Berghütten Fiasko

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Emilia kann nicht anders und starrt den Notizzettel seit zwei Minuten ununterbrochen an. 'Geh nicht den verschlungenen Pfad entlang.' Sie ist komplett verwirrt. „...Was zur Hölle meint dieser Hohlkopf damit? Der hat sie doch nicht mehr alle..." Darüber zuckt sie nur einmal mit den Schultern, zerknüllt die Notiz und steckt sie achtlos in ihre Jackentasche zurück. „So ein Blödmann...ich lass mir von dem gewiss nicht vorschreiben, was ich zu tun habe", knurrt sie. Emilia setzt ihren Rucksack wieder auf und setzt ihren Weg fort. Wenn das Navigationssystem stimmt, dann gibt es in zwei Kilometern eine Abzweigung, wo sich der Weg in zwei Teile teilt.

Dort wird sie ihre nächste Pause machen. Wobei...zwei Kilometer humpelt sie auf einem Bein ab. Das ist für Emilia keine Herausforderung, also wird sie sich spontan für einen Weg entscheiden müssen. Ab und an schaut sie nochmal zu dem Skilift hinüber. Die junge Frau erwischt sich dabei, nach Grusha Ausschau zu halten. Doch er taucht nicht wieder auf. Auch auf der Piste kann sie ihn nicht mehr sehen. Verflixt nochmal – sie hätte ihr Fernglas, dass sie von ihrem Vater bekommen hat von Zuhause mitnehmen sollen. Und nun bekommt sie die Quittung dafür. Von wegen sie ist gut vorbereitet und hat alles eingepackt. Sich darüber aufzuregen bringt jetzt auch nichts mehr, also stampft Emilia weiterhin den Weg entlang.

Bald darauf erreicht sie die Kreuzung, die ihr Navigationssystem schon angekündigt hat. Energisch bleibt sie vor dem Wegweiser stehen. Die Straße wo geradeaus führt endet hier abrupt. Es geht nur noch nach links oder nach rechts. Während der linke Weg den verschlungenen Pfad ankündigt, geht es rechts zum Skilift. Plötzlich ist Emilia verunsichert. Sie holt den Zettel erneut raus und liest ihn nochmal. „...Geh nicht den verschlungenen Pfad entlang..." Wieso hat Grusha ihr das mitgeteilt? Es muss doch einen Grund dafür geben. Um eben diesen Grund herauszufinden, öffnet sie die Navigation auf ihrem Handy und schaut sich die umliegende Gegend an. Emilia schmunzelt. „Der will mich wirklich ärgern..." In fünf Kilometern gibt es auf dem verschlungenen Pfad eine Berghütte. Dort wird sie ihre große Pause machen und dann dem Pfad weiter folgen und nach Hause gehen. Für Emilia ist die Sache damit geklärt. Sie ignoriert seinen Rat und nimmt den linken Weg. Zur gleichen Zeit rauscht Grusha die Piste hinunter. Er hat ein ganz mieses Gefühl in der Bauchgegend.

Emilia ist keine zwanzig Meter weit gekommen, als sie sich umdreht. „...War da was...?" Sie hat sich eingebildet, dass man sie gerufen hat. Aber es scheint wirklich nur ein Hirngespinst gewesen zu sein. Schließlich zuckt sie mit den Schultern und geht einfach weiter. Unterwegs zu der Berghütte herrscht eine herrliche Aussicht. Emilia schießt viele Fotos davon, um sie später ihrer Mutter unter die Nase zu reiben. Aber wenn sie genau darüber nachdenkt, dann ist es echt kalt hier oben. „Whoa...hoffentlich ist es nicht mehr weit..."

Wenn man sich nicht wohl fühlt, kann die Zeit sehr langsam vergehen. Umso glücklicher ist Emilia, als die ersehnte Berghütte endlich in Sicht ist. Na endlich! Sie träumt bereits von einer warmen Stube, einem heißen Kaffee und einem Stück Kuchen. Doch als sie die Hütte endlich erreicht hat, fällt sie direkt vom Glauben ab. „...Das ist doch nicht euer Ernst! Echt jetzt?!" Die verstaubte Bruchbude hat seit drei Jahren dauerhaft geschlossen. Plötzlich färbt sich ihr Gesicht feuerrot. „Dieser elende Hurensohn! Wieso hat er nicht einfach gesagt, dass die geschlossen haben?"

