Eiskalt erwischt (Abgebrochen)

Durchbohrende Kälte

...Es ist kalt...so schrecklich...kalt...

Selbst der stärkste Mensch ist den Naturgewalten nicht gewachsen. Woher hätte sie auch wissen sollen, dass sich dieser gemütliche Ausflug in solch einen Horrortrip verwandeln würde? Sie wünscht sich in diesem Moment, dass sie noch Zuhause bei ihrer Mutter wäre. Das sie diese verdammte Reise niemals gemacht hätte. Wärme suchend kuschelt sie sich enger an ihn. Keiner der beiden weiß wie viel Zeit inzwischen vergangen ist. Lange wird sie das nicht mehr aushalten. Grusha hat seine Jacke und seinen Schal schon vor einer ganzen Weile mit ihr geteilt. Trotzdem ist Emilia dabei sich in einen Eiszapfen zu verwandeln. Mittlerweile sind ihre Finger komplett steif gefroren. Sie kann sie nicht mehr bewegen. Um ihre Augen haben sich Eiskristalle gebildet und die frostige Bergluft ist dabei ihre Lungen zu gefriertrocknen.

Es tut weh...so unglaublich weh. Jeder einzelne Atemzug ist eine höllische Qual. Es fühlt sich an, als ob unzählige Eisnadeln ihre Atmungsorgane durchstechen würden. Während sie zittert wie Espenlaub, rührt er sich kein bisschen. Ihre blauen Lippen können nichts Gutes bedeuten. „...K...k...kalt...", bringt Emilia kaum noch heraus. Grusha zeigt keine Reaktion darauf. Er muss noch abgestumpfter sein, als sie zuvor gedacht hat. Sein eiskalter, emotionsloser Blick, hat sich stur an die Wand gegenüber geheftet. In Emilia's Augen ist er völlig gefühlskalt. Ein zurückgezogener, gleichgültiger, abweisender Eisklotz. Aber wenn er wirklich so kaltherzig ist, wieso hat Grusha dann seine Kleidung mit ihr geteilt? Auf diese Frage wird sie niemals eine Antwort finden. Emilia kann nicht mehr. Sie kann ihre tauben Glieder nicht mehr fühlen.

Wenn ihr jemand einen Arm oder ein Bein bei vollem Bewusstsein abtrennen würde, sie würde es nicht einmal mehr spüren. Ihre gefolterten Zehen kann sie auch nicht mehr bewegen. Hunger, Angst und Kälte sind dabei ihren letzten Widerstand zu brechen. Wenn sie doch nur ein Feuer machen könnten. Nein...sie kann wirklich nicht mehr. Mit jeder Sekunde die vergeht, schwinden ihre Lebensgeister mehr. Schließlich sinkt ihr Kopf auf seine Schulter. Emilia ist müde...so unglaublich müde. Daher gibt sie auf und ihr fallen schließlich die Augen zu. Langsam flacht ihre Atmung immer weiter ab. Bis sie schließlich gänzlich ausbleibt. Ihre Mutter hat immer gesagt, dass der Erfrierungstod einer der schlimmsten überhaupt ist. Und sie hat Recht gehabt. Emilia weiß, wann sie verloren hat. Soll dieser Berg ruhig ihr Leben haben. Ein letzter, kalter Atemzug verstreicht, bis sie von einer gewaltigen Maulschelle wieder ins Leben zurückgeholt wird.

„Reiß dich gefälligst zusammen! Du darfst nicht einschlafen, ansonsten wirst du sterben." Emilia ist von seinem plötzlichen Wutausbruch doch sehr überrascht. „Steh auf, wir müssen endlich weiter." Doch sie weigert sich. „...N...nein...", stöhnt sie. „I...ich....k...kann...n...nicht...."

„Doch, du kannst! Du musst mir jetzt helfen. Ich schaff das nicht allein." Grusha versucht sich nach oben zu stemmen. Seine eisblauen Augen kneifen sich fest zu einem schmalen Schlitz zusammen, da es ihm nicht gelingen will. „Emilia, jetzt mach schon." Doch egal wie sehr sie sich auch anstrengt. Ihr steif gefrorener Körper rührt sich einfach nicht. Er versucht es ein letztes mal und scheitert. Grusha gibt auf. Alleine wird er niemals die Kraft dafür aufbringen. „Verdammt..." Mit lodernden Zorn rammt er seine Faust gegen die Wand. Eine sehr schlechte Entscheidung, wie sich gleich zeigen wird. Sekunden danach beginnt der Berg kleine Risse auszubilden. Sofort vergrößern sie sich und bringen die Eisplatte, auf der sie seit Stunden sitzen zum reißen. Beide haben nicht einmal genug Zeit um zu schreien. In Emilia's Kopf dreht sich alles. Sie weiß ganz genau, dass sie hier ihr Ende finden wird. Ungebremst stürzen sie zusammen in die Tiefe.

...Doch bevor beide am nahenden Boden zerschellen wie rohe Eier, sollte man die Geschichte erfahren, wie Emilia und Grusha überhaupt in diese Lage gekommen sind...