, kurz über dem riesigen Haufen an Scherben leerer Flaschen, fand er, was er suchte.

Er kniete sich in die Scherben, die ihm durch die Hose in die Knie schnitten, und zog eine kleine Kiste hinter dem linken Regal, direkt hinter der Tür, heraus. Seine Finger schnitten sich an den Scherben, aber er spürte den Schmerz nicht. Mit zittrigen Fingern öffnete er das Kästchen. Es war klein und schwarz, und als er auf dem Verschluss das Wappen seiner Familie entdeckte, drehte sich ihm der Magen um.

Darin lag eine Prophezeiung. Seine.

Draco stand wie erstarrt da, auf die Glaskugel starrend. Er wusste, dass wenn er sie berühren würde, würde sie ihm ihr gesamtes Wissen übertragen. Und dann wäre es Draco, der alles wissen würde. Er wollte es wissen, was auch immer die Kugel ihm sagen würde, doch er hatte Angst, dass diese Zukunft nicht so verlaufen würde, wie er es sich wünschte.

Sein kalt gewordenes Herz machte einen kleinen Sprung, als er sich dazu entschied, die Prophezeiung anzusehen.

Er hatte nichts zu verlieren.

Erst, als er sah, wie sehr er zitterte und wie blass seine Haut geworden war, wurde ihm bewusst, wie viel Hoffnung er wirklich in diese kleine Kugel setzte.

Und erst, als er die Glaskugel auf seiner ausgestreckten Handfläche hielt, explodierten die Vorhersagen in seinem Kopf..


Er sah sich. Tötend.

Er tötete Dumbledore.

Er tötete seine Mitschüler.

Er tötete Menschen, die er nicht kannte.

Und am Ende tötete er Moon.


Er sah Moon. Weinend.

Sie weinte, blutüberströmt.

Sie weinte, und sah ihn direkt an.

Sie weinte, und bettelte um ihr Leben.

Und am Ende weinte sie, kraftlos, ohne sich zu wehren.


Er sah ein Kind. Lachend.

Es lachte, und es schien, als würde es von innen her strahlen.

Es lachte, und es hatte die Lippen von Moon und seinen Mund.

Es lachte, und rief ‚Papa.'

Und am Ende sah er sich und das Kind zusammen am Bahnsteig.


Draco starrte noch immer auf die Kugel in seiner Hand, wie betäubt von dem, was er gesehen hatte. Unsicher, ob es vielleicht doch Einbildung war. Er wollte nicht, dass alles daran Wirklichkeit wurde.

Und dann traf ihn die Erkenntnis dessen, was er gesehen hatte, wie ein Blitzschlag. Er rang um Luft, trat rückwärts und fiel fast in die Scherben. Das Kästchen ließ er fallen, doch die Kugel hielt er fest in seinem Griff.

Er musste es selbst sein, der die Prophezeiung ändern würde. Er wollte sein Leben selbst in die Hand nehmen. Mit dem Gift in der Hand und der Glaskugel in seiner Hand verließ er den Raum voller Scherben. Er musste fast lächeln, denn der Raum sah aus, wie er sich innerlich fühlte.

Zerbrochen.

Selenophile. [Draco Malfoy] GERMANKde žijí příběhy. Začni objevovat