Emilia könnte gerade platzen vor lauter Wut. Doch bis es wirklich dazu kommt, atmet sie einmal tief ein und stöhnt laut vor sich her. Sich weiter darüber aufzuregen bringt ohnehin nichts. Also lehnt sie sich an das Geländer und holt erneut ihre Thermoskanne mit dem Kakao hervor. Eine heiße Schokolade wärmt von innen heraus und ist besser als gar nichts. Da wird sie sich die große Pause in einer warmen Stube abschminken können. Da kann man nichts machen. Nach einer kurzen zehn Minuten Pause, geht der Marsch dann über den verschlungenen Pfad weiter. Laut ihrer Karte im Navigationssystem, soll diese Strecke zurück an den Fuß des Berges führen. Es ist für Emilia ein kleiner Trost genau am unteren Ende der Piste wieder herauszukommen.

Daran hat sie zumindest geglaubt, bevor sie die Absperrung gesehen hat. „...Das ist doch jetzt nicht wahr, oder...?" Die junge Frau scheint wirklich vom Pech verfolgt zu sein. So wie es aussieht, muss es hier einen Erdrutsch, oder etwas ähnliches gegeben haben. Der komplette Weg ist verschüttet, abgerutscht und gesperrt. Emilia hat keine andere Wahl mehr. Sie muss den ganzen Weg zurücklaufen. Sie schaut auf die Uhr. Es ist bereits Nachmittag. Tatsächlich ärgert sich Emilia darüber und wünschte sich gerade, dass sie einfach auf Grusha gehört hätte. Dann wäre sie jetzt nicht in diesem Dilemma gefangen. Aber nein – ihr verletzter Stolz ist größer als die Vernunft gewesen. Auch wenn es Emilia nicht zugeben will, doch sein Korb hat sie mehr gekränkt als anfangs angenommen. Immerhin wurde sie von ihrer Mutter ziemlich verwöhnt und ist daran gewöhnt immer das zu bekommen was sie will. Und weil das bei Grusha nicht der Fall war, konnte sie damit einfach nicht umgehen.

So macht sich Emilia schlecht gelaunt auf den Rückweg. Sie hat für heute die Faxen dicke und wird definitiv mit dem Skilift wieder nach unten fahren. Plötzlich fällt ihr etwas weißes und kaltes auf die Nasenspitze. „Was zum...?" Sie streckt die Hand aus. „...Schnee...?" Na großartig! Jetzt fängt es auch noch an zu schneien. Ihr ist ohnehin schon kalt genug. Da wird sich Emilia beeilen müssen. Immerhin will sie sich nicht erkälten. Bei dem Wetter wird sie sich nicht nur ein oder zwei Frostbeulen holen, sondern gänzlich als Eiszapfen enden. „Also gut, dann mal zurück zum Lift und ab nach Hause." Doch das wird eine ganze Weile dauern. Immerhin muss sie mehrere Kilometer zum Ausgangspunkt zurücklaufen.

Zur gleichen Zeit steht Grusha wieder oben an der Piste und hält Ausschau. Seine eisblauen Augen wandern hin und her und scheinen etwas zu suchen. „Ist etwas nicht in Ordnung, Grusha?" Der junge Mann wendet seinen Blick darauf ab. „...Nein....es ist nichts..." Schließlich fällt auch ihm eine Schneeflocke ins Gesicht. Seltsam – heute wurde doch gar kein Schnee gemeldet. „...Sie müsste doch schon längst hier sein...", murmelt er leise. „Hast du was gesagt?" Er schüttelt den Kopf. „...Nein...", sagt er und rauscht schließlich die Piste erneut herunter.


Eiskalt erwischt (Abgebrochen)Where stories live. Discover now